BMW G 310 R Test

BMWs Sparprogramm alles andere als billig

BMW lädt zur Europapräsentation der G 310 R bei der BMW Group Classic im Herzen Münchens und lässt uns ihr neues Einsteigerbike testen. Das Versprechen: BMW-typische Qualität und gewohnter Fahrspaß zum ungewöhnlich günstigen Preis. Der Horvath hat es für euch überprüft.

Bei BMW hat man es nicht eilig. Mit 2013 tritt der europaweite A2-Führerschein in Kraft, Hersteller aus Japan besetzen sofort den Markt mit tauglichen Einsteigerbikes. Zu dem Zeitpunkt beginnt bei BMW das Projekt G 310 R. Das Ziel: ein leistbares Bike unter 500ccm entwickeln, aber gleichzeitig eine echte BMW auf die Beine stellen. Der beste Weg dazu führte nach Indien. Dort beschloss man eine Kooperation mit dem drittgrössten Motorradhersteller Indiens TVS, eine Win-Win Situation für beide Seiten. BMW kann günstig produzieren (in Europa hätte die Produktion zu hohe Kosten verursacht) und TVS bekommt das bayrische Knowhow und Maschinen nach europäischem Standard. Damit die Qualität auch dem Niveau entspricht, das sich die Kundschaft einer BMW erwartet, sind Rund um die Uhr Techniker aus Bayern vor Ort um die reibungslose Produktion zu garantieren.

Die Kundengruppe: die ganze Welt!

Im Segment 300-500 Kubik herrscht das grösste potentielle Wachstum, ergo der grösste Absatzmarkt, erklärt uns BMW Motorrad Präsident Stephan Schaller bei der Präsentation vor der Probefahrt. Neben dem europäischen und amerikanischen Markt, erwartet man hohe Absatzzahlen in Brasilien und dem asiatischen Markt, wo Motorräder dieser Kubatur Luxus auf der Strasse sind. Ausserdem will man mit der G 310 R die jüngere Kundschaft ansprechen. Der durchschnittliche BMW-Fahrer in Deutschland ist rund 50 Jahre alt, da ist noch Luft nach unten. Deswegen will man der kleinen Naked einen stylischen Urban-Motorrad Charakter anheften, denn beim Schwanzvergleich vor dem Eisgeschäft zieht eine BMW meist den Längeren.

Fahrwerk BMW G 310 R: ein fairer Kompromiss

Nachdem wir uns eine Stunde von deutscher Genauigkeit in der Theorie überzeugt hatten, beginnt unsere Testfahrt im Münchner Stadtverkehr. Ähnlich wie die meisten mitteleuropäischen Städte, sind die Strassen von Ausbesserungen und Kanaldeckel übersäht, für einen Motorradjournalisten der perfekte Spielplatz um das Fahrwerk zu testen. In der Front glänzt eine gold-eloxierte Upside-Down Gabel mit 41mm Durchmesser und im Heck ruht ein Zentralfederbein. Einstellbar ist nur die Federvorspannung im Heck, die Standardabstimmung fühlt sich für Stadtgetümmel ideal an. Die Federelemente dämpfen Schläge angenehm aus, der Stabilität und dem Komfort werden keine Abstriche gemacht. Für Bedenken sorgt das komfortable Fahrwerk nur als wir die Stadt verlassen und uns auf die Landstrassen um die Stadt begeben. Kann ein so komfortables Fahrwerk auch bei schnellem Tempo überzeugen?

Der grosse Oha-Moment folgt aber bald, selbst im Winkelwerk (das wir nur sehr kurz zu Augen bekamen) funktioniert die G 310 R einwandfrei, das Fahrwerk bleibt zwar noch auf der weichen Seite des Lebens, bietet aber viel Feedback an den Fahrer/die Fahrerin. Mitgeholfen hat dabei bestimmt die exzellente Bereifung die auf der G 310 R montiert ist. Serienmässig kommt sie mit Michelin Pilot Street, aufgezogen auf einer Dimension von 110/70 R17 vorne und 150/60 R17 hinten. Dieser hat ab der ersten Kurve so viel Vertrauen geschenkt, dass selbst ich das erste Mal auf einem Motorrad die Fussrasten angeschliffen habe.

