Elektroroller von Honda
Honda EM1 e
Honda startet die Offensive mit elektrischen Motorrädern und Rollern mit dem EM1 e. Wie fährt der kompakte Scooter? Hier der Test aus Oslo!
Ein wenig enttäuscht blickte mein Freund aus der Nachbarschaft als ich ihm von meinen Plänen in Oslo berichtete. Er war spektakuläre Antworten gewohnt als er beim Smalltalk auf der Straße fragte "Was darfst Du den bei Deiner nächsten Reise testen?". Normalerweise kommen von mir da irgendwelche prächtigen Antworten. Einmal war es die Africatwin in Südafrika, dann die Fireblade in Qatar. Diesmal nur so ein kleiner Roller?
Doch für mich ist dieser Test wichtig und spektakulär. Endlich startet auch der größte Motorradhersteller der Welt mit der Massenproduktion von elektrisch motorisierten Zweirädern. Den Anfang macht der EM1 e. Ein kompakter Scooter der für Mobilität auf kurzen Strecken sorgen soll. Er siedelt sich also überhalb der bekannten und für viele etwas nervigen e-Scooter an aber unterhalb der Liga in der Honda mit diversen 125er Modellen sehr erfolgreich ist. Man kann ihn also mit klassischen 50 ccm Modellen vergleichen. Vermutlich steht er aber auch in Konkurrenz mit E-Bikes. Diese dürfen zwar nur 25km/h schnell fahren, können dafür aber auf Radwege ausweichen. Auf der anderen Seite sind hochwertige E-Bikes meist noch teurer als E-Roller. Der Roller ist jedoch keine Alternative zu einem 125er Roller. Das ist definitiv eine andere Liga und Honda wird hier in den kommenden Jahren ein passendes Produkt anbieten.
Ich kenne die Welt der e-Mobilität aber auch die Welt der E-Roller auch aus persönlicher Erfahrung. Mit meinen bisherigen Elektroautos bin ich sehr zufrieden. Schon seit mehr als 5 Jahren tanke ich Strom und das passt wunderbar für mich. Bei den E-Rollern war ich bisher noch nicht restlos überzeugt. In meiner Heimatgemeinde gibt es leider seit Jahren keine Tankstelle mehr. Insofern bevorzuge ich aus pragmatischen Gründen jene Verkehrsmittel, die ich an meiner Steckdose mit Nachschub versorgen kann. Doch die Qualität der angebotenen Produkte hat mich bisher nicht überzeugt. Offenbar ist der Preis der Akkus so hoch, dass die Hersteller bei sämtlichen anderen Komponenten sparen müssen, um mit den Benzinern einigermaßen Schritt halten zu können. Die Entwicklung spielt den Elektrofahrzeugen nun an mehreren Fronten in die Hände. Einerseits werden auch Benziner immer teurer und die steuerlichen Rahmenbedingungen sind für Elektrofahrzeuge großteils attraktiver. Auf der anderen Seite gingen die Entwicklung und die Produktionszahlen bei Elektrofahrzeugen nach oben.
Honda EM1 e - Sehr guter erster Eindruck
Insofern war der erste Eindruck vom Honda EM1 e sehr positiv. Das glatte Design wirkt anständig und das Fahrzeug wirkt sehr aufgeräumt. Die LED Blinker sind in die Verkleidung integriert, sämtliche Schalter, Hebel und Bedienelemente machen einen vollwertigen Eindruck. Hier steht ein Produkt eines echten Motorradherstellers. Die Bedienelemente sind erfrischend übersichtlich. Es gibt 2 Bremshebel wobei die Hinterbremse als Kombibremse sogar einen Teil der Bremskraft nach vorne schickt. Dieses Feature findet sich normalerweise nur bei größeren Rollern und Motorrädern. Im Cockpit befindet sich eine USB Buchse sowie ein kleiner Haken für ein Einkaufssackerl. Mittels Wipptaste kann man den ECO Modus auswählen. Damit lässt sich die Reichweite von rund 40km auf rund 48 km steigern. Für erwachsene Menschen mit 75kg ist diese Option jedoch offen gesagt nicht empfehlenswert. Es sei denn, man möchte den Weg von der Arbeit nach Hause bewusst zur Entschleunigung nutzen.
