Suzuki V-Strom 650 vs. Yamaha Tracer 700 Test 2017

Zwei Mittelklasse-Enduros im harten Infight

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe - Suzuki und Yamaha stellen auf höcht unterschiedliche Weise zwei Reiseenduros der Mittelklasse auf die Räder. Während die "Gelben" mit der V-Strom 650 die guten alten Werte einer Enduro modernisieren, konzentrieren sich die "Blauen" mit der Tracer 700 auf die befestigten Wege dieser Welt. Zwei Konzepte, die nur schwer miteinander vergleichbar sind - 1000PS wagt es trotzdem!

Ginge es um die Erfüllung der klassischen Enduro-Tugenden wie Reiselust, Komfort und Offroad-Tauglichkeit, hätte die Suzuki V-Strom 650 den Vergleich mit der Yamaha Tracer 700 vermutlich schon vor dem Vergleich gewonnen. Schon alleine die Bereifung läßt eindeutig darauf schließen, dass die Yamaha mit ihren 120/70-17er-Reifen vorne und 180/55-17er hinten nichts anderes als Asphalt unter die Pneus nehmen möchte. Die Suzuki hingegen wählt mit ihren 110/80-19 vorne und 150/70-17 hinten weitaus schmälere und größere Versionen, die auch im Gelände eine ganz gute Figur machen können.

Ist die "falsche" Yamaha Tracer 700 die bessere Reiseenduro?

Auch der Windschutz ist auf den ersten Blick bei der Suzuki höher und somit effizienter. Ist die Susi nun also sofort die bessere Wahl? NIcht unbedingt, denn wenn jemand - sei es aus Überzeugung oder Geldmangel - sich keine große 1000+ Reiseenduro mit 100 PS oder viel mehr leistet, aber dennoch ein sehr kräftiges Triebwerk möchte, ist er bei der Yamaha um ein Quentchen richtiger als bei der Suzuki. Der abartig quirlige Parallel-Zweizylindermotor schöpft ordentliche 75 PS bei 9000 Umdrehungen und 68 Newtonmeter maximales Drehmoment bei 6500 Touren aus den 689 Kubik Hubraum. Der erste Kontakt hat für mich jedenfalls bereits gereicht, um die Tracer 700 ins Herz zu schließen - wenn beim ersten Losfahren das Vorderrad gut kontrollierbar abhebt, macht es einfach Spaß!

Tradition seit fast 20 Jahren - der V2-Motor in der Suzuki V-Strom 650

Das ist aber noch lange kein Grund, die Suzuki weniger zu mögen, immerhin durfte ich mich bei der Präsentation im Frühjahr von ihren sportlichen Talenten überzeugen. Der klassische und mittlerweile wirklich altbekannte V-Zweizylinder, der mit vielen Updates bereits seit rund 20 Jahren seinen Dienst versieht, ist offenbar auf seinem absoluten Höhepunkt und keineswegs dem Ende nahe. Mit den Überarbeitungen, um der Euro4-Norm gerecht zu werden, bringt es die V-Strom 650 auf 71 PS bei 8800 Umdrehungen und ein maximales Drehmoment von 62 Newtonmeter bei 6500 Umdrehungen.

Motor Yamaha, Fahrwerk Suzuki - Gleichstand!

Mit diesen 4 PS und 6 Newtonmeter Respektabstand zur Tracer 700 sowie dem höheren Gewicht von 213 Kilo gegenüber der Yamaha mit 196 Kilo ist die Suzuki V-Strom 650 zwar etwas weniger agil von weit unten, kann dafür beim Handling voll punkten. NIcht nur die schmäleren Reifen machen die kleine V-Strom äußerst wendig, auch die ausreichend komfortable aber doch betont straffe Abstimmung der Federelemente sorgen für ein herrlich stabiles Fahrverhalten in jeglichen Kurvenradien. Da braucht es offensichtlich nicht unbedingt viele Einstellmöglichkeiten, um so eine harmonische Abstimmung hin zu bekommen, lediglich am Mono-Federbein im Heck kann die Federvorspannung verstellt werden.

Die Yamaha Tracer 700 - komfortabler als erwartet

In dieser Disziplin wirkt die Yamaha doch etwas unbeholfener, schaukelt sich in den Kurven stärker auf und verlangt ein wenig mehr Korrekturen. Dafür mangelt es nicht wirklich an Komfort, eine derart auf Spaß und Straßeneinsatz getrimmte Maschine hätte ich eigentlich etwas steifer erwartet. Dass der Tracer 700 mit 130 Millimeter Federweg vorne 20 Millimeter gegenüber der V-Strom 650 fehlen und hinten gar 29 Millimeter kann man sogar auf schlechten befestigten Straßen verkraften.

