Harley Davidson Street Glide
The Hammerhead
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Fahrt ins Blaue
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Als ich nach langer Zeit wieder beim Wiener
Harley Händler Fischers vorstellig wurde zwecks Probefahrten, traf ich
den Stephan. Er ist unter anderem für die Ausgabe der
Testmotorräder zuständig.
Ich kannte Stephan noch (obwohl ich ihn fast
nicht er-kannte). Er mich nicht mehr. War auch kein Wunder, ich hatte ihn nämlich vor einem Jahr beim Buell
Testtag gesehen und mir seinen Anblick gut eingeprägt. Er hatte beide
Arme in Gips gelegt und schleppte seinen vielfältig lädierten Körper mühsam auf
zwei Krücken durch die Gegend, denn auch ein Bein war ganz in schwerem Weiß
gekleidet. Ein Sprung beim Freestyle-Motocrossen hatte ein unerwünschtes
Ende genommen. Seine Worte werde ich nie vergessen: 'I scheiss drauf. Ab
jetzt nur mehr Harley.' Diesem Vorsatz ist er treu geblieben und gondelt
seither auf einer bösen 96er Dyna Super Glide gefahrlos durch die
Großstadt. Te Quiero Puta! - Ich liebe dich, du H.....arley. Auch ich kann am Motorrad nur dann völlig
angstfrei entspannen, wenn ich auf einer Harley sitze. Auf allem anderen
kann ich nicht ruhig bleiben, fürchte den Übermut und den Sturz. Eine
Harley Street Glide war diesmal reserviert, ein Schlachtschiff. Eine
drittel Tonne schwer, ein Windschild wie ein Schneepflug,
quadratmeterweise Chrom und allerhand Knöpfe und Armaturen, die einer
kleinen Einweisung bedurften, die mir Stephan bereit war zu geben. 'Das
ist jetzt nicht mehr original'
Nach all den Erklärungen und Warnungen, bei denen ich
sowieso nicht zuhörte, kam er endlich
zum G-Punkt jedes Motorrads - dem Startknopf. Dem vollkommen
nüchternen Hinweis 'Das ist jetzt nicht mehr original' folgte das schwere
Husten eines lungenkranken 300-Kilo Mannes und kurz darauf bestand die
Geräuschkulisse nur noch aus dem ungefilterten Hämmern des
Ein-Einhalb-Liter Motors, alles andere war ausgeblendet. Genau hinter den beiden
Kanonenrohren stand meine Freundin, die wie von einer Turbine angeblasen
einen Satz rückwärts machte. Wo viel Luft rein kommt , muß sie eben auch wieder raus.
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Der Stephan: Harte Schale, weiche Birne.
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Eins war jetzt schon klar. Ich werde den Harman
Kardon MP3 Player und das Radio nicht brauchen, obwohl das irrsinnig
laut geht, das muß man schon sagen. Nur haben nicht mal diese Stereo
Boxen irgendeine Chance gegen den offenen Screamin' Eagle plus Luftfilter.
Der röchelt, spuckt, hustet, röhrt, hämmert und brüllt, daß in den
Ohren kein Platz mehr für Nebengeräusche ist. Horch,
was kommt von draussen rein
Ich hab mir augenblicklich in die Rüstung gemacht.
So etwas hatte ich noch nie gehört, so etwas war ich noch nie gefahren.
Endlich würde ich ausnahmslos zur Kenntnis genommen werden müssen, wenn
ich meine Runden durch die Stadt zog. Denn mit der Akustik kann man auch
diejenigen ansprechen, die gerade nicht die Augen auf einen gerichtet
haben, wenn man mit einem heissen Eisen um die Kurve biegt. Wenn sie den
infernalischen Sound vernehmen, werden sie zwangsläufig schauen müssen,
was zur Hölle dieses Gepolter verursacht, dachte ich mir. Bin mir sicher, daß sich einige in der
Umgebung gefragt haben, wieso ein Kampfhubschrauber andauernd über
(oder durch) die Stadt fliegt, oder weshalb jemand mit einem Presslufthammer
durch die Gegend fährt. Dabei war es nur Herr kot, der sich immer und
immer wieder präsentieren mußte, auch wenn ich prinzipiell kein Freund
der künstlichen Lärmbelästigung bin. Bei alten Menschen, Kinderwagen und Kleinkindern drehe
ich immer das Gas ab und rolle gemächlich vorbei, möchte niemanden
schrecken oder Gehörschäden verursachen. So ein
offener Screamin' Eagle gibt zwar kein Vogelgezwitscher von sich, das
kann schon in den unangenehmen DB-Bereich gehen, aber gegen das sägende Geschrei einer
aufgekratzten Derbi ist das großvolumige
Harley-Geblubber eine wahre Wohltat, da dürften sich alle einig sein.
