KTM 1290 Super Adventure S Test 2021

Reiseenduro ready to Race!

Es gibt vermutlich viele Verständnislose, die den “Ready to Race”-Slogan nicht mehr hören können. Und vielleicht ist er bei einer Reiseenduro tatsächlich nicht ganz trefflich, wenn man das Thema völlig korrekt abhandeln möchte. Aber das will KTM ja gar nicht…

Wir schreiben das Jahr 2002, KTM will expandieren und versucht etwas Neues: Ein Zweizylinder-Motor mit knapp 1000 Kubik wurde entwickelt und soll in ein Motorrad eingepflanzt warden, mit dem sich die Offroad-Marke identifizieren kann. Die Geburtsstunde der Adventure-Modelle ist somit eingeläutet und fast zwei Jahrzehnte nach der ersten großen 950 Adventure, gefolgt von 990, 1190, 1050, 1290 und 1090 kommt nun für 2021 die bisher letzte Evolution dieser erfolgreichen Ahnengalerie, die neue 1290 Super Adventure S. Erstaunlicherweise hat diese letzte Ausbaustufe ihren Ursprung in der ersten 1290 Super Adventure (anfangs aus Ermangelung an Schwestermodellen noch ohne T) von 2015 mit exakt 160 PS Leistung so viel wie die neue 1290 Adventure S. Ging da also gar nix weiter bei der Entwicklung?

Der Motor ist ein unfassbares Kraftwerk – und musste nicht neu erfunden werden…

Grundsätzlich tatsächlich nicht, der neue Motor baut nach wie vor auf diesem einerseits unfassbar kräfigen, 1301 Kubik großen Kraftwerk auf, das aber andererseits auch unglaublich einfach und spaßig zu fahren ist. Was man dabei aber noch nicht bedacht hat ist, dass die Euro5-Norm enorm viele, mehr oder weniger einschneidende Eingriffe erfordert, die am Ende zu weniger Leistung führen. Dass die neue 1290 Super Adventure S dennoch erneut 160 PS bei 9000 Touren abliefert (Vorgängerin gleichen Namens 160 PS bei 8750 Touren) sowie beeindruckende 138 Newtonmeter Drehmoment bei 6500 Touren (Vorgängerin 140 Nm bei 6750 Umdrehungen), war also mehr Arbeit, als es nach außen hin scheint.

Euro5 kann der Sportlichkeit der KTM 1290 Super Adventure S nichts anhaben

Immerhin wurde am Motor so viel gefeilt, dass insgesamt ganze 1,6 Kilo eingespart wurden, nur damit am Ende die ganze 1290 SA S doch 5 Kilo mehr wiegt als die Vorgängerin (vollgetankt 243 statt 238 Kilo). Da kann man sich doch gut vorstellen, wie sehr die Vorschriften die Performance beeinflussen können und wenn sie schon nicht schaffen, im Falle der 1290 Spuer Adventure S die Sportlichkeit zunichte zu machen, dann schlagen sies ich wenigstens im Gewicht nieder. Am Endtopf sieht man diesen Fortschritt sogar sehr gut, der originale Ausputt wird wohl keinen Ästhetik-Wettbewerb gewinnen. Doch bei einer Reiseenduro nimmt man so etwas keineswegs persönlich, die Fans wissen vielmehr, dass es für die Hersteller immer schwieriger wird, die vielen Vorschriften in ein ansehnliches Auspuffsystem hineinzuquetschen. Der optionale Akrapovic-Endtopf sieht ohnehin um einiges besser aus. Die Verbräuche bei den Testfahrten auf Fuerteventura pendelten sich jedenfalls bei knapp über 6 Liter ein bei trockenen Straßen wäre es klarerweise ein wenig mehr geworden. Das Standgeräusch liegt im Übrigen unter 95 dB, der Fahrt in Tirol steht somit nichts im Weg.

Es gibt kaum Situationen, bei denen man nicht auf der KTM sitzen möchte!

Und damit bin ich auch schon bei der Fahrerei angelangt, die trotz Dauerregen und nasser Fahrbahn einfach herrlich war! Denn genau da erkenne ich ein Motorrad, das in allen Lebenslagen ausgezeichnet funktioniert. Ich hatte kein einziges Mal ein ungutes Gefühl, geschweige denn Angst im Sattel der großen KTM. Manchmal hat man nämlich sehr wohl ein mulmiges Gefühl und wünschte sich, in genau dieser Situation auf einem anderen Eisen zu sitzen aber die KTM ist genau so ein Motorrad, auf dem man dann tatsächlich sitzen möchte! Grund dafür sind schon mal die Mitas Terra-Force R-Reifen, die zumindest auf dem, auch bei Nässe sehr griffigen Asphalt auf Fuerteventura bestens funktioniert haben. Die Traktionskontrolle musste tatsächlich äußerst selten eingreifen und wenn, dann so, dass man den Eingriff eigentlich nur am blinkenden Lamperl am großen Dashboard bemerkt hat.

