Kawasaki Ninja H2 SX SE Test im Hyper-Touring Vergleich 2022

Können Gezwitscher und Elektronik en masse begeistern?

Im großen Hyper-Touring Vergleich 2022 versammelten wir die schnellsten Bikes, mit denen man auch auf Tour gehen kann. Mit dabei war natürlich auch die Kawasaki Ninja H2 SX SE, die mit Kompressor-Aufladung und umfangreichem Elektronikpaket punktet. Hier unsere Eindrücke.

Hyper-Touring - was soll das schon wieder sein? Ganz einfach: Letztes Jahr hatten wir in unserem Sporttourer Vergleich die Kawasaki Ninja 1000 SX dabei. Mit 142 PS ist sie alles andere als eine lahme Ente, doch wirft man einen Blick auf die 200 Pferde der H2 SX SE, befindet man sich in einer ganz anderen Liga. Deshalb: Hyper-Touring!

Das stärkste Reisemotorrad aller Zeiten!

Die Leistung der Ninja ist das perfekte Stichwort, denn der 998 ccm große Reihenvierzylinder mit Kompressor-Aufladung zeichnet dieses Motorrad aus. Mit 200 PS bei 11.000 Umdrehungen und 137,3 Nm Drehmoment bei 8.500 U/min braucht es ein langes Stück unbegrenzte Autobahn, wenn man die volle Leistung abrufen will. Absolut irrwitzig jagt die Kawa Richtung Horizont, sobald der Hahn bis zum Anschlag geöffnet wird. Damit setzt sie sich nicht nur in unserem Vergleich (gegen Aprilia Tuono V4, KTM 1290 Super Duke GT und Suzuki Hayabusa) leistungstechnisch an die Spitze, auch am aktuellen Motorrad-Markt findet man kein Reisemotorrad mit höheren Leistungswerten.

Doch nicht nur bei vollem Schub punktet das Aggregat. Absolut souverän schiebt die Ninja H2 SX SE selbst aus dem Drehzahlkeller und präsentiert sich dabei stets gediegen. Wenn man ehrlich ist entsteht das breiteste Grinsen ab mittlerer Drehzahl wenn die Gänge per serienmäßigen Quickshifter durchgeschalten werden und beim Herunterschalten das Zwitschern des Kompressors den heimischen Vögeln Konkurrenz macht.

Alles serienmäßig! Elektronikpaket Kawasaki Ninja H2 SX SE

Aufpreispolitik ist ein Schlagwort der letzten Jahre, das bei so manchen Herstellern öfters genannt wird, als bei anderen. Bei Kawasaki dürfte der Begriff wohl selten in den Mund genommen werden, denn auch bei der Ninja H2 SX SE muss man eigentlich keinen Cent mehr ausgeben. Elektronisches KECS-Fahrwerk, 6-Achsen-IMU, Launch Control, mehrstufige Power- und Traktionskontrollenmodi, Reifendruckkontrolle (TPMS), Front-Kollisionswarnung, Toter Winkel Assistent, Tempomat mit Abstandshaltefunktion, Berganfahrhilfe, Keyless GO (KIPASS), Notbrems-Signalfunktion, LED-Kurvenlicht und Connectivity (Kawasaki SPIN) - alles serienmäßig mit an Bord. Gesteuert werden all die Systeme über das 6,5 Zoll Farb-TFT Display, das nach kurzer Gewöhnungsphase leicht zu bedienen ist.

Preise unterscheiden sich nur in den Ausstattungslinien, die sich an der Menge an Koffersystemen unterscheiden. Elektronisch bleibt alles gleich, wenn man zur SE-Variante greift.

Ausstattung umfangreich - aber nicht verpflichtend

"Wozu die ganze Elektronik? Ich will doch nur Motorrad fahren!", höre ich so den manch einen von Euch sagen. Ich darf aber entwarnen, denn Front-Kollisionswarnung, Toter Winkel Assistent und Tempomat mit Abstandshaltefunktion können bei Nicht-Bedarf deaktiviert werden. Es sollte jedoch erwähnt sein, dass die Systeme gut und zuverlässig funktionieren. Auf der Autobahn regelt der Tempomat passend zum Vordermann, wobei es dem System leichter fällt, sich an Autos zu orientieren, als an dem schmalen Profil eines Motorrads.

Der Toter Winkel Assistent macht sich mit einer orangenen Warnleuchte in den Rückspiegeln bemerkbar - so wie man es bereits aus der Automobilwelt kennt. Eine hilfreiche Unterstützung, auf den klassischen Schulterblick haben wir aber trotzdem nicht verzichtet. Zuletzt dient die Kollisionswarnung nur als optischer Hinweis auf dem Display und greift nicht in die Bremsen ein.