Endlich ein Moped-Roller mit einem stabilem und sicherem Chassis
Der gute Eindruck des Fahrzeuges bestätigt sich auch auf den ersten Metern. Der Elektromotor spricht seidenweich an und ist wunderbar einfach zu dosieren. Das Fahrzeug ist super zugänglich und sehr einfach zu fahren. Die Bremse dosiert die Bremskraft sehr präzise und feinfühlig, bietet aber auch genug Reserven bei energischen Bremsmanövern. Der größte Unterschied zu Billigprodukten ist einerseits die gute Regelung des Motors aber auch das gute Chassis. Hier wurden offenbar klassenunüblich hohe Ansprüche gestellt. Die Stabiltät ist auch bei herausfordernden Situationen sehr gut. Der kleine Flitzer ist auch in flotten Kurven stabil und lässt sich auch von Straßenbahnschienen nicht in Bedrängnis bringen. Das Vorderrad misst 12, hinten ist ein 10 Rad montiert. Dieses Fahrzeug ist eine ganz andere Liga als klassische Billigroller welche man oft in Mietflotten findet. Auch als erfahrener Motorradfahrer fühlt man sich sicher und benützt den EM1 e gerne.
Am Papier wirken die 90Nm Drehmoment sehr eindrucksvoll. Man muss jedoch sagen, dass die Beschleunigung des Fahrzeuges sehr zugänglich und unspektakulär ist. Das Fahrzeug lässt auf geraden Strecken 45-50 km/h zu. Das Beschleunigungsverhalten erinnert dabei an einen klassischen 50ccm Benzinroller. Der e-Motor präsentiert sich im EM1 e also nicht als freudenspendendes Beschleunigungsmonster sondern als zugängliches Vortriebsinstrument.
Klarerweise schenkte ich dem Thema Reichweite große Aufmerksamkeit. Laut WMTC Messzyklus lassen sich 30km erzielen. In der Praxis dürfte dieser Messzyklus für diese kleinen Cityflitzer nicht ganz passend sein. Bei unserer Testrunde bei frühlingshaften Temperaturen erwiesen sich 40km als realistischer Wert. Die Honda EM1 e wiegt 95kg und bietet dabei 180 km Zuladung. Das 10kg schwere Akkupack lässt sich rasch und unkompliziert aus dem Heck nehmen. Ich habe beim Test das Akkupack insgesamt 15 x demontiert und wieder montiert. Einerseits um verschiedene Blickwinkel filmen zu können. Auf der anderen Seite aber auch um die Steckverbindung zu testen. Der gesamte Mechanismus wirkt sehr robust und gut durchdacht. Auch das Akkupack ist ein solides und hochwertig wirkendes Teil. Honda geht davon aus, dass die zukünftigen Nutzer dieses Fahrzeuges das Akkupack aus dem Fahrzeug nehmen und zum Laden mit in ihre Wohnung nehmen. In der Wohnung platziert man das mitgelieferte Ladegerät. Um den komplett leeren 1,48kWh Akku von 0 auf 100% zu bringen sind 6 Stunden an einer normalen Steckdose nötig. Um von 25% auf 75% zu kommen reichen 160 Minuten. Auch wenn der gesamte Mechanismus super funktioniert und so aussieht als wäre er für die Ewigkeit gemacht - für mich persönlich wäre eine andere Lösung besser. Als Hausbesitzer würde ich das Fahrzeug gerne in meiner Garage laden und dabei einfach mit einem Kabel vom Fahrzeug zur Steckdose arbeiten. Doch als Zielgruppe sieht man vermutlich eher den urbanen Nutzer oder die urbane Nutzerin für kurze Strecken in der Stadt. Auch bei einem anderen Thema trifft Honda wahrscheinlich den Geschmack der Zielgruppe aber ist nicht ganz auf meiner Linie.
