Duc Streetfighter 848

Zusammen geh'n. Um mit dem Streetfighter zu harmonieren, muss man ihn verstehen lernen.
DUCATI Streetfighter 848 2012
 

Ducati Streetfighter 848

Wenn's mit dem Großen nicht funktioniert, muss man sich einen Kleineren suchen.
 

Ich durfte den ersten Einsatz einer Ducati Streetfighter auf der Rennstrecke live miterleben, in der zugegeben etwas exklusiv besetzten Naked-Klasse der Ducati Challenge (wer mitfuhr, stand fast immer am Stockerl). Schon im ersten Trainingsturn lag die mit Gold und Carbon behangene Edelprostituierte aus Italien im Schotter. Der berühmt-berüchtigte Steuermann, den alle nur ehrfürchtig The General nennen - was zwar auf seine Profession schließen lässt, aber auch alles ist, was man über ihn wissen darf, wenn man sein Leben fortsetzen möchte - kommentierte das Missgeschick gewohnt kühl, nüchtern, aber auch befriedend mit den Worten: I bin no net ganz mit ihr zsammkommen, aber es wird schon.


Superbike ohne Verkleidung haben fertig.


Bei einem Sturz mit einer nagelneuen Duc am Saisonanfang wird es natürlich nur noch was, wenn man zwei Dinge in ausreichender Menge zur Verfügung hat, nämlich Geduld und Geld. Da ich weiter auf der Suche nach beidem bin und nach einer grenzwertigen Probefahrt mit dem Streetfighter auf öffentlichen Straßen feststellen musste, dass man mit diesem Motorrad näher am finanziellen und nervlichen Zusammenbruch ist, als mit den meisten anderen Ausgeburten der Hölle da draußen, stellte ich es vorsichtig wieder zurück, um es tatsächlich für Jahre nicht mehr anzurühren. Wie viele andere, die nun verängstigt in einer Garagenecke kauerten, machte auch ich den Fehler, das Extrem Streetfighter von der mit der S4RS zu Ende gedachten Idee eines Über-Monsters abzuleiten. In Wahrheit aber lag dem neuen Nakedbike ein gänzlich neuer Ansatz zugrunde. Eine Basis, deren Wurzeln nicht im Boden, sondern in der Krone zu finden waren. Die Basis Superbike.

DUCATI Streetfighter 848 2012

Eine Streetfighter fährt man anders als eine Monster.  Angriffslustiger, abhängender, ärger.


Schlicht und radikal.


Die Bologneser sind Freunde einfacher Gedanken. Rot fällt auf. Laut auch. Und schnell sowieso. Und schon wird drauflos geschraubt. (Gelb fällt übrigens auch auf.) Ähnlich simpel wie zielführend muss es beim Streetfighter gewesen sein: Wie wenig darf ich einem Supersportler wegnehmen, damit er als Nakedbike durchgeht? Verkleidung? Ein klares Ja. O.K., ich glaube wir sind fertig. Da bleibt dann viel Zeit für den nächsten Espresso. Scheint schlicht, ist aber vor allem eins: Radikal.

Vielleicht wären der Streetfighter und ich niemals zusammengekommen, wenn die Italiener noch eine zündende Idee gehabt hätten. Denn nach der Einführung der 848 mussten sie wieder nur einen Millimeter weiterdenken und kamen noch vor dem Primo Piatto einstimmig zu dem Schluss: Wir bauen das Große auch in kleiner. Auch die Geburt des kleinen Streetfighters war recht unspektakulär, aber er sollte meine Welt verändern. Wenn man die zwei schlagkräftigen Schwestern vergleicht und beim Big Brother beginnt, wirkt der Kleine wirklich klein. Denn während es die S Version des großen Fighters mit seinen 155 PS aus 1099 Kubik Hubraum mit praktisch jedem Leistungsschwergewicht auf der Straße aufnehmen kann, hat es der 848er mit ordentlichen, aber nicht außergewöhnlichen 132 PS aus exakt 849,4 Kubik mit einer ganzen Horde an gleichstarken Mitstreitern zu tun. Sogar zwei Kilo mehr Speck als der Erstgeborene schleppt der trocken 169 Kilo schwere Kleine mit sich rum. Stellt sich die Frage, wozu wir ihn dann überhaupt brauchen? An dieser Stelle bitte ich einfach um bedingungsloses Vertrauen wir brauchen ihn!

