Die BMW R 1200 C – der wertstabile Filmstar

Bayrische Boxer Cruiser Durchlauf #1

Zum Abschied der 1990er Jahre wagt BMW einen mutigen Schritt. Am Ende des Cruiser-Jahrzehnts präsentieren die Bayern in Tucson, Arizona ein neues Boxermodell. Aber keine GS – sondern die C. Unter dem Namen R 1200 C folgen ab diesem Zeitpunkt 7 Jahre der gespaltenen Meinung: entweder man liebt den Cruiser, oder man hasst ihn. Aber für eines sorgte er immer: Aufmerksamkeit! Hier unser Rückblick auf die Geschichte der BMW R 1200 C!

Bayrische Cruiser sind nichts Neues. Für die Saison 2020 erwarten wir bereits mit Spannung die neue R 18, von der wir bisher zwei Konzeptstudien zu Gesicht bekamen. Doch während die Meinungen zur Optik überwiegend positiv ausfallen, war das vor 22 Jahren nicht so. Als Die BMW unter den Cruisern wurde die R 1200 C vermarktet und sorgte überall wo sie auftrat für Furore. Ein Motorrad, mit dem man früher und auch heute auffällt!

Die 1990er – das Jahrzehnt der Cruiser

BMWs Entscheidung einen Cruiser zu bauen, war wohl überlegt. Die 90er Jahre waren geprägt von den entspannten Reisegefährten, die zusätzlich ein breites Spektrum an Customization zuließen. 1996 also ein Jahr vor der Präsentation der R 1200 C waren Chopper sogar die beliebtesten Motorräder in Deutschland und machten 33 Prozent (%) der Neuzulassungen aus. Diese Marktentwicklung wurde bei BMW genau beobachtet und schließlich der Entschluss gefasst, mit dem ersten Cruiser der Bayrischen Motorenwerke den Markt zu betreten.

BMW R 1200 C Motor – die GS dient als Spender

Eines lässt sich nicht von der Hand weisen: BMW weiß, wie man Boxermotoren baut. Seit der R 32, dem Ur-Großvater der heutigen Boxer-Modelle verwenden die Ingenieure den Zweizylinder und machten ihn zu ihrem Markenzeichen. Deshalb war es unvermeidlich, dass auch der erste BMW Cruiser einen Boxermotor spendiert bekommt. Als Basis diente das Aggregat der R 1050 GS, das mit vergrößerter Bohrung und Hub auf einen Hubraum von 1170 ccm gebracht wurde, was ein höheres Drehmoment aus dem Drehzahlkeller brachte. BMW beschreibt den Motor in der 1997er Pressemappe wie folgt: Und das Ergebnis dieser Mühen ist eine Maschine, die auf hohe Drehzahlen so konsequent verzichtet, daß hier ein Drehzahlmesser zur überflüssigsten Nebensache der Welt wird.

Etwas kritischer sieht man die Motormodifikationen im Testbericht von MOTORRAD aus 1997: Zum gleichen Zweck [Drehmoment aus niedrigen Drehzahlen] wurden ihm aber auch seine Atemwege kräftig eingeschnürt: von 50 auf 35 Millimeter reduzierte Saugrohre, kleinere Ventildurchmesser, geringere Ventilhübe und kürzere Ventilöffnungszeiten. Solchermaßen kastriert, ist der Leistungszenit laut Hersteller-Papier bereits bei 5500/min mit 61 PS erreicht. Auch das maximale Drehmoment von 98 Nm aus knapp 1,2 Litern Hubraum liegt bestenfalls auf Harley-Niveau, doch immerhin sollen zwischen 2500 und 4000/min über 90 Nm an der Kurbelwelle anliegen.

Boxermotor der BMW R 1200 C
Der Zweizylinder Boxermotor der R 1200 C.

"Mit dem Radstand kommt die Ruhe"

Den Slogan dieser Unterüberschrift verwendete BMW bei der Vermarktung von Chassis und Fahrwerk der R 1200 C. Der Radstand erstreckt sich über 1650 mm, wodurch die Gesamtlänge des Cruisers bei 2340 mm liegt. Als optisch dominant bezeichnen die Bayern den perlglanzverchromten Alu-Gussrahmen, der in der Front die BMW-typische Teleleveraufhängung aufnimmt - bis heute ein Unikat im Cruisersegment! Und weil der Längslenker für BMW auch ein besonders wichtiges Design-Element darstellt, war er bei der R 1200 C sogar erstmals aus geschliffenem Aluminium. Bei der Entscheidung für die Monolever Einarmschwinge beriefen sich die Bayern darauf, dass die verlängerte Schwinge die Reaktionen des Kardanantriebs ähnlich gut ausgleichen könne, wie eine kürzere und aufwendigere Paralever Konstruktion. Dank dem gestreckten Radstands konnte auch eine im Cruiser-Segment wichtige Eigenschaft realisiert werden: die Sitzhöhe. Diese liegt bei der R 1200 C nämlich nur bei 740 mm.