Leistung BMW G 310 R: Genug Punch für Stadt und Land

Mit einem Leistungsgewicht von 0,16 kW/kg liegt die G 310 R deutlich unter der Grenze für den A2 Führerschein von 0,2kW/kg, eine gute Nachricht für alle Einsteiger. Der Einzylinder mit 313ccm (ist bereits Euro-4 konform) produziert 34PS, die per Kette ans Hinterrad geleitet werden. Dass der Motor anders ist, als bei Einsteigermotorrädern anderer Hersteller offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Er wurde nämlich um 180° gedreht, der Auspuffkrümmer befindet sich also hinten, genauer gesagt unter der Sitzbank des Fahrers. Somit ist die sperrige Airbox, die für die Ansaugung zuständig ist, in der Front, was der Sitzhöhe zugutekommt (mehr dazu im nächsten Absatz). Ob diese Drehung des Motors für einen anderen Sound sorgt, konnte ich nicht erfragen, aber das Aggregat erzeugt einen Klang, der das Ohr des Fahrers sehr schmeichelt. Im Stand zwar unaufgeregt, kommt unter Beschleunigung ein kerniger und potent klingender Sound zum Vorschein. Da stört es nicht wenn man stehenbleiben muss, um dann erneut auf Tempo zu kommen.

Auch auf der Landstrasse macht der Einzylinder eine gute Figur, der rote Bereich beginnt bei 10.000 U/min, er lässt sich aber noch ein Stück weiter drehen. Da kommt Motorsportfeeling auf! Einzig die Vibrationen in den Fussrasten ab 8500 U/min zwingen den Fahrer/die Fahrerin zum baldigen Hochschalten. Ausserdem muss man ihn in seinem Leistungsband ab ca. 6.000 U/min halten, sonst verliert man schnell den Schwung und folglich den Spass bei so einem kleinen Motor nichts Ungewöhnliches.

Selbst auf einem unbegrenzten Stück deutscher Autobahn birgt der Motor eine erfreuliche Überraschung in sich. Die von BMW angegebene Höchstgeschwindigkeit von 143 km/h lässt sich aus eigener Erfahrung um 10 km/h erhöhen, wären wir nicht auf Verkehr aufgelaufen, hätten wir sicherlich die 160 km/h Marke geknackt. Für 313 Kubik eine bemerkenswerte Leistung! Mit Windschutz darf man bei so einem Tempo zwar nicht mehr rechnen, das machen aber selbst doppelt so teure Nakeds nicht besser.

Verbesserungswürdig ist trotz all dem Lob am Motor das Getriebe der G 310 R. Es lässt sich vergleichsweise hackelig schalten, der Leerlauf will auch zweimal gebeten werden, bevor er wirklich drinnen ist. Für die Journalistenkollegen war das jedoch ok, eine typische BMW eben.

Der Verbrauch lässt sich nach so einem Tag nicht festlegen, Journalistenausfahren sind meistens sehr rasant du repräsentieren kaum den Alltag. Es lässt sich aber sagen, dass nach einem sehr temporeichen Tag eine Reichweite von ca. 270km möglich gewesen wäre, bei normaler Fahrweise wäre der Wert wahrscheinlich über 300km gestiegen.

Fahrverhalten und Gewicht: ein Traum!

Beim ersten Aufsitzen fällt sofort die niedrige Sitzhöhe auf. Wie bereits erwähnt, wurde durch das Vorverlegen der Airbox viel Platz gespart und die Sitzhöhe auf ein angenehmes Niveau heruntergesetzt. Mit 175cm bin ich wirklich kein Riese, meine Knie waren trotzdem noch Leicht angewinkelt im Stand. Auch der Kniewinkel während der Fahrt war für meine Grösse sehr angenehm. Sollte man viel grösser (ab ca. 190cm) oder viel kleiner (unter ca. 165cm) sein, bietet BMW im Zubehör noch je eine 15mm höhere oder 15mm tiefere Sitzbank an.

Als nächstes fällt der relativ hohe 11l Tank auf, er gibt einem das Gefühl tief im Motorrad zu sitzen. In der Weite kann der Tank den Vorteil des Einzylinders ausspielen. Er ist schön schmal gebaut und gibt einem das Gefühl auf einem viel kleineren Motorrad zu sitzen. Das gibt vor allem in kurvenreichen Gebieten viel Sicherheit, sie lässt sich somit schön mit dem ganzen Körper in die Kurve legen. Denn das soll gesagt sein: von den Ausmassen ist die G 310 R ein ausgewachsenes Motorrad, nur spürt man es beim Fahren nicht. Dazu trägt auch das relativ geringe Gewicht von 158,5 kg fahrbereit (ja, da waren die Ingenieure sehr genau) bei. Rangieren ist kein Problem und auch die Fahrt wird dadurch mehr zur Hetz, wie man in Österreich so schön sagt.

Sitzposition und Lenker perfekt für den Alltag

Als Fahrer einer Honda CBR600RR stand ich bei der Sitzposition kurz wie die Kuh vor dem frisch gestrichenen Tor. Ich sitze mit geradem Rücken auf einem Motorrad und hab einen breiten Lenker vor mir, daran musste ich mich gewöhnen. Nach ein paar Minuten in der Stadt und speziell im Winkelwerk begann ich diesen Luxus zu geniessen. Einerseits schmerzte kein Körperteil bevor noch die Kurven begannen, andererseits liess sich die G 310 R durch den hohen und breiten Lenker wirklich sauber in die Kurven drücken. Durch Links-Rechts Passagen wedelt man mit Leichtigkeit und auch Spitzkehren lassen sich mit Einfachheit fahren. Einfach grandios!

Als wir (ein österreichischer Journalistenkollege und ich) ein paar Stunden später auf besagter Autobahn das Opfer von Pendlerverkehr wurden, begann die Feuerprobe für die BMW G 310 R. Wir waren im Stress das Flugzeug für die Heimreise zu erwischen, es war also keine Zeit um sich hinten anzustellen. Ein Dank geht hier an die Ingenieure von BMW, die das kleine Naked Bike entworfen haben. Zwischen den Autokolonnen Münchens macht die Bayerin nämlich ebenfalls eine gute Figur, der Lenker war nicht zu breit um sich durchzuschummeln, wie ich es anfangs befürchtet hatte. (Und ja, wir haben unseren Flieger dann noch erwischt.)

Für jene, die es noch alltagstauglicher wollen, bietet BMW im Zubehör noch eine Topcasehalterung und das passende Topcase mit BMW Logo darauf an.

Eine BMW durch und durch

Das Design der BMW G 310 R orientiert sich laut Projektleiter Andreas Wimmer an der grossen Schwester S 1000 R. Bei näherer Betrachtung fallen aber weitere Designentwürfe auf, die in der BMW Modellpalette bereits vertreten sind. Persönlich nenne ich das Bike das Best of BMW, wieso will ich nun erklären. Die Scheinwerfermaske ist sehr minimalistisch, erinnert stark an jene der F 800 R. Die gold-eloxierte Upside-Downgabel findet sich in diesem Design auf einigen BMW Motorrädern, am imposantesten jedoch auf dem Heritage-Bike R nineT. Die Seitenverkleidung hat die Inspiration eindeutig von dem Power Naked Bike S1000R, während der lange Kennzeichenhalter im Heck an der der S 1000 XR erinnert. In jedem Teil erkennt man also die Herkunft BMW, das verschafft Eigenständigkeit, sie wird also nicht so leicht verwechselt.

Das Display der G 310 R ist gut ablesbar und bietet eine Fülle an Informationen. Durchschnittsverbrauch, derzeitiger Verbrauch, restliche Reichweite, Motortemperatur und Datum können angezeigt werden, um nur ein paar zu nennen. Einziger Manko: um sich die einzelnen Informationen zu sehen, muss man sie mit einem Knopf am Display durchklicken, ein Schalter am Lenkhebel würde das vereinfachen. Ebenfalls lassen sich die Indikatoren seitlich des Displays für Blinker, Leerlauf, Schaltblitz etc. bei direkter Sonneneinstrahlung nur sehr schlecht ablesen, also lieber zweimal prüfen.

Apropos Blinker: Serienmässig ist die G 310 R mit konventionellen Blinkern ausgestattet, für alle die LED bevorzugen sind LED-Blinker im BMW-Zubehör erhältlich. Die Standardblinker sind jedoch nicht viel grösser und geben ebenfalls eine schöne Optik.

Preis und Farben für die BMW G 310 R

Erhältlich ist die BMW G 310 R in drei Farben. Die meiner Meinung nach schönste Lackierung ist Pearlwhite Metallic mit rot-blauen Streifen im Stil der BMW Motorsport Farben. Ausserdem sind noch Cosmicblack Uni und Stratoblue Metallic verfügbar, für den etwas ruhigeren Auftritt. In Österreich liegt der Preis inkl. NOVA bei 4.950,- Euro, in Deutschland bei 4.750,- Euro.

Fazit: BMW G 310 R 2016

Mit der G 310 R ist BMW ein wirklich toller Wurf ins Einsteigersegment gelungen. Der Motor ist kräftig genug um in der Stadt und auf der Landstraße zu überzeugen, einzig das Getriebe hackt hier und da. Das Fahrwerk ist das wohl größte Plus der kleinen Bayerin, weich genug für die Stadt aber trotzdem mit genug Feedback wenn die Straße kurviger wird. Das alles mit einer komfortablen Sitzposition und einer Optik die eindeutig BMW schreit, hat man ein gutes Allroundpackage in der A2-Einsteigerklasse.


  • potenter Motor
  • niedriges Gewicht
  • hervorragendes Fahrwerk
  • niedrige Sitzhöhe
  • coole Optik
  • Vibration bei hoher Drehzahl
  • hackeliges Getriebe
  • Display bei Sonneinstrahlung schlecht ablesbar

Bericht vom 10.09.2016 | 160.152 Aufrufe

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