Suzukis neue 21-Zoll-Reiseenduros im Vergleichstest
Macht das DE im Namen aus V-Stroms tatsächlich Offroadkönner?
Suzukis V-Stroms stehen seit jeher für verlässliche, ausgewogene Reisemotorräder, die vieles mitmachen - den Begriff „Reiseenduro“ will ihnen aufgrund ihrer 19-Zoll-Vorderräder und überschaubarer Federwege aber nicht jeder wirklich zugestehen. Das wollten wiederum die Japaner so nicht auf sich sitzen lassen und überraschten 2023 mit zwei 21-Zoll-V-Stroms. Wir haben die völlig neue 800 DE und die auf der bewährten 1050er basierende 1050 DE miteinander verglichen. Und dabei natürlich auch unsere schon legendäre Frage gestellt: Muss es immer die Große sein?
Die spürbaren Unterschiede beginnen bereits beim Motor
Reiseenduros sind ein stetig wachsender Markt und jeder Hersteller, der auf sich hält, "braucht" zumindest eine mit einem 21-Zoll-Vorderrad im Programm. Auch Suzuki ist auf diesen Zug aufgesprungen und kam 2023 gleich mit zwei DE-Modellen. Das DE steht für Dual Explorer und soll die Bereitschaft zum Ausdruck bringen, dass sie sowohl für die Erforschung befestigter, als auch unbefestigter Wege bereit sind. Wobei die beiden 21-Zöller bei genauer Betrachtung unterschiedlicher kaum sein könnten. Das beginnt schon beim Motor, wo in der 800 DE erstmals ein Reihenzweizylinder in einer V-Strom zum Einsatz kommt, den sich die Reiseenduro mit dem Naked Bike GSX-8S teilt. Mit 83 PS aus 776-Kubik und einem maximalen Drehmoment von 78 Newtonmeter (bei 6.800 U/min) kommt dieses Aggregat natürlich nicht an die Power des im wahrsten Sinne des Wortes altbewährten 1.037-Kubik-V2 der Großen heran, dessen maximales Drehmoment von 100 Nm schon bei 6000 Touren anliegt und der 107 PS ans Hinterrad bringt. Trotzdem ist das moderne Aggregat der 800er keinesfalls schwachbrüstig, sondern glänzt mit Präsenz in der Drehzahlmitte und fühlt sich dank des sehr gut abgestimmten Ride-by-Wire stärker an, als es der Blick aufs Datenblatt vermuten ließe. Lediglich oben raus kommt dann nicht mehr allzuviel. Da ist der drehmomentstarke V2 überlegen, was vor allem auf der Straße und auf der Tour zu zweit doch Vorteile bringt.
Hervorragende Ergonomie macht die Kurvenhatz auf beiden zum Vergnügen
Stichwort Straße: Auch wenn beide mehr oder weniger - doch dazu später - für grobes Terrain bereit sind, so werden sie in unseren Breiten naturgemäß doch den größeren Teil ihres Motorrad-Lebens auf der Straße verbringen. Und machen da auch richtig Spaß. Dank hervorragender Ergonomie mit aufrechter Sitzposition und breitem Lenker sind beide agil durchs Kurvenwerk zu bewegen, wobei die 800 DE beim forscheren Anbremsen durch ihr Mehr an Federwege doch tiefer in die Gabel einsinkt, als die große Schwester. Deren Bremsen auch performanter sind, was bei der engagierten Pässehatz durchaus Vorteile bringt. Auch die Schräglagenfreiheit ist bei er 1050 DE besser, Kurvenheizer werden sich bei der 800er an den Klang kratzender Fußrasten gewöhnen müssen.
Fahrwerks-Komponenten bei der 800 DE deutlich mehr auf Offroad abgestimmt
Doch auf der Straße fuhren die V-Stroms ja schon immer leiwand, also nix wie runter, rein ins unbefestigte Terrain. Und hier ist die 800 DE sofort auf der Überholspur. Mit ihrem Federweg von 220 Millimeter vorne und hinten nimmt sie auch grobe Passagen in flottem Tempo, bei dem das Fahrwerk der 1050 DE mit überschaubaren 170 Millimeter vorne und 169 hinten schon ab und an auf Block geht. Voll einstellbar in Vorspannung, Zug- und Druckstufe sind beide 43-Millimeter-Gabeln sowie das Federbein der 800er, wo man sich bei der 1050er mit Federvorspannung und Zugstufe begnügen muss. Auch bei der Bodenfreiheit hat die Kleine mit 220 Millimeter gegenüber den 190 Millimeter der Großen klar die Nase vorne. Dinge, die man einfach spürt, wenn das Terrain gröber, der einfache Schotterweg verlassen wird. Da passt bei der 800 DE so ziemlich alles zusammen, spürt man selbst das für ihre Klasse stattliche Gewicht von 230 Kilo vollgetankt kaum. Wobei beide V-Stroms recht viel Speck um die Rippen haben, bringt doch die 1050 DE gar 252 Kilo auf die Waage.
