Reise- & Alpentest Triumph Tiger 1200 GT Explorer

Das richtige Eisen für die 1.300 km Anreise zum Stelvio?

Die Triumph Tiger 1200 GT Explorer hatte einen Gastauftritt bei den Alpenmasters 2023, wo sie gegen die Ducati Multistrada V4 Rally und BMW R 1250 GS Adventure antreten musste. Davor musste sie sich aber auch als Reisemaschine auf der weiten Anfahrt von Wien bis zum Stilfser Joch beweisen.

Alpenmasters 2023: In Kooperation mit Europas größter Zweiradzeitschrift MOTORRAD war es wieder einmal Zeit ein breites Portfolio an Motorrad-Neuheiten auf ihre Alpentauglichkeit zu überprüfen. Ausgehend vom MoHo Pure Mountain Resort Paradies in Sulden am Ortler traten 16 Bikes in Paaren gegeneinander an. Neben dem Rennen um den Alpenmaster selbst, wozu ihr alle Details in den MOTORRAD Heften 15/23, 16/23 & 17/23 nachlesen könnt, wurden die Motorräder auch einzeln von uns getestet. Neben großen 30L-Reiseenduros, kleinen agilen Naked-Bikes und Elektro-Tourern war auch die Triumph Tiger 1200 GT Explorer mit dabei. Zwar nicht als Teilnehmerin, aber als Kontrahentin für die Ducati Multistrada V4 Rally und BMW R 1250 GS Adventure. Für diesen Vergleich der 30-Liter-Adventure-Bikes musste sich die Tiger 1200 GT Explorer aber zuerst auf der ca. 1.300 km langen Anreise von Wien über Udine bis nach Sulden am Ortler beweisen.

Sanftmütiger Dreizylinder mit massig Leistung und kleinen Problemen - Motor & Leistung der Triumph Tiger 1200 GT Explorer

Die Triumph Tiger 1200 GT Explorer 2023 präsentiert sich mit einer bemerkenswert seidigen Gasannahme, die typisch für Dreizylinder ist. Der Motor, mit seinen 1160 ccm Hubraum, zeigt sich sanft und ansprechend, jedoch benötigt er ordentlich Drehzahl, um seine volle Leistung von 150 PS bei 9000 U/min und ein Drehmoment von 130 Nm bei 7000 U/min zu entfalten. Bei längeren Beschleunigungsphasen wird der beeindruckende Schub in der Mitte des Drehzahlbandes spürbar. Die elektronische Gasannahme zeigt in manchen Situationen leichte Verzögerungen und gelegentliche Drehzahlschwankungen, insbesondere bei halb gezogener Kupplung. Dies kann in kritischen Momenten, wie beim Wenden in engen Kehren, problematisch sein, jedoch soll es schon ein Softwareupdate geben, welches dieses Problem löst. Davon abgesehen ist der Dreizylinder der Tiger 1200 ein umgänglicher, nicht übertrieben radikaler Genosse, mit genug Leistungsreserven für jede Situation.

Die Sitzposition auf der Triumph Tiger 1200 GT Explorer

Die Ergonomie und Sitzposition der Tiger 1200 GT Explorer sind äußerst komfortabel und großteils typisch für eine Reiseenduro. Die Sitzhöhe ist verstellbar, reicht von 850 mm bis 870 mm und ermöglicht in Kombination mit dem nicht allzu breiten, leicht gekröpften Lenker eine aufrechte Sitzposition. Die Fußrasten sind weit vorne und tief angebracht, was einen äußerst angenehmen Kniewinkel schafft. Die schmale Taille der Maschine trägt zu einem guten Knieschluss bei und macht das Erreichen des Bodens leichter. Zusammengefasst sitzt man im Sattel der Triumph Tiger 1200 GT Explorer sehr bequem und aufrecht, allerdings führt die niedrigere Sitzhöhe zu begrenzter Schräglagenfreiheit, was sich in engeren Kurven bemerkbar macht.

