Interview mit Yamaha Österreich-Chef Marcus Pohl
"Unser automatisiertes Schaltgetriebe läutet eine neue Ära ein."
Marcus Pohl ist Country Manager von Yamaha Motor Europe der Niederlassung Österreich und verantwortet zusätzlich noch den ungarischen Markt. Das Interview zur Halbjahresbilanz 2024 sah mehr Fragen vor. Marcus hat uns aber im Vorgespräch transparent dargelegt, dass er die Antworten auf einige Fragen zum aktuellen Zeitpunkt (aufgrund von Konzern-Embargos) noch nicht geben kann. Daher werden wir später im Jahr das Interview um diese Fragen ergänzen.
Marcus, das halbe Jahr ist um, bitte gib uns einmal einen groben Einblick in die High- und Lowlights der ersten sieben Monate für euch bei Yamaha.
2024 war bisher ein Jahr voller News und Innovationen. Angefangen mit der neuen MT-09, die im Februar vorgestellt wurde und global für enorme Nachfrage gesorgt hat, über das aus meiner subjektiven Sicht coolste Modell unserer Palette die XSR 900 GP, die wir im April vorgestellt haben und die sofort die Herzen der Retro-Liebhaber erobert hat, bis zum RayZR 125, der sich gerade als perfektes Value for Money Rollermodell auf dem Markt positioniert und aktuell schon im österreichischen Händlernetz für Probefahrten zur Verfügung steht. Nicht die Ténéré Extreme und Explore zu vergessen, welche die Palette der Adventurebikes sinnvoll nach oben und unten abgerundet haben. Diese Modelle sind definitiv die Highlights des bisherigen Jahres. Doch Yamaha hat schon das nächste Ass im Ärmel. Denn wie kürzlich verkündet, bekommen wir im September dieses Jahres einen Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte von Yamaha präsentiert das Y-AMT - ein automatisierte Schaltgetriebe. Die MT-09 wird das erste Modell sein, in dem diese neue Technologie zum Einsatz kommt und bereits jetzt stimmt uns das Interesse daran äußerst positiv. Ein kleiner Wermutstropfen der bisherigen Saison war die zu geringe Verfügbarkeit der neuen MT-09, was in Folge bedauerlicherweise zu Lieferverzögerungen geführt hat. Wir haben alles darangesetzt den Nachschub zu sichern, aber soviel darf ich schon sagen: Die neue MT-09 ist die Wartezeit auf jeden Fall wert.
Gutes Stichwort Y-AMT. Ist das eher ein Sport- oder Komfortfeature? Wo wird es überall zum Einsatz kommen? Funktioniert es nur auf der CP3-Basis oder werden wir es auch auf anderen Plattformen sehen?
Das neue automatisierte Schaltgetriebe Y-AMT läutet eine neue Ära für Yamaha ein, die mit dieser fortschrittlichen Getriebeschalt-Technologie eine neue Dimension des sportlichen Fahrens einführt. Das Y-AMT ermöglicht es Fahrern, sich voll und ganz auf die sportliche Leistung des Motorrads zu konzentrieren und bietet die Wahl zwischen einer leichtgängigen, fingerbetätigten Handschaltung und einem vollautomatischen Getriebe mit zwei Modi. Das bedeutet, dass es beides sein kann: Sport- als auch Komfortfeature je nach individueller Präferenz. Dass diese innovative Technologie nicht nur für den Einsatz in der MT-09 entwickelt wurde, stellte Yamaha bereits in der Pressemitteilung klar. Wie die Produktentwicklung voranschreitet, wird uns die Zukunft verraten.
Du hast die neuen Ténéré-Modelle angesprochen. Mittlerweile habt ihr im Segment der Reiseenduro-Mittelklasse viel Konkurrenz bekommen. Wie ist hier die Yamaha-Strategie für die Zukunft?