Kawasaki Ninja H2 SX SE zeichnet sich durch ihr Fahrwerk aus

Das SE-Kürzel dürfte Kawasaki-Fans kein unbekanntes mehr sein. Modelle mit dieser Endung verfügen über gehobene Ausstattung und auch wie im Fall der Ninja H2 SX, über das elektronische Fahrwerk namens KECS. Dieses passt sich den Straßen- und Fahrbedinungen an und verändert seine Charakteristik auch mit dem ausgewählten Fahrmodus. Vor allem auf längeren Autobahnabschnitten und bei normaler Fahrt spürt man, wie ausgereift das System ist. Souverän bügelt es Unebenheiten aus und spendiert viel Komfort. Einzig bei sehr sportlicher Gangart hätten wir uns klareres Feedback erhofft. Schließlich müssen 268,5 Kilogramm durch die Kurven bewegt werden.

Allround-Künstlerin mit kleinen Schwächen

Reisen, pendeln und eine wahnsinnig schnelle Runde auf der Hausstrecke - die Ninja H2 SX SE eignet sich schlichtweg für alles. In einem solchen Vergleich fallen jedoch Schwächen auf, die im Einzelbetrieb weniger auffallen. Eben solcher Makel ist uns an der Bremse aufgefallen. Am Papier verspricht sie Überlegenheit: Halbschwimmende 320 mm Brembo Doppel Bremsscheiben werden von radial montierten Brembo Stylema Monoblock Vierkolben-Bremssätteln gepackt. Bei sportlicher Gangart bietet sie jedoch leider nicht den Biss, den wir uns erwartet hätten. Das soll in keinster Weise bedeuten, dass sie under-performed, dennoch war sie nicht die stärkste Bremse im Vergleich.

Fahrendes Motorrad

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Vaulis Senf zur Kawasaki Ninja H2 SX SE im Hyper-Touring Vergleich 2022:

Die Kawasaki Ninja H2 SX SE bekommt von mir in diesem Vergleich die volle Punktzahl - keine andere greift das Thema Hyper-Touring so ernsthaft auf wie die Grüne, das gehört belohnt. Die Sitzposition entspricht mit ihrer komfortablen aber doch vorderradorientierten Auslegung den Anforderungen auf einem Sporttourer, während sich das elektronische Fahrwerk ohnehin auf alle Asphaltzustände ganz komfortabel per Knopfdruck einstellen lässt. Die restliche Ausstattung mit allen derzeit üblichen Sicherheits-Features, LED-Beleuchtung, Radar-Tempomat, Totwinkelassistent und Kollisionswarner darf als komplett, wenn nicht sogar überkomplett gewertet werden. Da wundert es mich sogar, dass auf einen verstellbaren Windschild verzichtet wurde, der Windschutz geht mit der ausladenden Verkleidung aber auch so in Ordnung.

Bild von Vauli
Vauli

"Den einzigartig zwitschernden Hyper-Tourer lässt sich Kawa fürstlich entlohnen!"

Am allerbesten an der gesamten Maschine befinde ich den Motor, der mit seiner Kompressor-Aufladung nicht nur durch seine schiere Leistung von 200 PS beeindruckt sondern auch durch seinen gewaltigen Durchzug bereits ab Leerlaufdrehzahl. Da kann wirklich nur die Suzuki Hayabusa mit ihrem 1340 Kubik-Kraftwerk mithalten, während der V4-Motor der Aprilia und der V2 der KTM zwar ab der Mitte enorm viel Laune machen, aber untenrum nicht ansatzweise mit der Souveränität der Reihen-Vierer aufwarten können. Ein wenig enttäuscht bin ich von der Bremse, Brembo Stylema-Anlagen durfte ich auf anderen Maschinen schon weitaus kräftiger erleben. Insgesamt ist die Ninja H2 SX SE aber ein richtig komplett ausgestatteter Hyper-Tourer, der sich mit dem einzigartig zwitschernden Kompressor-Motor auch noch erfrischend von der versammelten Konkurrenz abhebt. Diesen Status lassen sich die Grünen mit über 30.000 Euro in Österreich, über 28.000 Euro in Deutschland und über 27.000 Franken in der Schweiz aber auch fürstlich entlohnen.

Fazit: Kawasaki Ninja H2 SX SE 2022

Mehr Hyper-Touring geht nicht! Die Kawasaki Ninja H2 SX SE vereint brachiale Power mit tourentauglichen Eigenschaften und packt noch jede Menge Ausstattung mit oben drauf. Wer sich solch ein Motorrad kauft und ausschließlich auf asphaltierten Wegen unterwegs sein möchte, ist hier in der Königsliga angekommen. Wie willst du 200 PS noch toppen? Das ganze hat aber seinen Preis - solch ein Allrounder möchte bezahlt werden.


  • Motor mit enormer Kraft
  • hochwertige und serienmäßige Ausstattung
  • komfortable und trotzdem sportliche Sitzposition
  • guter Windschutz
  • absolut tourentauglich
  • viele Gepäcklösungen von Kawasaki
  • Im Sportmodus könnte das elektronische Fahrwerk straffer sein
  • Bremse für diese Leistung etwas schlaff
  • kein verstellbares Windschild
  • hoher Preis

Bericht vom 02.07.2022 | 16.402 Aufrufe

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