So ziemlich alles drin und dran, was der Markt zu bieten hat
Nicht lumpen lassen sich beide Motorräder auch, was Elektronik und Ausstattung anbelangt. Gasannahme, Traktionskontrolle und ABS lassen sich einfach und intuitiv mit den Bedienelementen am linken Lenker einstellen, gut ablesbar am TFT-Farbdisplay. Dazu gibt es jeweils einen Gravel-Mode für die Traktionskontrolle, der sehr gut abgestimmt ist und auch leichte Drifts zulässt. Beide verfügen als erste V-Stroms endlich auch über ein am Hinterrad deaktiviertes Offroad-ABS, unabdingbar bei richtig steilen Abfahrten auf unbefestigten Wegen und willkommen bei jenen, die gerne mit der Hinterradbremse Richtung geben. Serienmäßig ist bei beiden auch ein richtig gut funktionierender, süchtig machenden Quickshifter, die 1050 DE verfügt obendrein noch über eine Hill-Hold-Control bzw. Berganfahrhilfe. Der Windschutz ist mit den jeweils nur mit Werkzeug verstellbaren Original-Schildern überschaubar, es gibt aber für die 800er eine größere Scheibe im Zubehör, wo man für die Große auch den Verstell-Mechanismus ordern kann, der eigenartiger Weise der Standard-1050er serienmäßig vorbehalten ist.
Guter Sitzkomfort bei beiden, eigenartige Reifen-Kombination bei der 1050 DE
Der Sitzkomfort ist bei beiden Motorrädern ordentlich bzw. V-Strom-like, für eine Sozia bietet die 1050er mehr Platz, Reisen zu zweit sind aber mit beiden möglich. Der Kniewinkel ist jeweils entspannt, größere Fahrer werden bei der 800 DE aber womöglich doch zu höheren Sitzbank mit dann 885 gegenüber den serienmäßigen 855 Millimeter greifen, bei der 1050 DE beträgt die Sitzhöhe 880 Millimeter, wobei der große Schrittbogen der breiten Bank diese noch "höher" macht. Der Tankinhalt von jeweils 20 Liter lässt einen mit der 800 DE aufgrund des niedrigeren Verbrauchs weiter kommen als mit der 1050er, Reichweiten von 350 Kilometer pro Tankfüllung sollten aber auch mit der möglich sein. Punkto Bereifung der jeweils 21 Zoll (vorne) bzw. 17 Zoll (hinten) großen Räder setzt Suzuki bei der Kleinen auf Schlauchreifen, während die 1050 DE vorne mit einem Schlauchreifen und hinten mit einem Schlauchlosreifen bestückt ist. Suzuki argumentiert, dass Offroad das Vorderrad eher mal eine Delle abbekommt und die Felge dann nicht mehr luftdicht schließen könnte, vergisst dabei aber darauf, dass man dann auf der Reise sowohl Ersatzschlauch, als auch ein Flickzeug für Schlauchlosreifen mitführen sollte…
Fazit: Offroad muss es definitiv nicht die Große sein
Um nun abschließend zur eingangs erwähnten Frage zu kommen, ob es immer die Große sein muss? Wenn der Fokus auf Offroad bzw. ReiseENDURO liegt, ganz sicher nicht. Denn sobald es auf unbefestigte Wege geht, spielt die 800 DE ihre Vorzüge gut spürbar aus - sie ist die erste Suzuki V-Strom, die förmlich schmutzig gemacht werden will, wohingegen die 1050 DE nach wie vor ein (wunderbares) Reisemotorrad für die Straße ist, das nun eben die Zusatzoption bietet, auf gröberem Terrain entspannter voranzukommen, als mit der Standard-1050er. Spaß machen sie beide auf und abseits der Straße, weshalb sie das DE im Namen auch verdienen, obwohl beide keine Leichtgewichte sind. Wann es auf unbefestigten Wegen Schluss mit lustig ist, entscheidet letztlich das Fahrkönnen, wird aber definitiv bei der 800 DE später der Fall sein.
Fazit: Suzuki V-Strom 1050DE 2023
Mit Überarbeitung bzw. Erweiterung der 1050er-Modelle hat Suzuki nun für jeden die richtige, große V-Strom im Angebot. Wer von vornherein weiß, dass er fast nur auf der Straße bleiben wird, findet im Standard-Modell einen verlässlichen Reisebegleiter oder auch Kumpel für alle Tage, wer sich bei der Auswahl an Wegen weniger einschränken und auch regelmäßig unbefestigtes Terrain befahren will, der findet in der DE nun eine gute Wahl. Das Hauptargument bleibt aber weiter dieser Motor, der mit seinen 107 PS und vor allem seinem satten Drehmoment kaum Wünsche offen lässt.- durchzugstarker Motor
- hochwertiges Elektronikpaket
- hervorragende Ergonomie
- sehr guter Gravel-Mode
- Offroad-ABS
- intuitive Bedienung der Elektronik
- Langstreckenkomfort
- gelungene Retro-Optik
- hohes Gewicht
- Federwege könnten größer sein
Fazit: Suzuki V-Strom 800DE 2023
Die Suzuki V-Strom 800DE beeindruckt auf ganzer Linie und zeigt, dass ein unaufgeregtes, praktisches Allround-Motorrad dennoch das Herz eines jeden Motorradliebhabers erobern kann. Mit einer schlauen Auslegung, die auf überschaubare Elektronik-Features setzt und sich perfekt an die persönlichen Bedürfnisse anpassen lässt, erweist sich die V-Strom als ein äußerst vielseitiges Gefährt.- kräftiger, agiler Motor
- voll verstellbares Fahrwerk
- überschaubare, schlaue Elektronik-Features
- Quickshifter up/down Serie
- dynamisches Design in coolen Farben
- spitzer Kniewinkel für Fahrer mit langen Beinen
- Fußrasten schleifen früh
- Windschild nur mit Werkzeug verstellbar
Bericht vom 27.07.2023 | 17.580 Aufrufe