BMW C evolution Long Range Test

Die Zukunft der urbanen Mobilität?

Theoretisch klingt das Konzept von Elektromotorrädern sehr überzeugend: du hast ein leises Fahrzeug, das in der Früh die Nachbarn nicht zur Weißglut treibt und du musst keinen Cent für Benzin ausgeben, was monatliche Kosten im Rahmen hält. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Der Horvath hat den BMW C evolution Long Range getestet und für euch herausgefunden, ob selbst mit Elektromotor Freude am Fahren entsteht und ob die sogenannte Reichweitenangst nur ein Mythos ist.

Die BMW C evolution Familie ist keine unbekannte im 1000PS Büro. 2014 wurde die A1-Version mit 15 PS und einer Reichweite von 100km präsentiert und bis 2017 unverändert gebaut. Doch mit jährlich neuen Innovationen im E-Mobilitätssektor wurden die BMW Ingenieure sprichwörtlich unter Strom gesetzt, um den C evolution weiterzuentwickeln. Ein paar Durecell Hasen später war er vollbracht der BMW C evolution Long Range!

BMW C evolution Long Range Motor – Raumschiffsound inklusive!

Selbstverständlich wird der BMW E-Roller nicht von den Geschenken eines kleinen pinken Hasens versorgt, sondern von einer luftgekühlten Lithium-Ionen Hochvoltbatterie. Diese verfügt nun über eine Zellkapazität von 94 Ah anstatt den früheren 60 Ah, was sich mit einer Reichweitensteigerung von 60%, sprich auf 160km, spüren lässt. Gleichzeitig wurde dem flüssigkeitsgekühlten E-Motor eine Leistungssteigerung verpasst, wodurch er eine Dauerleistung von 26 PS und eine Maximalleistung von 48 PS auf die Straße bringt. Die Leistungsstufen lassen sich über die Fahrmodi steuern, doch dazu später mehr.

Denn nicht die Pferdestärken sorgen für Begeisterung im Sattel, sondern das Drehmoment. 72 Nm liegen an und das ab dem ersten Zug am Stromhahn. Während der Vortrieb auf den ersten Metern von der Traktionskontrolle namens TCA (Torque Control Assist) eingebremst wird, wacht der C evolution Long Range ab 50 km/h auf, bis bei 137 km/h Schluss ist. Speziell der Sprint von 50 auf 70 km/h ist unvorstellbar, wodurch der BMW Roller am Ortsausgang zum echten Verbrennungsmotor-Killer wird. Das Gehirn rutscht in den hinteren Bereich des Schädels und man möchte nur mehr beschleunigen auf Kosten der Reichweite. Begleitet wird diese faszinierende E-Beschleunigung von einem Sound, der sich am bestem mit den Landspeedern vom Star Wars Planeten Tatooine vergleichen lässt. Eines sei gesagt: so viele neugierige Blicke habe ich aufgrund des Sounds schon lange nicht mehr bekommen.

Vier Fahrmodi auf dem BMW C evolution Long Range

Wie die A1-Variante, ist auch der C evolution Long Range serienmäßig mit vier Fahrmodi ausgestattet. Für Sparfüchse empfiehlt sich der Eco Pro Modus, in dem die Leistung auf 26 PS gedrosselt wird und die Rekuperation (sprich die Motorbremse) am höchsten ist. Die Rekuperation bremst das Fahrzeug selbstständig ab und lädt damit die Batterien wieder auf. Bei vorausschauender Fahrweise braucht man nicht an den Bremsen ziehen und erweitert gleichzeitig die Reichweite. Das genaue Gegenteil bietet der Sail Modus, der das Schleppmoment der Rekuperation vollständig deaktiviert. Wird der Stromhahn geschlossen, rollt der C evolution ohne jeglicher Motorbremse, also wie ein Fahrrad, dahin. Einen Mittelweg geht der Road Modus, der die volle Leistung bietet und die Rekuperation auf 50% regelt. Im Fahrbetrieb ist das der Modus, der am stärksten an einen Verbrenner-Roller erinnert und in welchem BMW die Reichweite von 160km angibt. Die letzte und fahraktivste Option ist der Dynamic Modus, der sowohl die volle Leistung, als auch die volle Motorbremse zulässt. Dieser Modus war mein persönlicher Favorit, da er einerseits den meisten Spaß mit der höchstmöglichen Rekuperation verbindet und andererseits den BMW Slogan "Freude am Fahren" am überzeugendsten vertritt.

C evolution Long Range aufladen – besteht Reichweitenangst?