Nicht nur, weil es sich reimt: Der Quickshifter+ ist ein absolutes Muss…

Einen mindestens ebenso großen Einfluss hat aber auch die agile und handliche Auslegung der KTM 1290 Super Adventure S. Die Techniker erklären diese Tatsache damit, dass der Lenkkopf leicht verändert und die Schwinge verlängert wurde, der Radstand aber gleich blieb. Das steigert die Stabilität, erhält aber das flinke Handling. Und ehrlich, diese KTM ist eine ausgewachsene große Reiseenduro, benimmt sich aber vom Handling her wie ein Motorrad mit einem halben Liter weniger Hubraum. Einfach angenehm zu fahren und doch mit dieser ab Werk eingepflanzten Sportlichkeit, die eine KTM nun mal bieten muss. Apropos eingepflanzte Sportlichkeit, der Quickshifter+, der vor allem auf dieser Sport-Enduro absolut Sinn macht (weil er auch ausgezeichnet funktioniert), kostet leider Aufpreis, in Deutschland und Österreich knapp 400 Euro, in der Schweiz rund 450 Franken.

Der Aufpreis für das TechPack der KTM 1290 Super Adventure S ist es wert

Da kann man dann eigentlich gleich das gesamte Tech Pack dazu nehmen, das auch noch das Rally Pack (inklusive Rally Mode, verstellbarer Offroad-Traktionskontrolle und einstellbarer Gasannahme), Suspension Pro (mit unabhängig voneinander elektronisch einstellbarer Gabel und Federbein, automatisch ausgleichender Federvorspannung und Anti-Dive an der Gabel), Motorschleppmoment-Regelung, Hill Hold Control (Berganfahrhilfe), adaptive Brake Light (blinkt bei abruptem Bremsen) und eben dem herrlichen Quickshifter+. Das serienmäßige elektronische SAT-Fahrwerk (semi-active Technology) funktioniert allerdings auch ohne diese Features sehr fein, wer will, kann es in sportlicher oder komfortabler Einstellung bewegen, für rund 80 Prozent der Nutzer wird aber der Standard-Mode ein richtig feiner Kompromiss zwischen Sport und Komfort darstellen. Für all jene, die aber oft wechseln zwischen Solofahrt und Reise samt Sozia/Sozius und Gepäck, stellt Suspension Pro ein absolut sinnvolles Feature dar.

Offroad sollte man können, oder geeignete Reifen aufziehen…

Ebenso bietet Rally Pro dem Fahrer noch mehr Möglichkeiten, die Super Adventure S auch offroad voll auszukosten. Nur weil kein R am Ende des Namens steht, heißt das noch lange nicht, dass die S-Version nicht auch die typischen Offroad-KTM-Gene mitbekommen hat. Denn 200 Millimeter Federweg vorne und hinten erlauben mehr, als man vermuten würde, nur bitte bei der Wahl der Reifen keinen Fehler machen. Die MItas Terra-Force R in ihrer 90 % Straße/10 % Offroad- Auslegung machen bestimmt auch auf Schotter eine akzeptable Figur, im nassen Sand auf Fuerteventura war das spärliche Profil aber im Nu zugefahren und konnte einfach keinen Halt mehr geben. Tja, was soll ich sagen, die KTM ist robust gebaut, steckt solche Hoppalas gut weg und lässt sich dank der weit nach unten gezogenen Tanks auf beiden Seiten, die quasi als kleine Ausleger dienen, sehr einfach wieder hochwuchten. Und in Wahrheit ist ja gar nix passiert, hat ja niemand gesehen… Bei der Sitzhöhe verfolgt KTM mit der neuen 1290 Super Adventure S allerdings den Weg, mehr Kunden anzusprechen, die sich nicht auf einen Sattel in schwindelerregender Höhe aufschwingen wollen. Und das funktioniert nun mal am ehesten, wenn man die Sitzhöhe auf ein angemessenes Maß reduziert. Im Falle der SASi stehen nun die zwei Einstellungen 849 und 869 Millimeter zur Auswahl, bei der Vorgängerin waren es noch 860 und 875 Millimeter.

