Ducati Panigale Kaufberatung
Welche für wen?
Ducatis Panigale-Familie ist groß. Von V2 bis V4 R kann man schnell mal den Überblick verlieren. Welche "Pani" zu wem passt, finden wir in Oschersleben heraus.
Was sie alle eint: Die Rennstrecke ist ihr liebster Ort. Jede Ducati Panigale wurde für schnelle Rundenzeiten geschaffen, das ist so Tradition in Bologna. Entsprechend radikal ist die Auslegung von Ergonomie, Fahrwerk und Motorcharakteristik. Die daraus resultierenden Abstriche beim Komfort nimmt jeder Panigale-Fahrer und jede Panigale-Fahrerin auch auf der Straße gerne in Kauf. Stattdessen genießt man auf Tour neben jeder Kurve auch die Pausen, in denen man das unverwechselbare Design dieser Baureihe von außen genießen kann.
Aber wie gesagt, eine Pani gehört auf die Rennstrecke und deshalb reisen wir nach Oschersleben, um die Modellpalette dort auf die Probe zu stellen. Wo liegen die Stärken der verschiedenen Motorenkonzepte? Was für ein Fahrgefühl geht damit einher? Und welche Pani passt zu welchen Vorlieben?
Ducati Panigale V2
Beginnen wir mit der "Kleinen" in der Familie. Im Grunde die letzte "echte" Panigale, wie sie einst in Bologna erdacht wurde. Mit V2-Motor nämlich. Bis 2017 das einzige Motorenkonzept, das auch die Superbike-WM-Maschinen befeuerte. Doch weil in dieser Klasse die Vierzylinder trotz weniger zugelassenem Hubraum regierten, brachte Ducati für die Topklasse den V4 - dazu später mehr. Doch der V2 blieb in der Panigale 959, die zur Saison 2020 zur Panigale V2 wurde. Angetrieben von einem 955-Kubik-V2 mit stolzen 155 PS Spitzenleistung und 104 Newtonmetern Drehmoment. Ein Motor, der vor nicht allzu langer Zeit auch einem Superbike gut gestanden hätte. Doch heute geht die V2-Pani in der Supersport-Kategorie gegen R6 und Co. an den Start.
Ihre spitze Charakteristik wird auf der 3,7 Kilometer langen Strecke von Oschersleben deutlich. Im Stile eines hochgezüchteten Rennmotors nimmt die Ducati erst oberhalb von 5000/min die Produktion von viel Vortrieb auf und wer sie über der 7000er-Marke hält, wird mit so kräftigem Vortrieb belohnt, dass auch die längeren Geraden schnell vorbei sind. Bis knapp 11.000/min geht die wilde Fahrt, dann quickshiftert man den nächsten Gang rein und der V2 macht eine Oktave tiefer nahtlos weiter.
Auf der Bremse liegt die V2 sehr stabil, ihre Gabel sucht aber eindeutig noch den Kompromiss zum Straßenbetrieb. Sie taucht beim harten Ankern über die nicht endlos standfesten Brembo-Stopper tief ab, was auch durch nachjustieren nicht vollends abstellbar ist. In Schräglage und beim Beschleunigen liegt die V2-Pani satt, aber nicht bretthart wie ein Rennmotorrad. Sie arbeitet unter dir und gibt klares Feedback über ihre Tätigkeit in Lenker, Rasten und Sitz. Auf diese Weise wird die Fahrt lebendig, ist nicht klinisch steril. Diese Panigale fährt man nicht einfach, man fährt mit ihr gemeinsam. Dank der kurzen Kurbelwelle des V2 hat die kleine Pani grundsätzlich Handling-Vorteile gegenüber den größeren Schwestern. Mit Gussfelgen bestückt erhöhen sich im Vergleich aber die rotierenden Massen wieder, weshalb die V2 sehr handlich und geschmeidig, aber nicht hyperagil in die schnelleren Kurven des Tracks einbiegt.
Die Elektronik, eine Stärke jedes modernen Ducati-Sportbikes, agiert auf höchstem Niveau. Separat justable Traktions- und Wheelie-Kontrolle, drei ABS-Modi und auch eine einstellbare Motorbremse. Alles arbeitet sauber, stört den Fahrer nicht offensiv, sondern sorgt fast unbemerkt und feinfühlig für Stabilität.
