KTM EXC Enduro 2024

Wir testen die neue KTM Enduro Generation

Mit der Präsentation der 2021er Modelle hätte man meinen können, der Zenit des Machbaren sei erreicht. Die Modelle funktionieren nahezu perfekt und haben sich bis dato tausendfach bewährt. Von diesem Ausgangspunkt jetzt weitere Verbesserungen für das MJ 2024 zu finden war für mich nicht vorstellbar. Ich gebe zu, ich habe mich getäuscht.

Afrika gilt ja bekanntlich als Wiege der Menschheit, Lesotho hingegen kann getrost als Wiege des Enduro Sports bezeichnet werden. Seit 1963 findet im Königreich die legendäre Roof of Africa statt. Durch seine überdurchschnittliche Höhenlage (die Hauptstadt Maseru liegt auf 1600m) wird Lesotho auch Königreich im Himmel genannt. Für KTM ist das der passende Ort, um die neue Generation ihrer Wettbewerbs Enduros auf den Abschnitten der Roof vorzustellen.

Wie schon Eingangs erwähnt, war die "Alte" EXC Generation eigentlich close to perfect. Das sahen die KTM Entwickler allerdings etwas anders. 95% des Motorrades sind neu - was nach klassischem Marketing BlaBla klingt, stimmt aber wirklich. Die 2024er EXC sind im Aufbau und der Geometrie total neu und somit auch komplett anders zu fahren.

KTM EXC EXC-F 2024 - die Neuerungen:

Beginnen wir mit den allgemeinen Updates, die alle Modelle betreffen. Eine der vielen Neuerungen betrifft den Hauptrahmen. Die neuen Rahmen sind Hydrogeformt und robotergeschweißt. Bei der Entwicklung wurde sehr viel Wert auf die Verwindungssteifigkeit gelegt. Neu ist auch, dass es mittlerweile nur mehr 3 verschiedene Rahmen statt der bisherigen 4 gibt. Was nach einer klassischen Einsparung klingt, lässt sich relativ schnell erklären. Bisher waren durch die verschiedenen Motor-Plattformen auch immer verschiedene Montagepunkte notwendig. Diese veränderten allerdings dann wieder die Steifigkeit des Rahmens. Nun haben alle Viertakter die selben Montagepunkte und dieselbe Steifigkeit.

Neu sind auch die Montagepunkte für die Fußrasten. Die sind nun 6 mm tiefer und näher zur Fahrzeugmitte angesetzt. Diese kleine Änderung hat aber große Auswirkungen. Die neue Fußstellung bildet eine kleine Mulde, in der man sich mit den Füßen etwas "verstecken" kann, das fühlt sich ein klein wenig wie eine safe zone an, in der nix passieren kann. Ich denke jeder kennt das, wenn man etwas zu knapp an einem Baumstumpf vorbei fährt und plötzlich der Fuß von den Rasten gerissen wird. Das sollte nun der Vergangenheit angehören, zusätzlich hat man mit der neuen Position eine bessere Fühlbarkeit des Motorrades.

Komplett neu ist auch der Heckrahmen. Der Alurahmen wird nun von einem Alu/Composite Rahmen abgelöst. An dieser Stelle möchte ich meine anfänglichen Bedenken äußern. Der alte Rahmen hat sich bei einem Sturz zwar oft mal verbogen, meistens könnte man dann aber weiterfahren und den Rahmen im Lager mit einem Präzisionswerkzeug a'la Vorschlaghammer wieder halbwegs gerade richten. Mit einem Kunststoffrahmen ist nach einem heftigen Sturz aber oftmals dann Ende im Gelände. Bei der genauen Betrachtung des Rahmens verflogen allerdings meine anfänglichen Zweifel. Die Befestigungspunkte sind allesamt in Alu gehalten, welches dann von dem Kunststoff umschlossen wird. Belastungstests mit heftigen Schlägen haben gezeigt, dass der Alu Rahmen nach einem Schlag verbogen bleibt, während der Neue dann wieder in die Form zurückgeht.