KTM-Weltneuheit! Adaptive Cruise Control auf der 1290 Super Adventure S

Ach ja, jetzt hätte ich doch fast das eine Feature vergessen, das tatsächlich ein absolutes Novum auf der 1290 Super Adventure S ist und nicht einmal ein schlechtes! Denn im Vorfeld war auch ich noch skeptisch, was Adaptive Cruise Control, also der radargestützte Tempomat, der selbständig den Abstand zum voraus fahrenden Fahrzeug einhält, für sprtliche Fahrer bringen soll. Allerdings werkt das Ding richtig gut, lässt sich zwischen 30 und 150 km/h aktivieren und lässt sich auch durch Kurven oder auf Fuerteventura weitverbreitete Kreisverkehre aus der Ruhe bringen. Sogar meine Angst, was wohl passiert, wenn sich der Abstandshalter bei 30 km/h plötzlich ausklinkt, war unbegründet. Denn ab rund 40 km/h warnt das System im großen 7 Zoll-Display hektisch mit rot blinkender Aufforderung, die Kontrolle wieder selbst zu übernehmen und ich habe die Geschwindigkeit einfach überschätzt 30 km/h sind tatsächlich so langsam, dass man dann mit den ausgezeichneten 320er-Doppelscheiben der Super Adventure S richtig schnell stehen bleiben kann.

Wer das System nicht braucht, muss es erst gar nicht aktivieren

Wer diese Spielerei nun trotzdem nicht braucht, muss sie auch nicht nutzen, sie ist zwar serienmäßig an Bord, kann aber auch abgeschaltet werden und der Tempomat ohne diese Hilfe genutzt werden warum auch immer man das tun sollte. In Wahrheit macht ein solches System vermutlich wirklich nicht auf jedem Motorrad Sinn, doch gerade auf einer dicken Reiseenduro, mit der man öfter mal eine längere Anreise auf der Autobahn in Kauf nimmt, um dann ein cooles Kurvenparadies wo auch immer zu genießen, bietet es einen enormen Komfort-Gewinn. Warum das System, das in Kooperation mit Bosch entwickelt wurde, nicht auch gleich ein hinteres Radar samt Totwinkel-Assistenten wie bei der Ducati Multistrada V4 dabei hat, erklärt KTM ganz selbstsicher damit, dass man derzeit keine Notwendigkeit dafür sieht. Kann sich ja noch ändern, gefehlt hat uns das Feature jedenfalls bei der Fahrerei auf Fuerteventura nicht.

Die Preise der neuen KTM 1290 Super Adventure S

Viel Hightech und richtig gute Verbesserungen an der 1290 Super Adventure S, die sich KTM natürlich auch angemessen entlohnen lässt. In Deutschland werden für die neue SASi (Stand Februar 2021) 18.495 Euro, in Österreich 21.349 Euro und in der Schweiz 20.290 Franken fällig. Einerseits nicht wenig Schotter, andererseits immer noch weniger als andere Techno-Bomber, die der KTM offroad gewiss nicht das Wasser reichen können und sich auch beim sportlichen Aspekt ganz schön anstrengen müssen, um an dem mattighofener Adventure-Bike dran zu bleiben.

Fazit: KTM 1290 Super Adventure S 2021

Die KTM 1290 Super Adventure S 2021 sieht ihrer Vorgängerin zwar sehr ähnlich, wurde aber an nahezu allen Ecken und Enden überarbeitet. Der Motor wurde auf Euro5 getrimmt, behält aber seine 160 PS und fast das ganze Drehmoment (nun 138 statt 140 Newtonmeter). Die weiter verfeinerte Elektronik sorgt für eine noch geschmeidigere Fahrbarkeit, was aufgrund des herrlich agilen Handlings in sehr viel Spaß beim Kurvenräubern mündet. Doch auf für Komfort-Freaks und all jene, die Wert auf die Reisequalitäten dieser Motorradgattung legen, hat die neue SASi einiges zu bieten. Ganz neu ist ACC, der adaptive Tempomat, der selbständig den Abstand zum Vordermann einhält – und richtig gut funktioniert. Empfehlenswert ist in jedem Fall der optionale Quickshifter+ oder gleich das allumfassende TechPack – bei dem Grundpreis fallen rund 1000 Euro Aufpreis gar nicht mehr so sehr ins Gewicht…


  • Sehr sportliches, aber auch kultiviertes V2-Kraftwerk
  • trotz hohem Gewicht äußerst spielerisches Handling
  • bequeme, fahraktive Sitzposition
  • gute Bremsen inclusive Kurven-ABS
  • umfangreiches Elektronik-Paket
  • neue adaptive Cruisecontrol
  • übersichtliche, gut strukturierte Armaturen mit riesigem 7 Zoll-Display
  • kein Sonderangebot
  • Schaltassistent aufpreispflichtig

Bericht vom 05.02.2021 | 53.793 Aufrufe

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