Wien - Novigrad

Wie viele Umwege und Unwetter führen ans Mittelmeer, wenn man nur fünf Tage Zeit hat? Einige!

Wien Novigrad und retour

Von Hastigen und Kaltduschern

Die Tür knallt auf. Ein Zehn-Leute-Trupp betritt forsch gröhlend das Wirtshaus. Alles Herren in den besten Jahren, angetan mit dem gleichen schwarzen T-Shirt, auf dem geschrieben steht, und zwar hinten und vorn: DIE HASTIGEN. Das müssen Andrücker sein! Sind sie auch. An der Bar. Minimum zehn Krügel pro Mann und Abend, von den Nebengeräuschen gar nicht zu reden. Wir ziehen uns zurück.Draußen schwitzen die Wolken.Wärmer wars auch schon einmal.

Auch Kaltduscher parken manchmal im Schatten. Auf dem Seebergsattel, der von Slowenien ins Kärntnerische führt war es noch sonnig und heiß.


Zum Beispiel, als wir Wien den Rücken gekehrt hatten.
30 Grad noch um 6 Uhr abends. Zuerst hatte ich noch ein Problem lösen müssen.
Bist du sicher, dass du mit der Daytona fahren willst? fragte mich Christian an unserem Treffpunkt bei der Tankstelle. Ich versuchte gerade, eine Gepäckrolle auf dem Heck der Daytona 675 zu fixieren. Klar hätte ich die Abdeckung auch abmontieren können. Aber wie schaut denn das aus?
Murks und Ärger - bis ich die geniale Idee mit dem selbstklebenden Klettband hatte. Das funktioniert! Das Manderl aufs Heck, das Weiberl auf den Gepäckrollen-Boden gepickt. Noch zwei Spinnen drüber und fertig. Pickt und hält.
 
Mittlerweile pickte auch das Leder. Am Körper. Was sich auf der Autobahn auch nicht änderte. Fahrtwind à la Wüstenwind. Erst auf dem Pfaffensattel wurde es besser. Temperatur-mäßig. Christian beneidete ich ein bissl: Er thronte auf seiner Tiger, entspannt, winkelte lässig einmal rechts, einmal links ab, als wärs eine Fingerübung. Nicht, dass die Daytona störrisch wäre, aber das löchrige irgendwas Asphalt kann mans nicht mehr nennen -, ist nicht ganz das Terrain für Gebückte!
 
Der nächste Morgen in Wenigzell bescherte uns strahlenden Sonnenschein und einen Weitblick ins Joglland. So schön das war wir wollten ans Meer! Und das plötzlich, denn urplötzlich dräuten Wolken heran. Von überall her. Die netten Straßerln von Wenigzell nach Pernegg waren schon feucht und glitschig. Also nahmen wir die Direttissima, S 6 und dann S 36.
Bei Murau: ein Lichtstrahl, es reißt wieder auf. Bei Predlitz war noch alles Wonne und Waschtrog. Nach den ersten Bergauf-Kurven zur Turracher Höhe wurds ganz finster. Die ersten kamen uns im Regengwandl entgegen. Warmduscher! Wie zur Strafe folgen Blitz und Donner.
Na servas. Aber sicher nicht zieh ich mir gleich die Gummihaut an, dachte ich: Erst wenns wirklich schüttet.
 

Die Daytona zieht sich mit mir in den Schatten zurück, Christian lässt seine Tiger in der Sonne stehen und fotografiert. Der Selbstauslöser hat gerade gestreikt.


Auf halber Höh erwischte es uns.
Es goss in Strömen. Wäre ja vielleicht nicht gar so schlimm gewesen, aber es wurde kalt. Sehr kalt. Unter zehn Grad. Der Pirelli Supercorsa mutiert vom Kleb- zum Gleitmittel. Und ich zur Kaltduscherin. Nur nicht stehen bleiben. Die Kniescheiben schlottern, die Finger sind steif. Nur runter ins Tal. Dort ziehen wir uns doch die Regenhäute an. Rundherum immer noch finsterere Finsternis. Wir beschlossen: Heute schaffen wirs eh nicht bis zum Meer, also fahren wir nach Kötschach-Mauthen. Da sind wir nah am Plöckenpass und auch schon ziemlich nah am Strand.
Erst nach Spittal ließ das Pieseln nach, ging in Nieseln über. Dank Regenzeugs ging kein Tropfen Wasser mehr raus.
Im Gailtaler Hof gibts für mich immer ein Zimmer. Duschen, Umziehen, in Ruhe ein kaltes Bier und ein heißes Stück Fleisch, das waren unsere Wünsche.
Trinken und Essen gabs. Die erhoffte Ruhe nicht. Siehe die Hastigen.
Von denen ist tags darauf keine Spur. Auch von der Sonne nicht. Die Frage war: Nehmen wir den Plöckenpass? Nein danke. Da ist es nass. Oder den Naßfeld-Pass. Nein danke, auch der ist nass. Und wir kratzen mittlerweile mit den Helmen an den Wolken, also beschließen wir, auf der Bundesstraße weiter zu fließen.
 