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Bequemer als mein Big Sofa. Hier könnte
man wohnen.
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Wunderschönes Cockpit, serienmäßiger
MP3 Player.
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Hier
eine kleine Hörprobe: Leider wurde
der Sound vom Mikro gefiltert und kommt etwas gedämpft rüber. In
der Gasse, wo diese Aufnahme gemacht wurde, reckte jedenfalls eine
Menge verärgerter Wohnungseigentümer ihre Köpfe aus dem Fenster.
Uhrzeit bei der Aufnahme: 0-800.
Klickt auf die Box links und hört selbst. |
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Keine Zuckerrohre
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Doch laut sein ist nicht das Einzige, was diese Harley kann. Zwar
erinnert mich der Windschild der Street Glide an den Wasserkopf eines
Hammerhais, erfüllt aber klarerweise seinen Zweck perfekt. Wer bei dem Anblick auch auf die
Frage stößt, ob man da überhaupt drüber- oder vorbeischauen kann, den
kann ich mit einem klaren Ja beruhigen. Das sieht schlimmer aus, als es
ist. Die überdimensionale Maske behindert keineswegs den Blick des
Fahrers (es sei denn, es handelt sich um einen sehr kleinen Fahrer). Man sollte sie halt nicht so
verdrecken lassen wie wir, sondern immer schön polieren. Ein Harley
Fahrer darf sicher kein Feind von Putzfetzen sein. Zusammen mit den großvolumigen Koffern, dem außerordentlich
bequemen Sofa und dem drehmomentstarken Motor dürfte es kein Problem
sein die Route 66 in einem Zug zu nehmen. Und auch jede andere
Straße. Denn bei Fischers hat man die Glide für alle Verhältnisse
aufgerüstet und hinten zwei Öhlins Federbeine eingepflanzt. Großer
Komfort trifft große Performance. Auch die flotte Reise muß man hier
nicht mehr fürchten.
Mit all dem Spielzeug und den Extras, die sonst noch auf den blauen
Hai geschraubt wurden, durchbricht die laut Liste
25.995 Euro teure Street Glide die 30er Marke an den Tausenderstellen.
Autsch.
Wer das Geld erst nächstes Jahr parat hat, der kann gleich zur neuen
Street Glide greifen, die 2007 mit dem 96er Twin Cam Motor unterwegs sein
wird. Das bedeutet fast 15 Nm mehr Drehmoment, also 123. Dabei ist die
nächste Glide um 10 Kilo leichter (na ja, das fällt auch nicht ins
Gewicht) und etwas kürzer, obwohl der Radstand verlängert wurde.
Angeblich schon von Haus aus ein ordentlicher Spruch. Wir wetten
trotzdem: Fischers wird wieder operieren.
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Harley Street Glide a.k.a. The
Hammerhead. Tägliches Putzen garantiert.
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Farben 2007
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Technische Daten Harley Davidson Street Glide
(Original) |
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Modell 2007 |
Modell 2006 |
Motor |
Twin Cam 96 |
Twin Cam 88 |
Hubraum |
1584 ccm |
1449 ccm |
Bohrung x Hub |
95.3 mm x 111.1 mm |
95.3 mm x 101.6 mm |
Drehmoment |
123 Nm / 3400 U/min. |
109 Nm / 3400 U/min |
Gemischaufbereitung |
Elektr. Kraftstoffeinspritzung |
Elektr. Kraftstoffeinspritzung |
Länge |
2400 mm |
2440 mm |
Sitzhöhe |
668 mm |
668 mm |
Radstand |
1610 mm |
1592 mm |
Tankinhalt |
18,9 l |
19,1 l |
Leergewicht |
332 kg |
342 kg |
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Preis (in Vivid Black) |
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25.995 € |
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Interessante Links:
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Text: kot
Fotos: kot, Harley
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