Betrachtet man den Einsatzbereich des BMW C evolution Long Range, ist die Reichweite von 160km mehr als ausreichend. Es wird wenige Menschen geben, die täglich mehr als 160km pendeln und selbst wenn die Anreise zur Arbeit etwas länger ist, kann der E-Roller laut BMW innerhalb von fünf Stunden an einer Haushaltssteckdose zu 100% geladen werden. Doch der Ladevorgang könnte Besitzer vor zwei Herausforderungen stellen. Einerseits lässt sich der Akku nicht aus dem Roller entfernen. Durch seine Größe und die Bauart bildet er eine Einheit mit dem Rahmen und wird somit für die Stabilität des Chassis benötigt der Wermutstropfen der hohen Reichweite. Die zweite Problematik ist andererseits, dass das serienmäßige Ladekabel von BMW nur circa 2 Meter lang ist. Zusätzlich dürfen keine Verlängerungskabel verwendet werden, da diese den Stromfluss nicht überleben und (wie ich am eigenen Leib erfahren habe) einfach kaputt gehen. Das bedeutet in der Praxis, dass sich eine Steckdose immer in zwei Meter Reichweite des C evolution befinden muss leichter gesagt als getan.

Technologie sorgt für Abzüge im praktischen Nutzen

Vergleicht man E-Roller mit E-Autos stößt man auf einen baubedingten Nachteil: Zweiräder haben schlichtweg weniger Platz für die Akkus. Deshalb findet man unter der Sitzbank des Fahrers keinen Stauraum, da hier die Akkus des C evolutions liegen. Nur unter dem Soziussitz ist ein Fach, das genügend Platz für einen Vollvisierhelm bietet. Auch die Handschuhfächer in der Verkleidung wurden reduziert. Während das verschließbare Fach auf der rechten Seite überraschend viel Platz bietet, wurde das linke Pendant durch den Anschluss für das Netzkabel ersetzt.

Der Stauraum wurde also im Vergleich zu Benzin Maxi-Scootern geringer, das Gewicht aber gleichzeitig höher. 275 Kilogramm bringt der BMW C evolution Long Range auf die Waage, was den Lithium-Ionen-Akkus zu verschulden ist. Zur angenehmen Überraschung wirkt der Roller während der Fahrt deutlich leichter als er ist Stichwort Schwerpunkt. Dank der tiefen Platzierung der Akkueinheit fühlt sich der BMW Scooter selbst bei niedrigem Tempo sehr handlich an und macht im Winkelwerk einen stabilen Eindruck. Das Rangieren wird durch einen Retourgang erleichtert, der über einen Knopfdruck an der Lenkereinheit aktiviert wird.

Freude durch Fahren trotz Elektromotor?

Eines muss von Anfang an klargestellt werden: man darf das Fahrerlebnis eines Verbrennungsmotors nicht mit dem eines Elektromotors vergleichen. Beide Antriebskonzepte sind sehr unterschiedlich, doch eben jene Unterschiede bringen den Reiz und letztendlich den Fahrspaß. So versprüht der BMW C evolution Long Range ein sehr erhabenes Gefühl des Dahingleitens, wenn man neben dem Surren des Elektromotors nur den Fahrtwind wahrnimmt. Auch das Fahrwerk liefert trotz des hohen Gewichts einen gelungenen Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort Schlaglöcher zertrümmern also nicht die Wirbelsäule und in schnellen Kurven liegt der BMW Elektroroller sicher auf der Straße. Die Bremsanlage wird zwar keine Preise gewinnen, doch in Verbindung mit der oben erwähnten Rekuperation reicht die Verzögerung für das tägliche Pendeln voll und ganz. Für Komfort sorgt auch die 765mm hohe Sitzbank in Kombination mit den Trittbrettern, die viel Spielraum für die perfekte Sitzposition bieten.

BMW C evolution Long Range Zubehör

BMW-typisch bieten die Bayern ein sehr umfangreiches Zubehörprogramm, das ihr auf der BMW Website durchblättern könnt. Meine Empfehlungen gehen an das Topcase inkl. Gepäckbrücke, um den Stauraum zu erweitern und das erhöhte Windschild für besseren Windschutz bei Landstraßentempo. Für Großgewachsene empfiehlt sich ebenso die 785mm Komfort-Sitzbank, die aber für meine 175cm Körpergröße nicht von Nöten war.

BMW C evolution Long Range Preis

Fazit: BMW C evolution 2018

Um den BMW C evolution Long Range in voller Gänze genießen zu können, braucht es eine Liebe für die E-Mobilität. Denn vergleicht man seinen praktischen Nutzen mit dem eines klassischen Maxi-Scooters, trifft man beim C evolution auf deutliche Nachteile: weniger Stauraum, hohes Gewicht und ein deutlich höherer Preis. Kann man diese Nachteile hinter sich lassen, dann wird jede Fahrt auf dem BMW Roller zum Erlebnis. Das sofortige Drehmoment sorgt für unglaublichen Vortrieb, der mit dem Sound eines Raumschiffes begleitet wird. Auch im schnellem Tempo wirkt der C evolution sehr kontrolliert und versprüht ein überlegenes Gefühl gegenüber anderen Zweirädern. Ein großartiger Alltagsroller mit Schwächen, die den Kinderschuhen der E-Mobilität verschuldet sind.


  • Beschleunigung durch hohes Drehmoment
  • genügend Reichweite fürs tägliche Pendeln
  • Sound
  • stabiles Fahrverhalten
  • hochwertige Optik
  • wenig Stauraum
  • hohes Gewicht
  • serienmäßiges Ladekabel zu kurz
  • hoher Preis

Bericht vom 27.08.2018 | 73.889 Aufrufe

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