Gegen die Grenze, bei Thörl-Maglern, reißt es doch tatsächlich ein Loch ins Graue. Eine schwache Sonne schimmert durch! Der Kaffee in Tarvis tut gut.
Trocken sind die Straßen deshalb noch lange nicht. Aber in Richtung Predil schauts heiterer aus. Am Fuße desselben taucht in meinem Rückspiegel eine Monster auf. Ein Lokalmatador. Von dem lassen wir uns aber nicht abhängen!Auf einer Geraden brüllt er, wohlgemerkt in der 30er-Zone,an uns vorbei, biegt an der nächsten Ecke ab. Na gut, lassen wir ihm den Sieg. Wir sind milde gestimmt, denn es wird trocken! Und diese erfreuliche Tendenz setzt bis zum Soca-Tal fort. Gelassen rauschen wir in Richtung Nova Gorica weiter, stampfen alles ein, was sich an Reisedampfern in den Weg stellt.
Am Stadtrand von Nova Gorica gibts Kaffee und Routenplanung. Autobahn? Wieder einmal nein, danke. Wir entscheiden uns für die slowenische Weinstraße. Da gibts bei Razdrto eine Abzweigung in Richtung Süden.
Der Weg dahin ist ein bissl fad. Und die Straße dreckig. Es kommt noch besser. Was auf der Karte ausgeschaut hat wie eine Autobahn wird erst eine werden. Sie ist im Bau. Auf der an sich feinen idyllischen Bundesstraße, die parallel dazu läuft, ist Stau. Wir quetschen uns zwischen Lkw-Stoß- und Wohnmobil-Stoßstangen durch. Zum Glück ist die Daytona schmal. Diesmal beneide ich Christian um die Tiger nicht, er bleibt ein paar Mal fast stecken.
Irgendwann einmal ist auch der dickste Stinkstau zu Ende. Bei Kozina nehmen wir die 10er-Bundesstraße. Denn da ist was los! Breite Spuren, schnelle Kurven, griffiger Asphalt. Heftig angasende Slowenen kommen uns entgegen, warnen vor den Bullen und heben zum Gruß statt der Hand das Vorderrad
 

Irgendwie geht immer alles, auch eine Gepäckrolle auf dem (abgedeckten) Heck der Triumph Daytona 675 zu fixieren - ohne dass sie einem ständig ins Kreuz rutscht.


In einer Rennstrecken-verdächtigen Kurve steht ein Jausenlokal namens Viki Burger.
Das ist die Kalte Kuchl der Slowenen. Dort gehts zu. Supersportler, Naked Bikes, Enduros, in der Hauptsache schnelle, scharfe Sachen kommen und fahren. Wir können zwar nicht Slowenisch, und die meisten von denen nicht Deutsch, aber wir verstehen uns prächtig. Als Draufgabe spenden uns die Burschen Wheelie, Stoppie und Burnout. Bis die Bullen aufkreuzen. Aber da sind alle schon wieder brav.

Im Soca-Tal trifft man ganze Horden von Motoorradfahrern. Das hier sind einige von denen, die wir vor unserer Mittagspause im überholt haben.

Viki Burger, die Kalte Kuchl der Slowenen auf dem Weg nach Koper. Noch sind nicht viele da, es ist noch früh am Morgen, und die stehen sonntags ziemlich spät auf.


Wir auch, wir brechen auf. Denn schließlich wollten wir ja ans Meer.

Ein Highlight gibts noch, bevor wir zur slowenisch-kroatischen Grenze kommen: Die 11er-Bundesstraße von Koper nach Kastel. Bergauf jeweils zwei Spuren, geile Kurvenradien, pickiger Belag. Trocken ist es ja auch noch. Und strahlend sonnig. Christian hat sich in Koper verfranzt. Ich warte inzwischen auf der kroatischen Seite.
 

Der Rest des Weges bis Novigrad ist schnell erledigt. Inzwischen sind wir auch wieder trocken, schauen wieder halbwegs manierlich aus. Im Hotel Cittàr suchen wir um ein Zimmer an, bekommen auch eines, ein kleines, aber sehr feines. Den großen Hunger kämpfen wir mit großen Portionen istrianischem Prosciutto, Oliven, Schafkäse und Fisch nieder. Im Café Vitriol es steht direkt am Meer - schließen wir den Magen mit Istrabitter und Grappa. Auf der schmalen Strandpromenade tummeln und drängeln sich Einheimische und Touristen. Viele sind mit dem Segelboot da.