Ducati Panigale V4 S
Die für Turn Nummer zwei bereitstehende S-Version der Panigale V4 setzt elektronisch aber noch einen drauf. Zu den genannten Systemen gibt´s auch eine Slide-Kontrolle und ein elektronisch einstellbares, semiaktiv dämpfendes Fahrwerk. Die semiaktiv dämpfende Öhlins-Hardware spricht nicht nur sehr gut an, sie deckt auch einen extrem breiten Einstellbereich ab und lässt sich für den harten Rennstreckeneinsatz mehr als ausreichend straffen.
Der erwähnte V4-Motor, übrigens nicht jener des WM-Superbikes, generiert 215,5 PS aus 1103 Kubikzentimetern und verwöhnt ab mittleren Drehzahlen nicht nur mit unbarmherzigem Vortrieb, sondern auch mit Gänsehaut-Sound. Er packt im Race-Mapping am Scheitelpunkt entschlossen zu und dreht auf den Geraden bis über 14.000/min. Dieser Motor ist nichts für schwache Arme. Und auch nichts für schmale Geldbörsen. Die unfassbare Kraft radiert den griffigen Pirelli Supercorsa SP-Hinterreifen im Vergleich zur Panigale V2 (Pirelli Rosso Crosa 2) in nullkommanix auf die Verschleißmarkierung runter. Wer sparen will, ist daher nicht nur in Sachen Kaufpreis bei der V2 richtig.
Natürlich rechtfertigt die V4 S ihren Preis auch anderweitig. Man kann sagen, dass sie alles noch etwas besser macht als die V2. Sie ist spürbar steifer, liegt stabiler und lenkt auf der noch brachialeren und sehr standfesten Brembo-Highend-Bremse williger ein, was unter anderem auf den rennstreckentauglicheren Reifen zurückzuführen ist. Auch der Quickshifter arbeitet geschmeidiger und ergonomisch ist sie noch einen Hauch radikaler. Hoher Sitz, tiefe Stummel - so ungefähr muss sich Alvaro Bautista im Sattel seiner Panigale V4 R fühlen. Aber das ist ein anderes Thema. Und übrigens: die V4 S ist bei SBK- und GP-WM-Piloten ein beliebtes Trainingsbike, weil der 1100er-Motor schon im Serientrimm viel Mid-Range-Punch mitbringt. Die leichten Schmiederäder und das im Vergleich zur V2 sogar noch geringere Gewicht machen sich in schnellen Kurven dadurch bemerkbar, dass die V4 S stets locker bleibt und sich Linienkorrekturen willig hingibt.
Panigale V4 SP 2
Noch etwas lockerer, weil noch radikaler nimmt die Panigale V4 SP2 jeden Radius. Sie ist das 1100er-Topmodell und serienmäßig zwar straßenzugelassen, aber voll und ganz auf Racing getrimmt. Ebenfalls 215,5 PS stark, aber besser ausgestattet als die V4 S: Superleichte Carbonfelgen, Trocken- statt Ölbadkupplung, Abdeckungen für Spiegel- und Kennzeichenaufnahmen. Da wird schon beim Anschauen klar: hier steht ein reinrassiges Rennmotorrad.
Auf dem Track machen sich besonders die Carbonfelgen durch etwas spielerischeres Handling bemerkbar. Die SP 2 folgt den Gedanken des Fahrers und zieht mit etwas Körpereinsatz noch radikaler zum inneren Curb. In tiefer Liegestützposition bringt sie beim Anbremsen wie auch die Panigale V4 S viel Druck auf die Arme und beansprucht die Brustmuskulatur des Fahrers stark. Wer fit ist, kann diese Bikes ausquetschen. Statt locker zu lassen, sollte man aber lieber eine Pause machen, denn unentschlossen bewegt, werden die Linien auf den V4-Bikes schnell weiter. Hier verzeiht die moderatere V2 auch wegen des softeren Fahrwerks weniger Einsatz spürbar besser.
Abgesehen vom leichteren Handling verzückt die mit der Panigale V4 S identische Elektronik auch in der SP2. Vor allem die Slide-Kontrolle gibt Sicherheit und Vertrauen, in Schräglage früh das Gas zu öffnen und im leichten, aber überwachten Slide aus den Kurven zu beschleunigen. Der gnadenlose Motor macht seine Power obendrein so präzise abrufbar, dass man sich langsam aber sicher vortasten kann.