Im Winkelwerk - Handling und Fahrverhalten der Triumph Tiger 1200 GT Explorer

Obwohl es auf der Reise nicht ums Kurvenwetzen ging, musste ich dennoch ein paar verwinkelte Landstraßen am Weg mitnehmen. Hier ist die GT Explorer nicht die schnellste oder agilste, sondern steuert eher gediegen und unaufgeregt durchs Winkelwerk. Das Handling der Tiger 1200 GT Explorer wird durch ihr fahrfertiges Gewicht von 255 kg, den langen Radstand von 1560 mm und den relativ schmalen Lenker beeinflusst. Dies begrenzt ihre Agilität und erschwert schnelle Kurskorrekturen, der eingeschlagene Kurs will also gut überlegt sein. Wenn jedoch einmal die Schräglage erreicht ist, zieht die Tiger dank ihres fein regelnden semi-aktiven Fahrwerks stabil durch den Kurvenradius. Die langen Angstnippel schleifen jedoch früh über den Asphalt, was den Kurvenspaß etwas einschränkt. Dennoch bietet die Tiger auf unebenen Straßen und Pisten stets einen hohen Komfort. Das liegt vor allem am Showa-Fahrwerk, welches einen breiten Einstellbereich bietet und sehr bequem per Knopfdruck während der Fahrt verstellt werden kann. In der weichen Einstellung absorbiert es Unebenheiten geschmeidig, während es im Sport-Modus auch auf welligen Straßen flotte Fahrten ermöglicht, ohne Unruhe im Fahrzeug zu erzeugen.

Motivierte Kurvenfahrt und ein 150 PS starker Motor können in den unübersichtlichen Kurven der Alpen schnell einmal brenzlig werden. Nur gut, dass die Bremserei der Tiger 1200 GT Explorer, mit Brembo Stylema Bremsen vorne und hinten, ausgezeichnet ist. Sie bieten eine feine Dosierbarkeit und einen klaren, knackigen Druckpunkt am Bremshebel. Trotz ihres Gewichts von über 260 kg kann die Tiger zuverlässig und effizient abgebremst werden. Dabei ist der Biss der Bremse anfangs nicht übermäßig scharf und stresst nicht beim gemütlichen Touren, wenn man jedoch kräftiger am Hebel zieht, packen die radialen Vierkolben-Bremszangen an der Front fest zu.

Genauso gut schafft auch das semi-aktive Fahrwerk die Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit. Das Showa-Fahrwerk bietet eine breite Einstellbarkeit und reicht von sänftengleicher bis knackig-sportlicher Abstimmung. In der weichen Einstellung absorbiert es Unebenheiten geschmeidig, während es im Sport-Modus auch auf welligen Straßen flotte Fahrten ermöglicht, ohne Unruhe im Fahrzeug zu erzeugen. Nicht nur regelt das Fahrwerk selbst permanent und passt die Dämpfung der Fahrsituation an, zur weiteren Verstellung braucht es nur ein paar Knopfdrücke. So lässt sich auch während der Fahrt sehr schnell das Fahrgefühl auf der Tiger verändern. Auf den eher unspektakulären Autobahn- und Bundesstraßenetappen bei meiner Anreise lasse ich sie komfortabel über Unebenheiten gleiten, auf kurviger Straße stelle ich auf härter und werfe mich freudig in die Radien.

Ausgestattet für die große Reise - Komfort & Ausstattung der Triumph Tiger 1200 GT Explorer

Die Komfort- und Langstreckentauglichkeit der Tiger 1200 GT Explorer zeigt sich in einer komfortabel geformten Sitzbank und einem effektiven Windschutz durch das verstellbare Windschild. Allerdings können hochfrequente Vibrationen bei Autobahngeschwindigkeiten um 130 km/h über Lenker und Fußrasten spürbar werden, was auf lange Sicht zu leichter Taubheit führen kann. Mit einem beeindruckenden Tankinhalt von 30 Litern bietet die Tiger eine große Reichweite, und auf einer langen Fahrt mit 60 % Autobahnanteil konnte ich 460,2 km zurücklegen, bevor die Reserveleuchte anging. Mit der Reserve sollen laut Triumph noch einmal 60 km möglich sein. Über 500 km mit einer Tankfüllung sind auf der GT Explorer also locker möglich.

