Kawasaki ZX-4RR Test 2024

Der Schreihals abgefeuert am Circuit de Calafat

400 Kubik, Vierzylinder und einen Drehzahlbegrenzer bei 16.000 Umdrehungen. Die Eckdaten der neuen Kawasaki Ninja ZX-4RR klingen extrem. Doch wie werden sie in der Praxis umgesetzt? Wir haben den Supersportler auf der Rennstrecke getestet.

Kaum glaubt man, die Ära der Unter-1000-Kubik-Supersportler sei vorbei, startet Kawasaki mit einem Doppelaufschlag in die kommende Saison. Neben der Rückkehr der Ninja ZX-6R, kommt auch die Ninja ZX-4RR auf den Europäischen Markt. Ungewöhnlich, da solche Modelle oft dem asiatischen und amerikanischen Markt vorbehalten sind - umso größer die Freude, dass wir sie gleich auf der kompakten Strecke in Calafat testen können.

Der Griff zum Topmodell lohnt sich

Alle Leser aus Deutschland und der Schweiz können diesen Absatz getrost überspringen, denn nur in Österreich wird die ZX-4RR auch in der Standardversion Ninja ZX-4R angeboten. Diese kommt jedoch ohne Quickshifter mit Blipper, sowie mit einem günstigeren Fahrwerk aus. Zwar spart man sich erstmals 700 Euro, doch will man zumindest den Quickshifter nachrüsten, kommen erst wieder Kosten auf einen zu. Wer das Bike nicht direkt zum Tracktool umbauen möchte, sollte definitiv zur Doppel-R greifen. Denn sie machen das Bike erst so richtig harmonisch - wie ihr bald lesen werdet.

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Kawasaki Ninja ZX-4RR Motor und Leistung

Die Rennstrecke war clever gewählt, denn das Layout kommt der Ninja ZX-4RR perfekt entgegen. Der Circuit de Calafat kann mit dem Pannonia Ring verglichen werden und zeichnet sich durch kurze Geraden aus, die von engen Kurven unterbrochen werden. Es braucht also nicht unbedingt viel Leistung, um hier Freude im Sattel zu erleben. Doch Kawasakis neuer Reihenvierzylinder ist trotz seiner Größe von nur 399 ccm ein sportlicher Kollege. Die Leistung von 77 PS liegt erst bei 14.500 Umdrehungen an, während das maximale Drehmoment von 39 Nm erst bei 13.000 Umdrehungen erreicht wird. Mit RAM AIR Effekt werden es sogar 80 PS.

Wie es sich bereits aus den Daten herauslesen lässt, will die Ninja ZX-4RR bis zur letzten Umdrehung ausgequetscht werden. Unter 12.000 Umdrehungen passiert vergleichsweise wenig, das nutzbare Drehzahlband mit voller Leistung ist also relativ klein. Doch das pusht zu den perfekten Gangwechseln, permanent hoher Drehzahl mit herrlichem Sound und aufmerksamen Motorradfahren - sprich es macht unglaublichen Spaß! Wie sich der Motor auf der Landstraße verhält ist dementsprechend fraglich. Doch das finden wir hoffentlich kommende Saison heraus!

Dieses Bike hat den Quickshifter verdient!

Vollgas - drehen - mehr drehen - noch mehr drehen - schalten - bremsen. Der Circuit de Calafat fordert viel von Bike und Fahrer. Umso erfreulicher, dass die Doppel-R serienmäßig mit Quickshifter inklusive Blipper ausgestattet kommt. Dieser funktioniert absolut perfekt und hat während unserer Testzeit zuverlässig den gewünschten Gang eingelegt. Nur das Finden des Leerlaufs hat am Ende des Turns den ein oder anderen Versuch gebraucht.

Kleine Zusatzinfo: Wer mit der Ninja ZX-4RR über die ausgewählten Tiroler Pässe heizen möchte, kann das gerne machen. Genau 95 dB Standgeräusch gibt Kawasaki für den Supersportler an.