Noch kurz ein Blick auf die Datenblätter von V4 S und SP 2: Ein Kilogramm spart die SP 2 im Vergleich zur S-Version ein, motorisch sind die beiden Bikes identisch. Dafür scheinen knapp 10.000 Euro Aufpreis (Preise s. technische Daten) durchaus happig. Die edlen-Carbonfelgen, der gebürstete Tank und die Racing-Kette sind darin immerhin enthalten. Für die Akrapovic-Racinganlage, die die Leistung auf 228 PS erhöhen soll, sind weitere 5.600 Euro fällig.
Panigale V4 R
Unglaubliche 237 PS soll eine solche Racinganlage mit passendem Mapping der Panigale V4 R entlocken. Ihr V4 ist ein waschechtes SBK-WM-Triebwerk mit straßenzugelassenen 218 PS auf "nur" 998 Kubikzentimetern Hubraum, die dem Reglement der Superbike-Meisterschaftsklassen entsprechen. Wer eine Panigale also in Cups abseits der "Open"-Klassen bewegen möchte, greift zur auf 500 Stück limitierten V4 R. Die Charakteristik des R-Motors unterscheidet sich deutlich von jener der S und SP 2. Er erreicht seine Spitzenleistung erst bei 15.500/min und geht dafür "untenraus" weniger bärig zur Sache. Bedeutet: Wer die Gänge gut sortiert, kommt schnell voran und kann die Drehzahlreserven auf kurzen Zwischengeraden voll ausnutzen. Zu untertourig bewegt, kommt die V4 R im Vergleich aber weniger gut aus den Ecken heraus. Eine 600er auf Steroiden - so lässt sich die V4 R am besten beschreiben.
Mit Schmiederädern bestückt und spürbar weniger Schwungmasse vereint die Panigale V4 R vor allem in schnellen Wechselkurven Handlichkeit und Stabilität perfekt in sich. Auch weil das konventionelle, aber höchstwertige Öhlins-Fahrwerk ihre Pirelli Supercorsa SP-Reifen am Asphalt festnagelt und extrem viel Feedback und Vertrauen gibt. Die Highend-Bremse performt wie in Panigale V4 S und V4 SP 2 blenden und auch nach vielen Runden absolut konstant.
Elektronisch setzen die Rennteams der WM ohnehin auf Nichtseriensoftware und auch eine andere Hardware. Alle Regelsysteme der V4 R, die man im Serienbike bekommt arbeiten auf dem von V4 S und V4 SP 2 bekannten Niveau und damit absolut top. Ob die R-Version im Serientrimm schneller ist, müsste der direkte Rundenzeitenvergleich in einem freien Turn zeigen. Die zu erwartende Differenz ist aber nicht so groß wie jene in der Exklusivität der limitierten R.
Fazit: Ducati Panigale Kaufberatung
Welche Panigale für wen? Eine Frage, die nicht nur der Geldbeutel, sondern auch das Herz beantworten muss. Die V2-Version ist die letzte ihrer Art und standardmäßig ein guter Kompromiss zwischen Rennstrecken- und Straßenbetrieb. Wer es hier gerne radikaler mag, greift zur "Bayliss"-Variante mit Öhlins-Fahrwerk. Die V4 S hingegen ist von sich aus radikal, sie verschreibt sich der Performance und schaut nur etwas auf den Straßenbetrieb. Leistung und Ausstattung spielen in einer anderen Liga. In derselben wie die Panigale V4 SP 2, die in Sachen Exklusivität noch einen draufsetzt und vor allem wegen der leichteren und steiferen Carbonräder minimal direkter fährt. Das Homologationsmodell für die Superbike-WM, die Panigale V4 R, ist dagegen mit dem unfassbar hoch drehenden 1000er-Motor ein charakterlich eigenständiges Rennmotorrad, das in seiner eigenen Liga, wenn nicht gar Welt spielt und lebt. "Serienmäßig" nicht bedeutend schneller, aber mit einem Racing-Charakter und unglaublichem Leistungspotential.
Bericht vom 03.09.2023 | 13.707 Aufrufe