Das neue Federbein, auf das ich im Anschluss zu sprechen komme, erfordert auch eine neue Schwinge. Wie bei allen anderen Elementen ist auch hier kein Stein auf dem anderen geblieben. Auf den ersten Blick sieht sie zwar ähnlich aus, ist aber bei genauerer Betrachtung komplett neu. Zum ersten Mal wurde auch der Achsdurchmesser des Hinterrades von 20 auf 22m geändert. Alte Reserve Felgen können zwar weiterverwendet werden, müssen aber mit Hülsen adaptiert werden.

Das Fahrwerk der neuen KTM EXC 2024

Einen eigenen Bericht könnte man zum Thema Fahrwerk verfassen. Ich versuchs trotzdem in einen Absatz zu pressen. An der Front arbeitet nun eine XACT 48 mm Gabel natürlich aus dem Hause WP. Diese Gabel ist zwar neu, wird aber dem einen oder anderen aus dem bisherigen WP Aftermarket Katalog bekannt sein. Die Gabel ist in der Länge um gut 2 cm auf 940 mm gewachsen. Das wirkt sich natürlich auch auf den Federweg aus, der nun satte 300 mm beträgt. Ebenso neu ist das Federbein, hier fallen gleich mal die neuen Befestigungspunkte auf. Schwingenseitig sind die selben Lager und Dichtringe wie Rahmenseitig verbaut, was der Servicefreundlichkeit dient. Während die Gabel länger wurde, hat man das XPLOR PDS Federbein um 12 mm eingekürzt. Auch der Federweg wurde um 2 mm eingekürzt. Nötig wurde dies durch die neue Geometrie des Rahmens. Bemerkbar macht sich der eingekürzte Federweg aber nicht. Im Fahrbetrieb hat das Fahrwerk voll überzeugt. Ich habe zu Beginn immer das Problem mit Arm Pump. Auf unserer 120 km langen Tour ging es zu Beginn gleich richtig zur Sache mit steinigen Auffahrten und flotten Abfahrten, aber Arm Pump - Fehlanzeige, nichts davon zu spüren. Die Gabel spricht sehr gut an, dämpft Schläge gut ab und liefert dabei immer gute Rückmeldung. Richtig mächtig ist auch der neue Hydro Stop an Gabel und Federbein, dabei wird im letzten Drittel das Öl zusätzlich nochmals komprimiert. Dadurch wird das Eintauchen verlangsamt. Vereinfacht gesagt wirkt das wie ein Gummipuffer, der das Durchschlagen verhindert. Wir hatten auf unserer Tour einige Situationen, in der das alte Fahrwerk definitiv durchgeschlagen hätte, doch die WP Teile haben hervorragende Arbeit geleistet. Ich lehne mich nicht zu weit hinaus wenn ich sage das Fahrwerk der EXC 2024 zählt zu den besten die ich je fahren durfte.

Die Motoren

Ebenso umfangreich sind die Änderungen an den Motoren, sowohl 2T als 4T sind komplett überarbeitet worden. Bei den Zweitaktern heißt es nun TBI statt TPI. Durch die Throttle Body Injection wird der Treibstoff nun wie bei den Viertaktern über zwei Düsen im Ansaugkanal eingespritzt. Die zweite große Neuheit ist die elektronische Auspuffklappensteuerung. Die ermöglicht es den Entwicklern die Charaktere der Bikes noch besser mittels Software anzupassen. Apropos angepasste Software, was sich bei den Neuerungen meist recht unspektakulär liest, bedeutet für die Entwickler und die Tester massig Arbeit. In ein einzelnes Mapping laufen mehrere Tausend Stunden Arbeitszeit rein. Nun, wie beschreibt man etwas, das vorher schon sehr gut war und jetzt noch besser ist? Vielleicht genau so. Wir starteten bei unserer Testtour mit den Zweitaktern. Der erste Fotostopp war nach einer halben Stunde Fahrzeit eingeplant. Dort war auch die erste Möglichkeit, sich mit den anderen Journalisten auszutauschen - die Meinung war einhellig. Egal ob 150 oder 300 TBI macht das Motorrad, um es mit einem Wort zu sagen "Vollkommen", das Ansprechverhalten, die Sensibilität, der Durchzug sind nun perfekt. Ähnlich viel hat sich bei den Viertaktern getan, die EXC-F 250 hat nun weniger Hub und eine größere Bohrung. Der Motor wird somit nochmal kompakter und handlicher. Über die ganze Viertakt Palette hinweg wird nun das Gleiche 6 Gang Getriebe verbaut. Neu beim Getriebe ist auch etwas von dem ich nicht wusste, dass ich's brauche. Alle EXC-F Modelle sind nun mit einem Upshift Quickshifter ab dem zweiten Gang ausgestattet. Die Gänge springen nun deutlich schöner rein und einen blockenden Gang gibt es defacto nicht mehr.