DUCATI Streetfighter 848 2012

Radialer Bremszylinder, radiale Vierkolbenzangen und 320er Scheiben.

DUCATI Streetfighter 848 2012

Gelb, aber kein Öhlins. Doch auch mit Sachs und Marzocchi eine großartige Performance.


Wozu eigentlich?


Die Geometrie blieb fast zur Gänze gleich. 24,5° Lenkkopfwinkel, breitere Fußrasten, 20 mm höherer Lenker 2.120 mm lang, 890 mm breit mit einem Radstand von 1.475 mm. Und der Allerwerteste wartet auf einer Sitzhöhe von moderaten 840 mm auf seine gerechte Strafe. Optimiert wurde nur im Detail. So hat man den Lenker um 20 mm höher gesetzt, wodurch man nicht mehr ganz so aufgespannt sitzt wie auf einem Superbike. Auch die verbreiterten Fußrasten machen abseits der Rennstrecke mehr Sinn und bieten erhöhten Komfort. Schließlich ist der Lenkkopfwinkel mit 24,5° nun etwas steiler.

Die S fährt auf Öhlins, die 848 auf Marzocchi (43 mm, 127 mm Federweg) und Sachs (127 mm Federweg), und das ist gut so. Denn erstens teilen sie sich den ChroMoly Stahlrohrrahmen und zweitens braucht kein Mensch Öhlins auf der Straße, so gut das Zeug auf der Rennstrecke auch funktionieren mag. Das Fahrwerk der 848 verzeiht mehr, geht Kompromisse ein, die man beim Schwedengold nicht finden wird. Benutzerfreundlicher könnte man es nennen.

 

Optimiert im Detail.


Selbiges gilt für die Bremsen. Statt 330er Scheiben kommt man mit 320er aus, die immer noch eine imposante Performance bieten, vor allem was die Transparenz betrifft. Man kann weniger Fehler machen, durchschaut die 4-Kolben-Radial-Bremszangen mit Radial-Bremszylinder von Brembo zudem schneller und kann sie effektiver nutzen. Ich war immer schon ein Bremser, also ein Fan des Anbremsens, was mir ebenso viel Spaß machen kann wie das Beschleunigen aus der Kurve, vor allem, wenn man bis in den Scheitel über den Verzögerungsstatus voll im Bilde ist und jeden Millimeter mehr oder weniger am Hebel deutlich spürt. Langsam wachse ich mit dem kleinen Streetfighter zusammen (no Homo) und beginne ihn ganz wahrzunehmen und zu verstehen. DUCATI Streetfighter 848 2012

Ich war immer schon ein Bremser.


Klingt alles sehr harmonisch, ist es aber nicht immer. Beim Anstarten kommt auch bei diesem Modell oft nicht mehr als ein heiseres Hüsteln. Man muss der Diva schon durch mehrmaliges Drücken des Startknopfes beweisen, dass man auch wirklich starten will. Ebenso zickig gibt sie sich bei niedrigen Drehzahlen resp. in einem zu niedrigen Gang. So ruppig scheppert und schiebt sonst kein anderes Modell am Weltmarkt, es funktioniert dann praktisch nicht mehr. Das sind die fast 100%ig vererbten Superbike-Gene; fahr sie richtig, oder fahr etwas Anderes. Du musst nur kurz die Augen schließen, tief durchatmen und dir bewusst werden, dass du nicht auf einem Nakedbike, sondern auf einem Streetfighter sitzt. Dann werdet auch ihr zusammenfinden.

DUCATI Streetfighter 848 2012

 

Technische Daten Ducati Streetfighter 848


Interessante Links:

Text: kot
Fotos:
1000ps
 

Fazit: Ducati Streetfighter 848 2012

Das sind die fast 100%ig vererbten Superbike-Gene. Man muss sich bewusst werden, dass man nicht auf einem Naked Bike, sondern auf einem Streetfighter sitzt. Dann fühlt man sich wohl.


  • Komfortabler
  • angenehme Sitzposition
  • verbreitete Fußrasten.
  • Hohes Gewicht
  • Auftreten recht unspektakulär
  • hoher Anschaffungspreis
  • teilweise unharmonisch und zickig.

Bericht vom 20.05.2012 | 35.704 Aufrufe

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