Yamaha setzt in der hart umkämpften Reiseenduro-Mittelklasse schon immer auf kundenorientierte Entwicklungen und strengen Qualitätsanspruch, um sich von Mitbewerbern abzuheben und unseren Fahrerinnen und Fahrern ein unvergleichliches und vor allem unbeschwertes Abenteuererlebnis zu bieten. Die Zukunft der Modellentwicklung wird daher sicher davon geprägt sein, unsere Stärken, für die unsere Reiseenduros bekannt und beliebt sind, weiter auszubauen und den Kunden das bestmöglich Preis-Leistungs-Verhältnis der Klasse zu bieten.
Blicken wir kurz rüber in euren Sportbereich: Wie sehr schmerzt es, euren Ex-World-SBK-Weltmeister Toprak Razgatlıolu heuer auf einer BMW von Sieg zu Sieg fahren zu sehen, während sich Serienweltmeister Jonathan Rea (der im Winter von Kawasaki zu Yamaha gewechselt ist) sehr schwer tut auf eurer R1 in der World-SBK? Ist die R1 vielleicht einfach zu alt, um gegen die neuen Eisen zu bestehen?
Motorsport ist ein dynamisches Feld, in dem der Wettbewerb stets intensiven Schwankungen durch kontinuierliche Entwicklung geprägt ist. Natürlich sieht Yamaha den Erfolg von Toprak auf einer BMW mit gemischten Gefühlen, da er ein herausragender Fahrer ist und uns mit Yamaha viele unvergessliche Momente beschert hat. Gleichzeitig bleibt die R1 ein äußerst konkurrenzfähiges Motorrad, und Yamaha arbeitet kontinuierlich daran, sie weiterzuentwickeln und an Johnny Reas Fahrstil anzupassen. Es hat sich bereits bei den ersten Tests gezeigt, dass die Umstellung auf die Yamaha R1 für ihn nicht über Nacht passieren wird. Aber die ersten Erfolge haben sich mit der ersten Pole in Assen und dem ersten Podium in Donington bereits eingestellt und wir sind überzeugt, dass Jonathan Rea und das Yamaha Werksteam das Potenzial haben, in der World-SBK weiterhin erfolgreich zu sein. In anderen Klassen feiert die R1 aber unangefochten Erfolge. Schaut man beispielsweise Richtung Langstrecken WM, hat Yamaha da ein sehr gutes Standing mit YART als Weltmeister 2023 und auch heuer führen sie aktuell die WM-Wertung an.
Schwenk in die MotoGP: Auch hier hat Yamaha über die letzten Jahre Federn lassen müssen: Vorletzter in der Konstrukteurs-WM, zwar vor Honda, aber weit abgeschlagen zu den europäischen Herstellern. Sehnt ihr das neue Reglement herbei? Und wird man dem Reihen-Vierzylinder die Treue halten oder doch auf einen V4-Motor umschwenken?
Die letzten Jahre waren in der MotoGP herausfordernd für Yamaha. Das liegt jedoch auch an der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Konkurrenz, die das Feld extrem zusammenrücken lässt. Sieht man sich die Rundenzeiten an, so ist es auf beinahe jeder Rennstrecke so, dass die Top 10 Qualifikationsbestzeiten innerhalb von nur einer Sekunde liegen. Da ist kein Platz für den noch so kleinsten Fehler. Yamaha arbeitet unerlässlich daran, die fehlenden Zehntel und Hundertstel zu finden, die Fabio und Alex wieder an die Spitze des Starterfelds katapultieren. Yamahas Ziel ist und bleibt es, die bestmögliche Performance auf die Strecke zu bringen. Und zwar nicht nur im Factory Team, sondern auch mit unserem neuen Partner Pramac, die durch ihren Wechsel zu Yamaha ab der Saison 2025 ebenfalls ihr Vertrauen in eine erfolgreiche Zukunft mit uns bewiesen haben. Wie sich das neue Reglement auf uns auswirken wird, wird sich erst mit der Zeit zeigen. Es wird aber definitiv die Möglichkeit bieten, das Wettbewerbsfeld neu zu gestalten und neue technische Ansätze zu erforschen. Hinsichtlich Yamahas Motorenphilosophie werden sicher kontinuierlich alle Optionen geprüft. Was sich allerdings als die beste Lösung herausstellt, bleibt abzuwarten.