Im selbigen MOTORRAD Testbericht zur R 1200 C überzeugt die Fahrwerkskonstruktion: "Trotz des langen Radstands und des relativ flach stehenden Lenkkopfs überrascht, mit welcher Leichtigkeit die neue BMW sich von einer Schräglage in die andere werfen läßt und wie zielgenau sie dabei der anvisierten Linie folgt - beinahe sportlich, jedenfalls zügiger und wesentlich kräfteschonender als mit jedem anderen Motorrad ihrer Spezies."

Die BMW unter den Cruisern

Auch wenn das Chopper Segment seit jeher einen Outlaw-Ruf innehält, beschloss sich die BMW Marketing Abteilung, den gehobenen Anspruch der Kundschaft nicht fallen zu lassen. "Die BMW unter den Cruisern" lässt sich in der Broschüre finden - ein Motorrad, das sich mit seiner gehobenen Ausstattung und Anmutung definitiv von der Konkurrenz abhebt. So sind Lenkergriffe und Sattel aus echtem Leder gefertigt, das "genau so stilvoll wie ein Pferdesattel eine gewisse Patina" annimmt, wie BMW damals schreibt. Vielleicht nicht so stilvoll, dafür praktisch war der Soziussitz, der sich zur Rückenlehne für den Fahrer im Einzelbetrieb aufklappen ließ - die R 1200 C war somit sehr tourentauglich, was auch das BMW Original-Zubehör bewies (doch dazu später mehr).

Weiters bestanden alle nicht lackierten Flächen entweder aus verchromten Metall, oder aus geschliffenem Aluminium, wie beispielsweise am Längslenker des Telelevers. Jene Teile die lackiert wurden, glänzten zum Marktstart entweder in Nachtschwarz mit weißer Linierung, Canyon-rot-metallic mit silberner Linierung oder dem aus dem James Bond Film bekannten Elfenbein-Farbton mit marineblauer Linierung. All diese Linierungen - oder auf Pinstriping genannt - wurden damals per Hand von "Frauen mit ruhiger Hand und geübtem Pinselstrich" im BMW Werk Berlin-Spandau auf die R 1200 C gezaubert. BMW hatte also zwei Ziele: hochwertige Verarbeitung und Materialien, sowie einen extravaganten Auftritt.

Die BMW R 1200 C als Filmstar in James Bond: Der Morgen stirbt nie

Nur wenige Wochen nach der Markteinführung machte BMW auf sich aufmerksam. Abgesehen von reißerischen Slogans musste die R 1200 C der breiten Masse mit cleverem Marketing präsentiert werden - die effektivste Lösung im Jahr 1997: das Kino. Neben einer 750iL Limousine spielte auch die R 1200 C eine wichtige Roller im 18. James Bond Film "Der Morgen stirbt nie". Die chinesische Spionin Wai Lin (Michelle Yeoh) und 007 (Pierce Brosnan) fahren mit Handschellen gefesselt auf dem Cruiser von den Bösewichten davon und nutzen ihn auch letztendlich, um einen feindlichen Helikopter auszuschalten. Eine Szene, die sich bis heute in die Köpfe der Kinobesucher und Filmfans gebrannt hat.

Die Versionen der BMW R 1200 C

Über die 7 Produktionsjahre der R 1200 C wurden auch zahlreiche Special Editions des Cruisers angeboten. Manche stellten optische Leckerbissen dar, manche konzentrierten sich rein auf die Funktionalität. Hier eine Übersicht:

  • BMW R 850 C: von 1998 bis 2000 bot BMW eine kleine Schwester zur R 1200 C an. Die R 850 C bediente sich am drehfreudigen Vierventil-Boxer der R 850 R und richtete sich an Käufer, die auch mit 20 PS weniger auskamen und Geld in Anschaffung und Unterhalt sparen wollten.
  • BMW R 1200 C Avantgarde: die im Jahr 2000 vorgestellte Avantgarde-Version verzichtete auf das übermäßige Chrom und setzte stattdessen auf einen schlichteren Graphit-Look. Zusätzlich wurde ein niedriger Lenker und eine automatische Blinkerrückstellung verbaut.
  • BMW R 1200 C Independent: der Name ist Programm. Unabhängig (also independent) ist man auf diesem Sondermodell unterwegs, denn Soziussitz und -fußrasten sind nur als Option verfügbar. Zusätzlich verpasste ihr BMW ein kleines Windschild und ersetzte die Speichenfelgen durch Drei-Speichen-Aluminiumfelgen.
  • BMW R 1200 CL: dieses Modell aus 2002 orientiert sich klar an die Harley-Davidson Tourer. Mit Verkleidung, Drehzahlmesser, größeren Reifendimensionen, Tempomat, Floor Boards anstatt von normalen Fußrasten, großem Soziussitz, zwei 12V Steckdosen, Griff- und Sitzheizung, Seitenkoffern und abnehmbarem Top Case ist diese Version für lange Touren ausgelegt. Die Front mit vier Rundscheinwerfern ist selbst aus heutiger Sicht noch sehr gewöhnungsbedürftig und erinnert an Mr. Waternoose, den Präsidenten der Monster AG, aus dem gleichnamigen Disney Film.
  • BMW R 1200 C Monatuk: dieses 2003 veröffentlichte Modell, das auf 350 Stück limitiert war, kam bereits mit Doppelzündung, einer Verbesserung am Schaltgetriebe und wahlweisem Integral-ABS.
BMW R 1200 C
"Die BMW unter den Cruisern" - so vermarktet BMW die R 1200 C.

