Suzuki GSX-S1000 ABS Test 2015

Blaues Wunder - brutaler Test

Ein Motor, der von 05 bis 08 in einem Supersportler im Einsatz war und "nur" 145 PS leistet, in einem Motorrad, das erst mit einiger Verzögerung fertiggestellt werden konnte. ABS und 3-stufige Traktionskontrolle, sonst nichts. Geht das? Ja, das geht, und wie!

Das Altern wird bestimmt von Perioden. Je kürzer die Perioden, desto schneller altert etwas. Gilt man am Arbeitsmarkt mit Mitte 40 schon als schwer vermittelbar, ist es kein Wunder, dass sich viele mit 30 schon schön scheisse fühlen. Vor nicht allzu langer Zeit führten die grossen Motorradhersteller ein Wettrüsten im Supersport-Krieg, das in einem biennalen Performance-Boost endete, für den die Prestigemodelle nicht nur kosmetisch, sondern basistechnisch überarbeitet wurden. Ein neues Modell hatte demnach eine absehbare Halbwertszeit von 2 Jahren, danach fuhr man plötzlich eine alte Krax'n. Auch nicht lustig.

Dass das nicht ewig so weiter gehen konnte, war bereits klar, bevor wir noch richtig verstanden hatten, was da abging. Und so gehen manche Supersportler, besonders in der 600er Klasse, heute auf das halbe Jahrzehnt zu oder haben es gar schon überschritten. Gut so, die Welt dreht sich ohnehin zu schnell. Die Geschwindigkeit des eigenen Lebens sollte man selbst bestimmen können, zum Beispiel im Sattel eines Motorrades und das muss nicht immer von Grund auf neu entwickelt sein. Folgerichtig sind die GSX-S und ihre Basis alles andere als alt.

Siegreicher Motor

Die Idee, hochleistungsfähige Supersport-Aggregate in abgemilderter, sprich drehzahloptimierter Abstimmung in ein Naked Bike Chassis zu verpflanzen, ist natürlich nicht neu. Die Entwicklungskosten sind enorm und können nicht durch den Verkauf einer Modellvariante abgetragen werden. Aus CBR600RR mach Hornet, aus Fireblade mach CB1000R, aus S1000RR mach S1000R und S1000XR...Für die GSX-S1000 bediente sich Suzuki des Motors der GSX-R1000 von 05 bis 08. Lange her, doch die Erfolge dieser legendären Generation reichen bis in die Gegenwart. 4 Mal die TT Isle of Man gewonnen, 5 Weltmeisterschaften und insgesamt 16 Titel in der Superbike-Klasse geholt. Fragen Sie Andi Meklau, er gibt Ihnen gerne Auskunft.

Wo is' die Leistung?

145,6 PS bei 10.000 U/min und 106 Nm bei 9.500 U/min. sind in der Literklasse sogar bei den Naked Bikes keine Bestmarke mehr. Man ist sicher ordentlich motorisiert, wird aber nur bei Zaungästen ohne A-Schein Applaus und Bewunderung (oder Verachtung) ernten. Halbwegs informierte Motorradgemeindemitglieder, denen Namen und Nomenklaturen wie BMW S 1000 R, Ducati Streetfighter oder KTM 1290 Super Duke R bekannt sind, werden die Leistungsangabe der GSX-S nicht als Sensationsmeldung aufnehmen. Mit ca. 145 PS liegt sie ziemlich genau im Bereich der Z1000 von Kawasaki, die von unseren Kollegen von "Motorrad" mit 141 PS gemessen wurde (Werksangabe 142 PS). Die GSX-S1000 allerdings konnte bei Suzuki Bogoly 145 PS auf die Walze bringen - am Hinterrad!

Ja, das geht ab.