Ergonomie

Unsere Zeit mit der neuen Kawasaki Ninja ZX-4RR beschränkte sich auf 4 Turns zu je 20 Minuten am Track. Die Landstraße bekamen wir gar nicht zu sehen - was wir aber bestimmt in der kommenden Saison nachholen werden, um zu testen, wie sich dieser Mini-Supersportler im Alltag schlägt. Platz genommen auf der 800 mm hohen Sitzbank breitet sich vor dem Auge ein hübsch designte Gabelbrücke aus, unter der die erhöhten Lenkerstummel montiert sind. Für einen Supersportler hoch, aber immer noch tiefer als auf der Zweizylinder-Schwester Ninja 400.

Mit der gewählten Ergonomie spricht man aber perfekt jene Kundschaft an, die man mit dem "Awaken Your Supersport" Slogan erreichen will: Einsteiger, die ihr erstes Rennstreckenmotorrad suchen. Die Sitzposition spannt sportlich über den 15 Liter Tank und transferiert genügend Druck auf den Lenker, um ein gutes Gefühl für die Front zu bekommen. Will man eine aggressivere Ergonomie, wird es dafür bestimmt bald Abhilfe geben: Kawasaki plant nämlich Cup-Rennen mit der neuen Ninja ZX-4RR zu fahren. Der Aftermarket-Support wird also gewaltig!

Fahreindrücke auf der Rennstrecke

Beim ersten Aufsteigen wirkt die mit Showa Fahrwerk ausgestattet Doppel-R relativ weich abgestimmt - schließlich will man ja einen Kompromiss zwischen Rennstrecke und Landstraße erzielen. Doch bereits nach wenigen Minuten im Sattel der 189 Kilogramm schweren Kawasaki verschwindet die Befürchtung eines zu schwammigen Fahrwerks. Das Standard-Setup wurde sehr harmonisch gewählt und bietet ein neutrales Fahrverhalten. In Anbremsphasen bleibt das Motorrad stabil, lässt sich entspannt in die Kurve legen und bietet ein gutes Gefühl für den Reifen. Wer möchte, kann natürlich noch an den Einstellungen feilen, schließlich ist die 37mm BP-SFF Upside-Down-Gabel in der Federbasis und das Federbein in Druckstufe, Zugstufe und Federvorspannung einstellbar.

Während die dreistufige Traktionskontrolle voll deaktivierbar ist, ist das beim ABS nicht der Fall... außer man zieht die Sicherung. Zwar regelt das Antiblockiersystem spürbar, doch setzt es erst relativ spät ein. Erst wirklich sehr erfahrene Rennstreckenpiloten werden sich daran stören. Ansonsten passt auch die Bremsleistung der 290mm Doppelscheibe in der Front mit radial montierten 4-Kolben-Anlage perfekt in das Bild der Ninja ZX-4RR. Die Anker lassen sich sauber dosieren und dank des geringen Aufstellmoments auch souverän in Schräglage bremsen.

Hochwertige Elektronik in der 400er Klasse voll angekommen!

Kompakte Kawa, umfangreiches Elektronikpaket! Zwar ist die 4,3 Zoll TFT-Einheit im Cockpit ein bekanntes System, doch es bietet mehr Möglichkeiten, als zuvorige Kawasaki Modelle in dieser Hubraumklasse. Neben einer Track-Darstellung, die Fokus auf Drehzahl, Gang und Rundenzeit legt, können auch vier Fahrmodi gewählt werden: Sport, Road, Rain und Rider. Der letzte Modus bietet die volle Einstellbarkeit bezüglich Power-Modus (Full - Low) und Traktionskontrolle. Sport, Road und Rain bieten vorgegebene Settings.

Die Track-Ansicht auf der neuen Ninja ZX-4RR.
Die Track-Ansicht auf der neuen Ninja ZX-4RR.

Ist die Kawasaki Ninja ZX-4RR ein Einsteigermotorrad?