BMW R 1200 C Zubehör und Gewand-Kollektion

Wer glaubt, dass BMWs gefühlt endlos langen Sonderausstattungslisten eine Erfindung der letzten Jahre ist, liegt leider falsch. Denn bereits für die R 1200 C boten die Bayern im Jahr '97 eine große Auswahl an Original Zubehör an. Begonnen bei einem vergrößerten Soziussitz, über Heizgriffe, eine kleine Windschutzscheibe und ein BMW-Gepäcksystem, endete das Angebot erst beim Fahrer selbst. Für die stolzen Besitzer der R 1200 C entwarf die Bekleidungsabteilung von BMW eine eigene Kollektion, die auf den Cruiser abgestimmt war. So konnten sich Frau und Mann von Kopf bis Fuß im Stil der R 1200 C kleiden, egal ob es an Funktions- oder Freizeit-Bekleidung bedarf. Den Höhepunkt stellen jedoch das Cruiser-Feuerzeug und die Cruiser Taschenuhr dar, die bei Sammlern heute einen hohen Wert genießen.

BMW R 1200 C Erfolg und Kritik

Die BMW R 1200 C lässt sich schwer einstufen. Zwar erfüllten die Verkaufszahlen nicht die Erwartungen von BMW, mit weltweit 40.000 verkauften Einheiten lässt sie sich jedoch nicht als Ladenhüter bezeichnen. Dabei legte der Cruiser mit 10.000 Einheiten im ersten Jahr einen guten Marktstart hin und BMW erhielt sogar viele Blindbestellungen - die Ernüchterung folgte jedoch bald, als erste Qualitätsprobleme an den zahlreichen Chrom-Oberflächen bekannt wurden. Auch die Touren- und Soziustauglichkeit lag laut manchen Testberichten nicht auf dem Level anderer Cruiser, während andere Magazine die Fahreigenschaften über den grünen Klee lobten.

Auch wenn es die BMW R 1200 C 1998 in die "The Art of the Motorcycle" Ausstellung im Guggenheim Museum in New York City geschafft hat, nimmt man eines aus der Geschichte dieses Cruisers mit: er polarisiert. Egal ob Fans, oder Journalisten. Egal ob optisch oder technisch - die BMW R 1200 C spaltet die Gemüter und zeigt, wie emotional diese Bayerin war. Doch das zeigt sich nicht nur bei einem Blick in die Archive, doch auch auf dem 1000PS Motorrad Marktplatz! Für ihr Alter hält sich die R 1200 C überraschend hoch im Kurs - ein wahres Schnäppchen ist sie also noch immer nicht. Kann ihre Nachfolgerin, die R 18, 23 Jahre später die gleiche Aufmerksamkeit erlangen? Das wird sich erst zeigen, wenn BMW den Boxer-Cruiser wiederbelebt!

BMW R 1200 C Technische Daten

MOTOR
BauartBoxer
Zylinder2
Ventile pro Zylinder4
Hubraum1170 ccm
Bohrung x Hub101 x 73
Verdichtung10,0:1
Leistung61 PS bei 5.000 U/min
Drehmoment98 Nm bei 3.000 U/min
GemischaufbereitungMotronic MA 2.4.
GETRIEBE
Bauartklauengeschaltetes Fünfgang-Getriebe
KupplungEinscheiben-Trockenkupplung gegendrehend, Ø 165 mm
FAHRWERK
Federweg vorne / hinten144 mm / 100 mm
Radstand1.650 mm
Lenkkopfwinkel60,5 °
Nachlauf86 mm
Bremse vorneDoppelscheibenbremse, Ø 305 mm
Bremse hintenEinscheibenbremse, Ø 285 mm
Reifendimension vorne100/90-18
Reifendimension hinten170/80-15
DIMENSIONEN UND GEWICHT
Gesamtlänge2.340 mm
Gesamtbreite mit Spiegeln1.050 mm
Lenkerbreite ohne Spiegel775 mm
Sitzhöhe740 mm
Leergewicht, vollgetankt256 kg
Zuläss. Gesamtgewicht450 kg
Tankvolumen17 Liter
FAHRDATEN
Kraftstoffverbrauch bei 90 km/h4,8 Liter
Kraftstoffverbrauch bei 120 km/h5,9 Liter
Beschleunigung 0 - 100 km/h4,8 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit168 km/h

Stand: 04/1997

Bericht vom 21.12.2019 | 154.389 Aufrufe

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