Wie viel kostet der Honda EM1 e?
Das Fahrzeug wird ausschließlich in einer Leasingvariante angeboten. Die Kosten sollen sich auf 80-100 Euro / Monat belaufen. Details dazu folgen in den kommenden Wochen. Honda will dem Kunden die Verantwortung für die Entsorgung der Batterie abnehmen und möchte das Fahrzeug am Ende der Nutzungsdauer gerne wieder zurückhaben. Ein nobler Ansatz - ich selbst würde das Fahrzeug jedoch einfach gerne kaufen und mich dann an den extrem niedrigen laufenden Kosten erfreuen. Denn Versicherungskosten, Wartungskosten und Stromkosten für das Teil sind quasi vernachlässigbar.
In den meisten europäischen Ländern darf man das Fahrzeug mit dem B Führerschein ohne weitere Prüfung oder Kurs fahren. Klarerweise jedoch auch mit einem AM Führerschein welcher zum Beispiel in Österreich mit 15 Jahren genützt werden kann. Für junge Menschen wirkt das Fahrzeug wie viele Roller möglicherweise etwas uncool. Als leidgeprüfter Vater weiß ich natürlich, dass coole Jungs und Mädels am Land aktuell auf 50ccm Supermotos und Enduros stehen. Als leidgeprüfter Vater weiß ich aber auch, dass man dabei immer wieder die Werkzeugkiste auspacken darf. Insofern werde ich natürlich versuchen meinem zweiten Sohn dieses Fahrzeug schmackhaft zu machen. Einerseits macht der Roller auf mich einen sehr sicheren Eindruck und auf der anderen Seite hab ich hier null Aufwand in Sachen Fahrzeugbetreuung. Für die Kinder entfällt jedoch eine der beliebtesten Einkommensquellen. Die beliebte Schnorrerei nach Benzingeld bei Oma, Opa und Eltern fällt somit weg.
Doch möglicherweise gestaltet sich das Thema in der Stadt anders. Auch wenn Honda mit dem Roller eher junge Menschen ansprechen möchte, sehe ich auch erfahrene Personen als Zielgruppe. Jene Leute welche die Qualität der Marke Honda schätzen und ein Fahrzeug für Strecken zwischen 5-10 km pro Richtung suchen.
Honda teilt das Schicksal mit anderen Herstellern von Elektrorollern. Man vergleicht das Fahrzeug mit aktuell verfügbaren Benzinrollern der gleichen Leistungsklasse. Hier bieten aktuell die Benziner das bessere Preis / Leistungsverhältnis. Erst bei einer langfristigen Betrachtung der Kosten schwingt das Pendel mehr in Richtung Elektrofahrzeug.
Ganz anders können hier die Anbieter von Elektro-Fahrrädern agieren. Hier wird gefühlt viel weniger Technik auf einem viel tieferen Qualitätsniveau angeboten. Als Motorradfahrer kann man bei den aufgerufenen Preisen von Elektro-Fahrrädern nur staunen - angesichts der Verkaufszahlen dürften diese Preise für die meisten Kunden jedoch kein Problem sein.
Schon 10.000 Fahrzeuge auf den Straßen!
Grundsätzlich ist das Fahrzeug für Honda kein Neuland. Einerseits hat man im Konzern schon jede Menge Erfahrung mit diversen hybriden Fahrzeugen und E-Autos gesammelt. Auf der anderen Seite sind in Asien schon rund 10.000 Fahrzeuge unterwegs, welche auf dem EM1 e basieren. Diese werden bei Lieferdiensten mit 2 und 3 Rädern eingesetzt. Dort hat man auch schon Erfahrungen in Sachen Haltbarkeit gemacht. Honda verspricht 2.500 Ladezyklen.
