Balkan Rally 2025 - ein Rückblick
Zwischen Asphalt, Leidenschaft und unendlichen Weiten
Sechs Tage, sechzehn Nationen, ein Ziel: den Balkan erfahren - mit allen Sinnen. Die Balkan Rally 2025 ist kein Rennen im klassischen Sinn. Sie ist ein Abenteuer zwischen Asphalt und Emotion, zwischen Rätseln, Geschichte und Gemeinschaft. Wer hier startet, jagt nicht nach Sekunden, sondern nach Momenten. Ich durfte sie miterleben - von den ersten Sonnenstrahlen über der Donau bis zum letzten Glas Sekt im Abendlicht von Dubrovnik. Und was blieb, war mehr als Staub auf dem Visier: Es war das Gefühl, unterwegs zu sein - wirklich unterwegs.
Prolog - Budapest erwacht
Budapest schläft nie ganz - an jenem Samstagmorgen erst recht nicht. Die Sonne kitzelt das Wasser der Donau, golden flirrt das Licht über die Dächer, und vor der ehrwürdigen Universität vibriert die Luft vor Erwartung. Menschen stehen dicht gedrängt, lachen, staunen, riechen Benzin und Abenteuer. Die Motoren heulen auf - kurz, rau, wie ein Versprechen. Sechzehn Nationen, ein Ziel: den Balkan nicht nur zu durchqueren, sondern zu erleben, zu begreifen, zu spüren. Es ist, als ob sich hier, mitten in Budapest, eine Gemeinschaft formt, die nur eines teilt - die Lust auf das Unbekannte.
Am Nachmittag sitzen wir im großen Saal der Universität. Karten flackern über die Leinwand, Linien ziehen sich wie Lebensadern durch Osteuropa. "Perfect Time", "Checkpoints", "Fairness, Sicherheit, Gemeinschaft" - Begriffe, die bisher noch fremd klingen. Noch sind sie Theorie, noch liegt die Straße unberührt vor uns. Als die Sonne hinter den Dächern versinkt, stoßen wir bei einem Bier vor der Universität an und teilen die Vorfreude.
Tag 1 - Von Budapest nach Maribor
Der Himmel ist makellos blau, die Luft frisch - so fühlt sich Anfang an. Wir starten früh, die Stadt verschwindet langsam im Rückspiegel, und vor uns öffnet sich ein endloser Horizont. Ja, es mag flach und geradlinig sein - doch die Einladung, die grüne Landschaft in Ruhe zu genießen, bevor die kurvige Küste naht, nehme ich an. In Veszprém wartet die erste Aufgabe. Das FOTON Gelände bietet uns Abkühlung und Unterhaltung. Zwischen Stimmen, Kuchen, Rätseln und Rufen mischt sich rauchende Köpfe mit Gelächter. Wir grübeln, rechnen, vergleichen, helfen uns gegenseitig. Es ist erstaunlich, wie schnell aus Fremden ein Team wird, wie selbstverständlich man gemeinsam denkt, während der Staub noch in der Luft hängt. Weiter westwärts, über Felder, Dörfer, Wälder. In Körmend steht plötzlich Geschichte vor uns das Batthyányi Castle, uralt und würdevoll. Zwischen diesen Mauern ein neues Rätsel, eine neue Challenge für die grauen Zellen. Sonne fällt durch alte Fenster, und Vögel kreisen über das vom Alter gezeichnete Haupt der Burg. Ich halte kurz inne und denke: Was für ein seltsames, wunderbares Spiel wir hier spielen - mit Zeit, Wissen und Geduld. Am Abend rollen wir nach Maribor. Ich bin müde, verschwitzt, glücklich. Beim Dinner flirrt die Luft vor Geschichten, Hände gestikulieren, Stimmen überlagern sich. Der Spirit der Rally tanzt von Tisch zu Tisch - und ich bin mittendrin.