Wer trotzdem noch traurig ist, dem sei gesagt: Die GSX-S1000 geht, sie geht richtig ab, braucht dafür nur leider etwas Drehzahl, über die Mitte muss man schon gehen. Schuld daran sind die elektronischen Modifikationen am Motor, der von EURO 2- auf EURO 4-Tauglichkeit getrimmt wurde. Auch das Ansprechverhalten ist nicht so geschmeidig wie bei der GSX-R, die Lastwechsel spürbar und teils störend. Man braucht mehr Gefühl in der Gashand und Kupplung, zumal hier auch noch nicht mit Ride-by-Wire dirigiert wird. Riding Modes gibt es also keine, sondern immer nur die volle Leistung. Ich mag das, weil es sich echter anfühlt, auch wenn es heute schon viel einfacher ginge.

Eingriffe in den Motor

Die Eingriffe in den Motor sind aber nicht zu vernachlässigen. Neue, um 3% leichtere Kolben, überarbeitete Nockenwellen, Iridium Zündkerzen, SDTV (Suzuki Dual Throttle Valve) Einspritzsystem, 10-Loch-Einspritzdüsen, neue Airbox, neuer 4-2-1-Auspuff mit zwei Resonanzrohren (zwischen 1 und 4 und 2 und 3), flüssigkeitsgekühlter Ölkühler. Die einzige Instanz zwischen Gashand und Hinterreifen sind 5 Sensoren, die 250-mal in der Sekunde Gasgriffstellung, Radgeschwindigkeiten, Gang- und Kurbelwellenposition checken und berechnen, wieviel Leistung der Hinterreifen gerade verträgt, ohne die Haftung zu verlieren. Die TC ist dreistufig einstellbar und kann auf Wunsch abgeschaltet werden.

Traktionskontrolle? Welche Traktionskontrolle?

Anfangs habe ich sie kaum bemerkt, die Traktionskontrolle. Per Knopfdruck kann man am linken Lenkerende die Regelstufe auswählen, oder die TC ganz abschalten. Ich liess sie den ganzen Tag über auf Stufe 2, wie mir von Suzuki empfohlen wurde. Bei einem Neustart merkt sich der Computer übrigens die ausgewählte Stufe. Angenehm ist auch, dass man zum Starten jetzt nicht mehr die Kupplung ziehen muss und ein millisekundenkurzer Druck auf den Startknopf reicht, damit der Motor anläuft. Die Gripverhältnisse in Alicante waren abartig, es gibt viele Rennstrecken, die nicht annähernd diesen Reibungswert bieten. Ich musste es schon drauf ankommen lassen, um das TC-Lamperl zum Leuchten zu bringen. Doch auch wenn es leuchtete, war praktisch nichts zu spüren. Ich bin gespannt, wie die Elektronik auf schlechte Strassen- und Wetterverhältnisse reagiert.

Ebenso unscheinbar verhielt sich das ABS-System. Wenn es regelte, war es zwar deutlich spürbar, aber es regelte spät und daher selten. Ich mag es ganz besonders nicht, wenn mir die Elektronik beim Bremsen dazwischenfunkt. Die Verzögerung mit den beiden brembo-monobloc Bremszangen auf zwei 310 mm Scheiben ist fein dosierbar, kraftvoll und exakt. Auch das Fahrwerk, bestehend aus einer voll einstellbaren 43 mm USD-Gabel und einem in der Zugstufe und Vorspannung einstellbaren Federbein, ist straff abgestimmt und trotzdem nicht unbequem. Für den Komfort sind die ergononomische Geometrie und der niedrige, komfortabel gepolsterte Sitz verantwortlich. Auch kleiner gewachsene FahrerInnen haben hier einen sicheren Stand.

Volles Röhren!

So sanft wie mit dem Popo des Piloten geht die GSX-S mit seinen Ohren nicht um. Das kratzig-kreischende Ansauggeräusch ist GSX-R-typisch, wie im Onboard-Video der GSX-S1000 deutlich zu vernehmen ist. Ein Sound, der nach Rennsport schreit. Dort könnte sie sich übrigens sehr wohl fühlen. Sportliches Fahrwerk und abschaltbare Traktionskontrolle, neu designter Rahmen, Motor und die Schwinge direkt von der GSX-R. Nur das ABS müsste man dann ausser Kraft setzen.