Motorräder unter einem halben Liter Hubraum werden gerne als Einsteigerbikes abgestempelt. Ist dieses Vorurteil gegenüber der Ninja ZX-4RR fair gegenüber? Eigentlich nicht, denn auch erfahrene Piloten werden sich an dem kompakten Paket erfreuen. Dennoch könnte man dieses Bike einem Führerscheinneuling in die Hand drücken. Die Sitzposition ist zwar durchaus sportlich, aber auch nicht überfordernd. Dasselbe gilt für die Bremsanlage und ihr Ansprechverhalten. Zuletzt kommt die Elastizität des Vierzylinders und der nicht vorhandene Druck bei niedrigen Drehzahlen Einsteigern ebenso entgegen. Solch ein Motor kommt bei zu niedriger Drehzahl selten ins stottern und für starke Beschleunigung muss bewusst am Hahn gezogen werden - man wird also schwer von der Power überrascht.

Doch es könnte auch sein, dass Kawasaki die meisten Exemplare an erfahrene Biker verkauft, die ein wildes und vor allem unvernünftiges Spaßgerät suchen. Viel Drama und Sound um vergleichsweise wenig Tempo!

Kawasaki Ninja ZX-4RR im Vergleich zur Konkurrenz

Oft bringen Hersteller neue Modelle auf den Markt, um der Konkurrenz ein Stück des Kuchens wegzunaschen. Doch wo will sich Kawasaki mit der neuen Ninja ZX-4RR bedienen? Wie auch mit dem Kompressor-Motorkonzept steht man mit diesem Vierzylinder im Kleinformat alleine auf weiter Flur. Konkurrenz im 400er Segment findet man ausschließlich in der A2-Führerscheinklasse, Motorräder in einer höheren Klasse - wie die Aprilia RS 660 - spielen dann doch wieder in einer ganz anderen Liga.

Die Aussage von Kawasaki: Die Ninja ZX-4RR ist "The one and only" in einer Nische, die sonst kein anderer Hersteller bedient.

Die Alleinstellung hätte auch zur Optik gepasst

Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Doch wenn man solch einen Einzelgänger am aktuellen Motorradhimmel auf den Markt bringt, hätte man sich über eine Optik mit mehr Extravaganz gefreut. Natürlich wurden durch die Verwendung bekannter Teile Entwicklungskosten gespart, die letztendlich dem Endkunden entgegen kommen, doch auf den ersten Blick lässt sie sich schwer von ihrer Schwester Ninja 400 unterscheiden. So kann man zumindest behaupten, sie sei durch ihr Design massentauglich - die KRT-Lackierung geht sowieso immer.

Links die ZX-4RR, rechts die Ninja 400.
Links die ZX-4RR, rechts die Ninja 400.

Kawasaki Ninja ZX-4RR Preis

Wer sich für den verlängerten Sommer ein neuen Bike kaufen will, kann sich freuen: Der Supersportler ist bereits bei authorisierten Händlern erhältlich. Wie viel die Kawasaki Ninja ZX-4RR kostet? Die Preise lauten wie folgt:

LandPreis
Österreich10.249,- €
Deutschland9.995,- €
Schweiz9.790,- CHF

Fazit: Kawasaki Ninja ZX-4RR 2023

Die neue Ninja ZX-4RR ist das wahrscheinlich spannendste Kawasaki Modell, seit der Präsentation der Kompressor-Familie. Der 400 Kubik Reihenvierzylinder ist ein wahrer Freudenspender, wenn er bei Drehzahl gehalten wird und punktet mit seiner Zugänglichkeit und der ausgewogenen Abstimmung. In Kombination mit den hochwertigen Fahrwerks- und Bremskomponenten ergibt sich ein harmonischer Supersportler, mit dem nicht nur Einsteiger sondern auch erfahrene Piloten eine echte Freude haben werden.


  • Spaßiger Vierzylinder
  • Präziser Quickshifter mit Blipper
  • Ausgewogenes Handling
  • Sportlich-angenehme Ergonomie
  • Umfangreiches Elektronikpaket
  • Motor muss immer bei Laune gehalten werden
  • Verwechselbare Optik

Bericht vom 06.10.2023 | 27.628 Aufrufe

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