Tag 2 - Maribor nach Postojna
Morgendunst hängt über den Hügeln Sloweniens, und die Sonne tastet sich zögerlich durch die Wolken. Der Rhythmus des Fahrens, das leise Brummen, das mich wiegt wie ein vertrauter Puls - all das begleitet mich heute durch Stadt und Land in Richtung Postojna. Das erste Rätsel am Museum Liaunig lässt uns in der Geschichte graben. Zeitungsausschnitte, Jahreszahlen, Hinweise - ich verliere mich im Suchen und bin froh um meine Englisch-Kenntnisse. Die Rätsel in Alt-Englischer Sprache machen es uns Teilnehmern nämlich nicht gerade leicht. Ein jeder flüstert sich die Worte immer wieder selbst vor, bis ein erleichtertes "Ahaa" über den Parkplatz klingt. Schultern werden geklopft, weiter geht's. Später, am Plansarsko jezero, spiegeln sich die Bäume im Wasser. Die Flöhe tanzen, wir Abends dann Postojna. Wir steigen in den kleinen Zug und fahren in die Dunkelheit. Ich habe schon viel über die berüchtigte Höhle gehört. Und ich werde nicht enttäuscht: hier gibt es Tropfsteine, die wie Orgelpfeifen aus einer anderen Welt wachsen, feuchte Luft die unsere müden Körper wach streichelt, leises Staunen. Es ist still - nur das Plätschern, das Rollen des Wagons, das Echo unserer eigenen Verwunderung. Beim Dinner im Hotel lachen wir wieder laut, ausgelassen, beschwipst vom Abenteuer (und gutem Bier). Hier finden sich Freundschaften für's Leben - ich spreche aus Erfahrung.
Tag 3 - Postojna nach Opatija
Der Morgen ist kühl, Nebel umhüllt das grüne Hotelgelände. Ich liebe diese frühen Stunden - sie gehören niemandem, nur dem erwartungsvollen Kitzeln in den Fingern. An der kleinen Kapelle Petrinje halten wir inne. Die Mauern verraten uns die Antwort auf das heutige erste Rätsel. Lateinische Segenssprüche schmiegen sich in Stein geritzt um die Eingangstür. Wir rechnen, knobeln, doch ich verliere mich in den Gedanken an die Generationen, die hier gebetet haben, bevor ich überhaupt geboren wurde. Lateinische Segenssprüche schmiegen sich in Stein geritzt um die Eingangstür. Später erhebt sich das Kastel Petrapilosa vor uns, wild und majestätisch. Ich streiche über den rauen Stein, lese meinen Brief, entziffere die Aufgabe: den Wert eines Ritterlebens zu Zeiten der Ottomanen zu ermitteln. Und während ich suche, verstehe ich - manche Rätsel sind nur Vorwand. Eigentlich geht es um Achtsamkeit, Stehenbleiben und Innehalten. Als wir schließlich die Küste erreichen, ist es wie Aufatmen. Das Meer schimmert in allen Blautönen, die Sonne brennt auf die Haut, und das Salz bleibt an den Lippen. In Opatija sitzen wir am Abend am Wasser. Ich sehe in die Gesichter der anderen - erschöpft, zufrieden, ein Glänzen.
Tag 4 - Opatija nach Zadar
Heute riecht alles nach Meer. Der Fahrtwind trägt Salz, die Sonne brennt am Morgen, und die Straße klebt sich an die Küste wie ein Band aus Asphalt und Sehnsucht. Das erste Rätsel taucht vor einer alten Tankstelle auf - absurd unscheinbar. Wir blättern im Roadbook, zählen die versteckten Negroni-Gläser, die heute die Stundenzahl verraten sollen. Gar nicht so einfach, da sie gewitzt in die Karrikaturen entlang der Seiten eingearbeitet sind. Aber wir schlagen uns wacker und sitzen schon bald auf unseren zweirädrigen Rössern. Das Wetter spielt heute nicht in unsere Karten, also muss ab und zu die wasserdichte Hose her.