Honda EM1 e - Praxistaugliche Testrunde in Oslo
Die Sitzhöhe des Scooters beträgt 740 mm. Wie auf den Fotos zu sehen ist, ist man auch mit 185 cm noch komfortabel unterwegs. Ich konnte enge Kehren fahren ohne dass der Lenker an die Knie schlägt und im Fahrbetrieb fühlt man sich wohl und keinesfalls deplatziert. Honda nimmt das Thema offenbar sehr ernst und hat uns auf eine wirklich praxistaugliche Testrunde geschickt. Wir fuhren durch die Innenstadt von Oslo. Die Asphaltqualität war zwar sehr gut, doch es gab einige Bremshügel und auch einige Straßenbahnschnienen. Außerdem wurde ein Abstecher zur Flugschanze am Holmenkollen mit eingebaut. Die Auffahrt hin zur Schanze war steil doch der Roller brachte uns alle sicher nach oben. Beim Runterfahren vermisst man als Liebhaber von E-Fahrzeugen eine Rekuperation. Diese ist nicht an Bord. Klar ist der Vorteil bei einem leichten Fahrzeug wie dem EM1 e überschaubar. Aber es fühlt sich einfach besser an den Akku zu laden, als die Bremsscheibe zu erwärmen. Doch trotzdem überwogen bei der Bergabpassage die positiven Gefühle. Auch in den langen und flotten Kurven blieb der schnuckelige Honda Roller stabil und spendete Vertrauen.
Kaum Stauraum unter der Sitzbank - Dort macht sich die Batterie breit!
Wie bei einigen anderen Elektrorollern auch, verliert der Honda Roller durch die Batterie den begehrten Stauraum unter der Sitzbank. Zurück bleibt bloß ein kümmerliches 3 Liter Abteil für einen Mini-Einkauf oder eine kompakte Regenjacke. In der Praxis werden die meisten Interessenten vermutlich ein Topcase mitbestellen.
Die Location wurde von Honda insgesamt auch gut gewählt. Der Anteil von Elektrofahrzeugen in der Stadt ist sehr hoch. Selbst im Hafen ist es gespenstisch ruhig. Denn auch die Fähren und Boote setzen zum großen Teil auf elektrischen Antrieb. In der Stadt herrscht eine angenehme Geräuschkulisse und man gleitet wunderbar ruhig durch die sauberen und aufgeräumten Straßen und Gassen. Honda hat mit dem EM1 e einen anständigen Anfang gemacht. Das Fahrzeug wird im Winter 2023 / 2024 an die Händler geliefert und kann ab Frühjahr 2024 von den Endkunden auf den Straßen bewegt werden.
Elektromotorräder und Roller auf 1000PS
Fazit: Honda EM1 e 2023
Der erste Elektroroller von Honda wirkt gut gemacht. Er hat gute Bremsen, eine anständiges Fahrwerk und bietet Stabiltät und Sicherheit. Es ist ein vollwertiges Fahrzeug in der kleinsten Fahrzeugklasse. Der Motor spricht makellos an und das gesamte Fahrzeug ist spielerisch einfach zu bedienen. Aus technischer Sicht ist das Fahrzeug in der 50ccm Klasse ein empfehlenswertes Produkt. Ein „normaler“ Kauf ist jedoch aktuell nicht möglich. Honda bietet das Fahrzeug aktuell ausschließlich in einer Leasing-Option an.- Tolle Gasannahme
- sehr zugängliches Fahrzeug
- stabiles Fahrverhalten
- Anständige Bremsen
- Überdurchschnittliche Gesamtqualität im Vergleich zu anderen Produkten in dieser Kategorie
- Sehr einfache Bedienung
- gut integrierte Blinker sorgen für eine super schlange Gesamterscheinung
- sehr kleiner Stauraum unter der Sitzbank
- Garagenbesitzer mit Steckdose vermissen eine Plug-In Ladelösung
- keine Rekuperation
Bericht vom 31.07.2023 | 21.208 Aufrufe