Je schneller es wird, desto besser fährt sich die neue Suzi. Und es wurde schnell, dank eines französischen Guides, der manche Kurven auch mit 180 am Knie nahm - mit Jeans. Spitzkehren mag sie eher nicht, weil sie sich nicht gerne über den Lenker befehligen lässt. Es gilt: Aus der Hüfte lenken, den ganzen Körper einsetzen. Ich fuhr meistens im Hang-Off und tauchte mit in den Radius ein, so wurde die Dynamik harmonisch und das Motorrad blieb selbst in sehr schnellen Kurven ruhig und stabil. Der Radstand ist mit 1460 mm um 55 mm länger als jener der GSX-R, der Lenkkopfwinkel mit 25° um 1,5° flacher.

Leicht, pur und voll informiert.

Mit 209 kg ist die GSX-S sehr leicht und sie ist auch sehr pur. Keine Launch Control, keine Wheelie Control (Danke!), kein elektronisches Fahrwerk. Hier wird noch mechanisch gefahren, quasi. Diese Suzi gehört sicher zu den letzten ihrer Art und für die kommenden Generationen wird es immer schwerer werden, so etwas überhaupt richtig bewegen zu können. Fast schon zu modern ist mir das LCD-Display, einen analogen Drehzahlmesser gibt es leider nicht mehr. Dafür hat man Ganganzeige, permanente Anzeige von Benzinstand, Kühlmitteltemperatur, Uhrzeit und TC-Modus, Anzeige von Durchschnittsverbrauch, Momentanverbrauch und Restreichweite immer im Blick. Als kleine Spielerei ist die Helligkeit der Instrumentenbeleuchtung einstellbar.

Es macht sicher Sinn, den Motor noch optimieren zu lassen. Aber bei welchem Motor macht das keinen Sinn? Das Aggregat an sich ist ein Traum und die GSX-S1000 insgesamt gelungen. Starker Motor, starke Bremsen, straffes Fahrwerk, trotzdem schöner Komfort, bequemer Sitz, breiter, fetter Lenker, unauffällige, fein regelnde Traktionskontrolle, zurückhaltendes ABS, geile Optik...und auch das Preis/Leistungsverhältnis passt. Der deutsche Einführungspreis gilt bis zum 14. April!

Arge Accessoires

Einen Einser mit Stern bekommt die GSX-S für das Angebot an Originalzubehör. Kotflügel, Windschild, Motorschutz, Seitenverkleidungen und Heck in feinstem Sichtcarbon, farbige Lenker und Bremszangen, gefräste Fussrasten, Sturzpads, Felgendekore, Blinker, Nummernschildhalterung und vieles mehr kann direkt von Suzuki bezogen werden. Sitzt perfekt, passt perfekt und sieht verdammt gut aus. Wer sich Inspiration holen will, der sollte sich das GSX-S1000 Zubehör Video ansehen.

Fazit: Suzuki GSX-S1000 2015

Die Suzuki GSX-S1000 ist ein aufrechtes und aufregendes Actionbike mit solider Basis, die alles andere als überholt ist. Leider wurde der wunderbare Motor durch EURO4-Maßnahmen unten stark beschnitten und braucht Drehzahl, um in die Gänge zu kommen. Dafür bläst dann oben ein Orkan, der auch auf der Rennstrecke einige wegfegen wird. Traktionskontrolle und ABS stören beim sportlichen Fahren nicht. Die Ergonomie ist entspannt, der Komfort gut und die Optik dynamisch. Fahren muss man die GSX-S aus der Hüfte und am besten mit dem ganzen Körper, denn nur über den Renthal-Fatbar-Lenker will sie nicht so gerne gesteuert werden. Mit einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis trifft die Suzi die Konkurrenz dort, wo's wehtut.


  • legendärer, siegreicher Motor
  • GSX-R Sound
  • guter Komfort
  • starke Bremsen
  • straffes Fahrwerk
  • mehr Leistung als angegeben
  • kein Ride-by-Wire, keine Riding Modes
  • Basis etwas älter
  • Lastwechsel
  • schwacher Drehzahlkeller

Bericht vom 02.04.2015 | 40.425 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts