Suzuki SV650 2016 Test

Ganz die Alte und doch alles neu - Suzuki SV 650!

Wer beim flüchtigen Betrachten der neuen SV650 meint, die Vorgängerin der Vorgängerin zu erkennen, liegt nicht ganz falsch - und auch Suzuki selbst verkündet voller Stolz, dass man an die Designsprache jener SV650 anknüpft, die vor sieben Jahren von der allzu rundlichen SFV650 Gladius beerbt wurde. Ein bisserl Retro schadet aber keineswegs, wenn im Inneren ein hochmodernes Motorrad steckt!

Als die erste Suzuki SV650 im Jahre 1999 erschien, war ich schlichtweg begeistert von ihrem genialen Minimalismus: Kräftiger und quirliger Motor, einfachstes Handling und ein Naked Bike-Look, wie er sein soll. Daran sollte sich ganze 10 Jahre nichts ändern, auch die Modernisierung 2003 hielt an diesen Grundprinzipien fest. Bis schließlich 2009 die SFV650 Gladius die SV650 ablöste. Zwar war sie technisch noch moderner als die Vorgängerin (wäre ja auch traurig, wenn nicht), allerdings konnte sie optisch nicht an die beiden vorherigen SV-Baureihen anschließen. Zumindest für meinen Geschmack etwas zu rund, zu verspielt und zu sehr auf die vermeintliche weibliche Klientel abzielend - die im Übrigen ohnehin eher auf maskuline, scharf gezeichnete Naked Bikes steht.

Die neue Suzuki SV650 - in Wahrheit ein genialer Schachzug

Somit ist die brandneue SV650 nur auf den allerersten Blick und bestenfalls an der Front ein Rückschritt, wo nun wieder ein klassischer Rundscheinwerfer seinen Dienst versieht. In Wahrheit ist es aber ein genialer Schachzug, immerhin geht ein aktueller und immer stärker werdender Trend in Richtung klassische Elemente auf modernen Bikes - Yamahas XSR-Modelle sind da nur die Spitze des Eisbergs. Außerdem sind diese Modelle eine teilweise empfindlich teurere Variante von günstigen Mittelklasse-Einsteigerbikes, bei Suzuki ist bereits diese preiswerte Einsteigerin das klassische Modell!

Nur äußerlich ist die SV650 ein Klassiker

Allerdings muss ich nun, bevor noch jemand glaubt, die neue SV650 wäre tatsächlich ein 17 Jahre altes Motorrad, klarstellen, dass sich diese Klassik rein äußerlich und da eben vorrangig an der Front bemerkbar macht, im Inneren und in Sachen Technologie ist die neue SV650 rundum überarbeitet. Bereits beim Motor gibt Suzuki voller Stolz an, dass über 60 Teile neu sind - die Euro4-Abgasnorm-Konformität kommt nicht durch reines Handauflegen: Neue Kolben mit beschichteten Kolbenringen für weniger Reibung und Verschleiß, Doppelzündung und Einspritzdüsen mit nun 10 Löchern für noch mehr Effizienz.

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Nur ein V2 ist ein V2!

Und das Schönste ist, dass dieses 645 Kubik-Triebwerk dadurch keineswegs zu einem sterilen und langweiligen Arbeitstier wurde, sondern nach wie vor diesen herrlichen V2-Charakter ausstrahlt und äußerst quirlig zur Sache geht. Mit knapp über 76 PS bei 8500 Touren ist die SV650 nun auch die Stärkste unter ihren direkten Konkurrentinnen Yamaha MT-07 udn Kawasaki ER-6n, die beide mit Parallel-Twins ins Rennen gehen. Aber Suzuki tut meiner Meinung nach gut daran, am etwas teureren V2-Prinzip (immerhin braucht man einige Teile doppelt) festzuhalten, schon alleine der kernige Sound ist sehr gelungen und wirkt trotz der gesetzlichen Lärmvorschriften nicht arg zugestoppelt.

Weniger Gewicht bei der neuen Suzuki SV650 für mehr Spaß

Apropos Auspuff, der rechtsseitig montierte Endtopf passt mit seiner Form sehr gut zum minimalistischen Stil der neuen SV650, anders als bei der SFV650 Gladius wird auf den fetten Sammler unter dem Motor verzichtet und dafür ein etwas teurerer Katalysator verbaut. Das macht die neue SV650 nicht nur optisch ansprechender sondern drückt auch das Gewicht um satte 3,5 Kilo nach unten. Insgesamt werden zusätzliche 4,5 Kilo durch ein leichteres ABS und einige andere Teile eingespart - also ordentliche 8 Kilo weniger, die das Handling der nun 197 Kilo leichten SV (samt ABS) noch weiter gegenüber der ohnehin schon sehr handlichen SFV650 Gladius verbessert.

Mut zum schmalen Reifen

Klarerweise hängit diese Handlichkeit nicht zuletzt mit dem "überaus" schmalen 160er-Hinterreifen zusammen (wo doch heutzutage Naked Bikes mit 190er-Pneus schon ganz normal sind). Damit wieselt die SV650 um die engsten Radien, läßt sich herrlich umlegen und bleibt dennoch erstaunlich stabil. Das Fahrwerk darf also als durchaus gelungener Kompromiss bezeichnet werden - aus Mangel an Verstellmöglichkeiten sind die vordere 41 Millimeter-Telegabel und das hintere Mono-Federbein garade so straff abgestimmt, dass keine unerwünschten Schwammigkeiten bei angemessen sportlicher Fahrweise auftreten.

Möglichst wenig Elektronik-Firlefanz auf der SV650

Diese angenehme Einfachheit der SV650 setzt sich bei ihren Elektronik-Featrures fort - für mich war es richtiggehend erfrischend, wieder mal ein Motorrad zu fahren, bei dem keine Traktionskontrolle und keine Leistungs-Modi eingestellt werden wollen. Völlig ohne Elektronik geht es dann aber doch nicht, ein modernes Antiblockiersystem ist natürlich mit an Bord und sorgt für sichere Verzögerung, obwohl die Bremse an sich mit ihren beiden Doppelkolbenzangen an der Front sehr sanft und unaufgeregt, also alles andere als brachial ans Werk geht.

Die SV650 hat eine schlaue Hilfe für Anfänger

Zusätzlich besitzt die neue SV650 zwei nette Gimmicks, die das Leben auf der neuen Suzuki SV650 erleichtern können. Zum einen besitzt sie ein sogenanntes "Easy Start System", also das Starten per einmaligem Antippen des Startknopfs. Wer das vergisst, startet einfach ganz normal, die SV650 springt ohnehin so schnell und tadellos an, wie man es von einer Japanerin erwartet. Zum anderen ist ein "Low RPM Assist" mit an Bord, der die Daten der TI-ISC (Throttelbody Integrated Idle Speed Control), also des Leerlaufdrehzahl-Kontrollsystems nutzt, um die Drehzahl beim Anfahren leicht anzuheben und somit ein mögliches Abwürgen unterbindet. Für erfahrene Piloten in der Regel nicht nötig (und auch nicht wirklich spürbar, da das System nur unter 2000 Umdrehungen aktiv ist), für Einsteiger aber gewiss eine große Hilfe.

Mit der neuen SV650 werden (fast) alle glücklich!

Und damit wären wir auch schon bei den Zielgruppen: Die neue SV650 bietet in Sachen Optik für jeden etwas - die Front mit dem Rundscheinwerfer klassisch gehalten, das Heck schmal und sportlich mit LED-Leuchten, der Auspuff zum Gesamtbild passend. Lediglich die konventionelle Gabel und die Kastenprofilschwinge hinten zeigen, wo der Rotstift angesetzt wurde. Das Fahrwerk ist auch der Grund, warum sehr sportliche Piloten Abstriche machen müssen - oder mit Fahrwerkstuning nachhelfen. Alle anderen bekommen mit der SV650 eine ernstzunehmende Mittelklasse-Maschine mit kräftigem V2-Motor und moderner Technik zum günstigen Preis, die sich mit der niedrigsten Sitzhöhe ihrer Klasse auch für absolute Beginner bestens eignet.

Fazit: Suzuki SV 650 2016

Die neue SV650 schließt an den optischen Minimalismus der beiden ersten SV650-Generationen an, baut technisch aber auf der direkten Vorgängerin SFV650 Gladius auf - zwei ausgezeichnete Schachzüge, die aus der sehr modernen SV650 einen Klassiker macht. Das Design passt herrlich in die Zeit der vielen Retro-Umbauten, im Inneren schlummern aber auch moderne Gimmicks, die vor allem Anfängern den Einstieg erleichtern. Der Motor kann hingegen auch Fortgeschrittene überzeugen, das typische V2-Felling ist herrlich. Bei Fahrwerk und Bremsen darf man nicht extreme Sportlichekeit erwarten, der Preis von knapp 6400 Euro (in Deutschland) ist dafür eine Ansage, bei der die Konkurrenz wohl schlucken muss.


  • agiler, kräftiger Motor
  • typischer V2-Sound
  • angenehme und niedrige Sitzposition
  • einfaches Handling
  • komfortables Fahrwerk
  • gut dosierbare Bremsen
  • schlecht ablesbarer Digital-Drehzahlmesser

Bericht vom 29.02.2016 | 101.533 Aufrufe

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