 

Wir sind mit dem Sauwetter versöhnt.

Zur Feier gibts am nächsten Tag nur Dolce far niente, für uns und die Daytona und die Tiger. Die ruhen vor dem Hotel. Der Strand von Novigrad ist zwar steinig, aber dafür weitläufig, kein Massengrill. Nahrung von Kaffee & Bier bis zu Cepapcici und Pleskavica gibts zu wohlfeilen Preisen bei strategisch günstig postierten Standeln.

An der Gäste-Mole stauen sich abends die Boote, frei zur Besichtigung. Allerdings muss man zu Fuß hingehen, mit dem Motorrad hinfahren wird nicht so gern gesehen. Das ist erst der Anfang des weitläufigen Strands von Novigrag auf der gegenüber liegenden Seite gehts noch ein paar Kilometer weiter.

Ohne Besichtigungsprogramm wollen wirs aber nicht belassen.
Das gehen wir tags darauf eher locker an. Die Straße nach Buje ist mäßig spannend, die nach Motovun grad und fad. Aufregend sind jedoch die schwarzen Trüffel und das, was die Ortsansässigen damit anstellen. Köstlich!
Der Nachmittag gehört der Küstenstraße, das heißt Porec, Vrsar, Limski-Kanal, Rovinj, Pula. In der Arena brennt uns die Sonne die letzte Feuchtigkeit aus der Haut. Dann fahren wir über den Berg und trinken in Moscenicka Draga unseren ersten Nachmittagskaffee, in Opatja den zweiten.
Das kleine, aber sehr feine Hotel Cittàr im Zentrum von Novigrad hat zwar nur vierzehn Zimmer, aber eine große und schattige Frühstücksterrasse. Novigrad ist eine nette, kleine Stadt auf der Westseite Istriens. Im Allgemeinen ist es dort recht ruhig, weils etwas abseits der Touristen-Trampelpfades liegt.

Auf dem Rückweg via Icici und Poljane am Crkveni vrh bis Vranja
beneide ich Christian wieder einmal um die Tiger. Aber nicht sehr. Auf dem Rest der Runde Buzet-Motovun-Buje-Novigrad macht mich die Daytona wieder ganz glücklich.
Glücklich sind wir auch am Abreisetag Sonntag darüber, dass wir schon um acht Uhr losgefahren sind. Noch ist es kühl. Und alle anderen sind in der Gegenrichtung unterwegs, zum und nicht weg vom Meer.
Wir nehmen auch von Viki Burger gebührend Abschied, bevor wir uns quer durchs Slowenische schlagen. Die 207er ist empfehlenswert. Und das kleine Skigebiet um Cerkno. Ist zwar wieder eher Tiger- als Daytona-Strecke, aber mit jedem Bock er-fahrenswert.
 
Zum Schluss kam es, wie es kommen musste: Bis zum Seebergsattel konnten wir noch gar nicht glauben, dass es jemals wieder regnen würde. Danach wurde es, erraten, finster und finsterer. Mit Blitz und Donner. Trotzdem ließen wir die Südautobahn links liegen, in der Hoffnung, dass es hinter dem Obdacher Sattel nicht schütten würde. Fehlanzeige. Noch mehr Blitz und Donner. Wir blieben trotzdem gelassen. Regenanzug-Anziehen? Noch nicht. Erst wieder einmal kalt duschen. In Bruck an der Mur standen wir dann im Wasser und im Stau. Dann erst zogen wir die Regengwandeln an und bis Wien nicht mehr aus.

Die Moral von der Geschicht: Trau dem Wetter auch im Hochsommer nicht. Aber: Feig ist, wer zu Hause bleibt. Ich habe auch schon fast regenfreie Sommer erlebt.
 

Kroatien Infobox

 
  • www.novigrad24.com
     
  • Hotel: www.cittar.hr - Kleines, feines Hotel mit 14 Zimmern im Zentrum von Novigrad mit Frühstücksterrasse.
     
  • Karten: Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, 1:600.000, Kroatien. freytag&berndt, 1:250.000
     
  • Beste Reisezeit: Mai bis Oktober, Einschränkung: 15. Juli bis 15. August
  •  
    Interessante Links:

    Text: Beatrix Keckeis-Hiller
    Fotos: Beatrix Keckeis-Hiller




     

    Autor
    karolettaLambretta

    KAROLETTALAMBRETTA

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    Bericht vom 05.03.2008 | 5.671 Aufrufe

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