Die Suzuki V-Strom 650 ist die "echtere" Enduro

In härteres Gelände würde ich mich zwar mit beiden Mittelklasse-Enduros nur bedingt wagen, mit der Suzuki aber noch lieber als mit der Yamaha - die längeren Federwege und die größeren sowie schmäleren Reifen habe ich ja bereits angesprochen. Aber auch die gesamte Sitzposition ist auf der V-Strom eher Enduro, während es auf der Tracer 700 stärker in Richtung Straße geht. Immerhin basiert die Suzuki vom Chassis her auf ihrer Vorgängerin während die Yamaha auf dem Naked Bike MT-07 aufbaut und nur durch den breiteren Lenker, die längeren Federwege und die Frontverkleidung auf Reiseenduro macht.

Die Yamaha Tracer 700 ist ein wahres Funbike

Damit bleibt aber dieser unfassbare Funfaktor bei der Yamaha erhalten, der eben schon das Naked Bike auszeichnet und auch bei der Tacer 700 nur geringfügig "gezähmt" wird. Dass die Suzuki V-Strom 650 somit die etwas erwachsenere Option darstellt, spiegelt sich auch an der umfangreicheren Ausstattung wider: Abschalt- und verstellbare Traktionskontrolle STCS (Suzuki Traction Control System), vom Lenker aus einstellbares Menü, 12 Volt-Steckdose unter dem Cockpit und "Low RPM Assist" - ein Gimmick, das die Leerlaufdrehzahl etwas anhebt, wenn die Kupplung eingerückt ist und kein Gas gegeben wird. Das reduziert die Gefahr des Abwürgens.

Mehr Features an der Suzuki V-Strom 650

Ob man diese Features nun tatsächlich braucht, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden. Der Low RPM Assist kommt klarerweise Anfängern sehr entgegen, während erfahrene Piloten den homogenen Motor und die leichtgängige Kupplung auch so unter Kontrolle haben. Die Traktionskontrolle kann allerdings bei nassem Untergrund auch den routniertesten Piloten unterstützen und so manches Hopperla verhindern.

Die Qual der Wahl - Suzuki V-Strom 650 oder Yamaha Tracer 700

Da sich die Preise der beiden Kontrahentinnen auf einem sehr ähnlichen Level bewegen, kann man die Entscheidung, welche denn nun die Richtige wäre, Optik und Performance überlassen. Die Optik der Yamaha wirkt modern und kantig, die Suzuki zelebriert mit ihrem "Entenschnabel" und dem schmalen Scheinwerfer den Wiedererkennungswert der Suzuki-Offroader. Von ihrer starken Ähnlichkeit zu den jeweils größeren Schwestern V-Strom 1000 und Tracer 900 profitieren beide. Wer also bei seiner Wunsch-Enduro den größten Wert auf einen kräftigen Motor und absoluten Fahrspaß legt, liegt bei der Yamaha Tracer 700 goldrichtig. Wenn es aber auch gewisse Komfort- und SicherheitsFeatures sein sollen, ist wohl die Suzuki V-Strom 650 die bessere Wahl.

Fazit: Suzuki V-Strom 650 2017

Die kleine V-Strom 650 ist nicht nur optisch durch den ausgeprägten Entenschnabel, die gestapelten Scheinwerfer und die umfangreichen Instrumente nahe an der großen V-Strom 1000 dran. Die Ausstattung entspricht nämlich so gar nicht dem, was man unter" billigem Einstieg" versteht: Traktionskontrolle, quirliges Euro4-Triebwerk, harmonisches Fahrverhalten und noch zusätzliche Techno-Gadgets wie Low RPM Assist oder Suzuki Easy Start System. Der Preis hält sich zur Freude der Kundschaft in Grenzen.


  • quirliger, sparsamer Motor
  • ausgewogenes Fahrverhalten
  • guter Windschutz
  • Traktionskontrolle und ABS Serie
  • Optik im Stil der großen Schwester
  • umfangreiche Armaturen mit Ganganzeige
  • 12 Volt-Steckdose im Cockpitbereich
  • guter Preis
  • Traktionskontrolle in Modus 2 sehr restriktiv

Fazit: Yamaha Tracer 700 2017

Dass die Yamaha MT-07 die Haupt-Teilespenderin für die Tracer 700 ist, merkt man spätestens beim ersten Gasaufreißen: Der kräftige Parallel-Zweizylindermotor versprüht Agilität und eine gewaltige Menge Fahrspaß. Damit läßt es sich auch auf einer Reiseenduro leben, die eine gute Partie für längere Strecken darstellt. Das Fahrwerk könnte etwas präziser werken und das Windschild könnte etwas höher sein, insgesamt ist die Tracer 700 aber in ihrer Klasse das ultimative Funbike - viel Spaß für vergleichsweise wenig Geld.


  • sehr kräftiger Motor
  • angenehme Sitzposition
  • einfaches Handling
  • ABS Serie
  • modernes Design im Stil der Tracer 900
  • günstig
  • relativ kleines Windschild
  • Fahrwerk etwas zu weich abgestimmt

Bericht vom 08.08.2017 | 84.901 Aufrufe

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