Kurz möchte ich auch noch auf die Ergonomie der neuen EXC eingehen. Durch die schon eingangs erwähnte neue Fußrasten-Position verändert sich natürlich auch die Fußstellung. Man steht nun deutlich geschlossener am Bike als vorher - ist quasi ins Motorrad integriert. Damit fühlt man das Bike besser und hat auch mehr Kontrolle darüber.

Ich habe zwar schon irgendwo über den Punkt Geometrie geschrieben, bin aber nicht näher darauf eingegangen. Bei der Präsentation fiel der mir neue Begriff Anti Squat. Das bedeutet schnell erklärt, dass die Geometrie so gestaltet wird, dass mehr Druck aufs Vorderrad kommt. Durch die neue Geometrie wurde dieser Effekt verstärkt, zusätzlich unterstützend kommt die etwas schwerere Gabel hinzu. Waren die alten EXC's noch richtige PlayBikes mit einem sehr leichten Vorderrad, muss man bei den neuen schon ziemlich am Kabel ziehen um das Vorderrad in die Höhe zu bekommen. Dieser Effekt hilft in extrem steilen Sektionen, da das Vorderrad länger am Boden bleibt und nicht frei in der Luft herumtänzelt.

Über alle Bikes hinweg lässt sich sagen, der EXC Jahrgang 2024 ist in Summe deutlich stimmiger geworden. Das Fahrwerk funktioniert sehr gut in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen. Noch dazu ist es nun Werkzeuglos einstellbar. Die neuen Motoren sind allesamt ein Schritt vorwärts. Wobei bei den Redakteuren fast einstimmig die EXC 250 bei den Zweitaktern die Nase vorne hatte und die EXC-F 350 sowie auch die EXC-F 500 bei den Viertaktern die interne Redaktionswertung gewannen. Die Geometrie und das Fahrverhalten sind wohl der gravierendste Unterschied zu den alten Modellen. Auch wenn es anfänglich noch eher ungewohnt wirkt, man wächst schnell in dieses neue Fahrverhalten und kann somit auch die Vorteile nutzen.

Auf den Spuren der Roof

Abgehalten wurde die Präsentation auf Streckenabschnitten der Roof of Africa. Hier wurde auch schnell klar, warum die Roof zurecht zu den härtesten Extrem Enduro Veranstaltungen gezählt wird. Steinige Auffahrten, riesige Felsplatten und eine riesige Auswahl an schweren bis unfahrbaren Sektionen. Schwer beeindruckend ist auch die wundervolle Landschaft beginnend in den Midlands mit ihren kleinen Canyons bis zu den Highlands, den Wasserfällen sowie die unzähligen Flussdurchfahrten. Ganz speziell sind auch die Menschen dort. Egal wie weit man im Nirgendwo ist. Es dauert keine 2 Minuten, wenn man mit dem Bike pausiert und schon kommen aus allen Ecken lachende Kinder, die fragen, ob man Hilfe braucht, oder einfach nur abklatschen wollen. Wir wurden während der Präsentation von LiveLesotho beguided, die Jungs waren in 2022 auch Veranstalter der Roof. In ihrem Programm bieten sie auch beguidete Touren an. Schaut einfach mal rein auf LiveLesotho.

Bericht vom 28.05.2023 | 18.504 Aufrufe

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