Auch die umfangreiche Ausstattung der GT Explorer kann sich sehen lassen und trägt zur Langstreckentauglichkeit bei. Die umfangreiche Serien-Ausstattung, darunter Berganfahrhilfe, elektronisch einstellbares Fahrwerk, Fahrmodi, Kollisionswarner, Kurven-ABS, Ride by Wire, Schaltassistent mit Blipper, Tempomat, Totwinkel-Assistent, Traktionskontrolle, Bluetooth, Connectivity, Griffheizung, Keyless System, Kurvenlicht, LED Tagfahrlicht, LED-Scheinwerfer, Sitzheizung, TFT Display und ein verstellbares Windschild, hebt die Tiger 1200 GT Explorer positiv hervor, besonders im Vergleich zu anderen großen Reiseenduros mit 30-Liter-Tanks. In Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis kann weder die BMW GS Adventure noch die Ducati Multistrada V4 Rally mithalten. Ein logisches Bedienkonzept erleichtert die Steuerung über einen 5-Wege-Joystick am linken Lenkerende. Die einzige Schwäche liegt in der Framerate des TFT-Displays, die etwas stabiler sein könnte. Der Quickshifter funktioniert hervorragend, während der Tempomat eine Spur feiner regeln könnte, vor allem wenn man sich von einer höheren Geschwindigkeit auf die Zielgeschwindigkeit zurückfallen lässt.

Fazit: Taugt die Triumph Tiger 1200 GT Explorer was als Reisemaschine?

Bild von Vauli
Vauli

"Die straßenorientierte Version der Triumph Tiger 1200 Explorer-Reihe (es gibt auch eine Tiger 1200 Rally Explorer) macht ihre Sache sehr gut - vor allem für alle, die keine BMW und keine Ducati wollen. Der Motor ist nämlich die goldene Mitte zwischen Zwei- und Vierzylinder, der mit einem Hubzapfenversatz in Richtung Zweizylinder getrimmt wird. Dadurch geht der Klang in Richtung Zweizylinder, während das Drehverhalten mit mehr Dampf bei höheren Drehzahlen wiederum typisch Dreizylinder ist. Die Sitzposition scheint im ersten Augenblick wegen des gekröpften Lenkers etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings fühlt man sich auch auf der großen Tiger GT Explorer sehr schnell daheim. Dank ihrer umfangreichen Ausstattung darf die Triumph durchaus als Preis-Leistungs-Tipp gesehen werden!"

Im Premium-Reiseenduro-Segment ist die GT Explorer mit ihren ca. 25.000 € ja noch relativ günstig, und mit ihrer serienmäßigen Ausstattung, die im krassen Gegensatz der Zubehörpolitik anderer Hersteller steht, passt auch die Leistung. Für dieses edle und prestigeträchtige Segment fehlt ihr aber vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal. Sie ist nicht so technologisch speziell und ausgereift wie eine BMW GS, kann auch nicht mit der Sportlichkeit einer Ducati Multistrada V4 oder KTM 1290 Super Adventure mithalten. Dafür baut Triumph rund um den 1200er Dreizylinder ein rundes und reisetaugliches Gesamtpaket, was tourenaffine Piloten ohne extreme Ansprüche zufriedenstellen wird. Vor allem, wenn die Briten noch bei den wenigen Schwächen im Motorlauf und bei den Vibrationen nachbessern.

Fazit: Triumph Tiger 1200 GT Explorer 2023

Die Triumph Tiger 1200 GT Explorer ist eine typische Premium-Reiseenduro, mit sehr umfangreicher Ausstattung und echten Langstreckenqualitäten. Ihr fehlt vielleicht mit Blick auf die Konkurrenz ein bisschen ein Alleinstellungsmerkmal und auch kleine Mankos leistet sie sich, doch dafür bietet keine andere Big-Enduro so ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Kaufen, draufsetzen und losfahren ist die Devise. Dutzende Häkchen im Zubehörkatalog hat die GT Explorer nicht notwendig, ist ja schon alles da, was man braucht.


  • Seidiger, dennoch druckvoller Motor
  • Semi-aktives Fahrwerk mit breitem Einstellbereich
  • Ausgezeichnete Bremsen
  • Komfortable Ergonomie
  • Umfangreiche Ausstattung mit vielen Komfort-Features ab Serie
  • Recht begrenzte Schräglagenfreiheit
  • Hochfrequente Vibrationen bei Reisegeschwindigkeit
  • Etwas trägeres Einlenkverhalten mit Serienbereifung

Bericht vom 16.09.2023 | 19.665 Aufrufe

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