Später auf der Nehaj-Festung steht die Zeit still. Ich blicke aufs Meer, sehe die Zinnen, die Türme, zähle sie, wie die Aufgabe verlangt - doch was mich wirklich bewegt, ist der Blick selbst: diese unendliche Weite, dieses Gefühl, klein zu sein und doch Teil von etwas Großem.
Abends in Zadar begleitet uns Musik - die Meeresorgel spielt mit den Wellen. Es ist magisch und kaum zu glauben, dass dieses Geräusch die Bewohner jeden Abend in den Schlaf wiegt und Morgens auf's Neue begrüßt. Da kann man nur neidisch sein.
Tag 5 - Zadar nach Neum
Fünfter Tag. Ich wache früh auf, das Meer liegt ruhig, als wollte es uns Kraft schenken. Die Straße zieht sich zwischen Kiefern, Felsen und Sonne hindurch. An einem kleinen See - der erste Checkpoint. Ein Kreuzworträtsel. Ich beuge mich über den Zettel, Buchstaben, Linien, Geduld. Ein Moment, in dem der Lärm verstummt und nur noch Konzentration bleibt. Dann fällt die Lösung wie ein Stein ins Wasser.
Weiter nach Dubci. Hier bläst der Wind, rau und salzig. Nautische Flaggen flattern, wir entziffern Farben, Muster, Buchstaben. Das Meer spricht in Zeichen, und ich höre zu. Ich verstehe: Jede Welle, jeder Windstoß, jede Aufgabe hier draußen erzählt von Bewegung, Wandel, Rhythmus. Als wir Neum erreichen, bin ich müde - aber erfüllt. Ausruhen gibt es aber noch nicht, denn wir treffen uns alle in der kleinen urigen Stadtmitte zum Dinner. Ganz traditionell und rustikal suchen wir uns verschiedenste Gerichte vom Buffet aus. Die Teller füllen sich, dann endlich die Mägen und zum Schluss gibt es ein lautes Anstoßen und Jubeln - denn wir haben es bald geschafft.
Tag 6 - Neum nach Dubrovnik
Der letzte Tag. Ich starte den Motor. Heute geht es nicht ums Fahren. Es geht ums Ankommen - nicht nur geographisch, sondern innerlich. Die Straße windet sich entlang der Adria, Dörfer ziehen vorbei, Weinberge, alte Steinmauern. Ich denke an die ersten Stunden in Budapest, an die Rätsel, die Begegnungen, das Lachen. Viel zu schnell ging diese Zeit vorbei.
Das Ziel liegt in einem Weingut nahe Dubrovnik. Wir rollen ein, Gläser klirren, die Hitze flimmert über den weißen Schotter unter unseren Reifen. Ich steige ab, nehme den Helm ab, atme tief ein. Sonne, Wein, Freunde, Erleichterung. Es ist ein Sieg, ein Abschluss - und doch der Anfang vieler Freundschaften und warmer, nostalgischer Gespräche. Am Abend in Dubrovnik, als die Lichter über der Altstadt funkeln, sitze ich still am Fenster. Ich sehe hinaus, auf das Meer, das alles verbindet. Und ich weiß: Diese Reise wird bleiben. Nicht auf Fotos, nicht in Pokalen, sondern in mir.
Epilog - Das Vermächtnis
Sechs Tage, unzählige Kilometer, Rätsel, Momente. Die Balkan Rally 2025 war mehr als ein Rennen. Sie war ein Zusammenspiel aus Kopf und Herz, aus Geduld, Staunen, und dem Mut, den unberechenbaren Weg das Ziel sein zu lassen. Ich bin zurück, doch in mir rollt sie weiter - diese Rally aus staubigen Reifen, herzlichen Geschichten und dicken Umarmungen. Und vielleicht ist genau das ihr Geheimnis: Dass sie endet, aber nie wirklich vorbei ist.
Bericht vom 08.12.2025 | 522 Aufrufe