Dann machen wir jetzt einen harten Schwenk zum Thema Urban Mobility: Wie geht es euch im Roller-Segment derzeit? Stichwort: RayZR
Urbane Mobilität wird zum immer wichtigeren Thema und da sieht die Entwicklung erfreulich für uns aus. Während der Gesamtrollermarkt einen Rückgang von 6,3 Prozent verzeichnet, konnte Yamaha in Österreich den Marktanteil im Rollersegment von 3,6 Prozent auf 5,3 Prozent steigern. Und da die Konsumenten dank der doch recht heftigen Inflation der letzten Jahre vermehrt preissensibel geworden sind, ist unser neues Modell RayZR 125 die perfekte Antwort für den urbanen Mobilitätsbedarf. Mit einem Verbrauch von nur ca 1,8l / 100 km, einem Gesamtgewicht von nur 99 kg fahrfertig und einer Sitzhöhe von 785 mm ist der Roller der perfekte, wendige und wirtschaftliche Partner für den Alltag. Der komplett flache Durchstieg und das Staufach unter dem Sitz, das 21 Liter fasst, bieten ausreichend Kapazität zum Transport von Taschen, Einkauf etc. Und mit dem Einführungspreis von nur 2.299 Euro (in Österreich) ist er das einzige qualitative Markenprodukt im hart umkämpften 125er-Rollersegment, das in dieser Preiskategorie von Rollern aus Fernost dominiert wird. Er ist also eine echte Qualitätsalternative, von der wir uns noch viel versprechen. Aktuell ist das österreichische Händlernetz bereits mit Vorführern ausgestattet. Somit können sich Kundinnen und Kunden von den Vorzügen des neuen RayZR 125 gerne selbst überzeugen.
Ihr habt E-Bikes im Programm und auch den E-Roller Neo's. Wie geht es in Sachen Elektrifizierung bei Yamaha in den nächsten fünf Jahren weiter?
Yamaha hat sich bereits früh als Vorreiter beim Thema E-Mobilität positioniert, in dem wir 1993 das erste serienreife elektrisch angetriebene Fahrrad (PAS) auf den Markt gebracht haben. Heute hat sich Yamaha mit mehr als zwei Millionen E-Bikes in Japan und vier Millionen Antriebseinheiten weltweit als Pionier im Bereich der E-Bikes einen Namen gemacht. Die aktuelle Modellpalette bietet vom urbanen Einsteiger E-Bike CrossCore bis hin zum E-Mountainbike Moro07 für anspruchsvolle Biker eine attraktive Auswahl and Modellen, die in den nächsten Jahren weiterentwickelt und durch zusätzliche Modelle ergänzt wird. Das E-Roller Segment erfreut sich ebenfalls steigender Beliebtheit und die Verkaufszahlen sprechen dafür, dass sich gerade im Bereich des Nahverkehrs und der urbanen Mobilität in Zukunft mehr in Richtung Elektrifizierung entwickeln wird.
Auch mit der Yamaha Niken habt ihr das einmalige Konzept eines dreirädrigen Motorrads am Markt. Wie wird es hier weitergehen? Und wie wird das Konzept mittlerweile angenommen? Im Straßenbild sieht man leider sehr wenige davon, nicht!?
Die Niken ist ein Pilotprojekt, das bei Veröffentlichung weltweit für enormes Aufsehen gesorgt hat. Ein noch nie dagewesenes Konzept im Motorradsegment, das medial eingeschlagen hat wie eine Bombe. Der Anfängliche Hype über diese Innovation hat tatsächlich etwas nachgelassen. Doch die Niken ist sowohl aufgrund ihres Alleinstellungsmerkmals sowie ihrer Preispositionierung kein Produkt, von dem sich Yamaha erwartet hat, dass es das neue Massenprodukt wird und künftig alle nur mehr dreispurig unterwegs sind. Die Niken hat sich eine sehr treue, eingeschworene Fan Base aufgebaut, denn das Fahrverhalten ist einzigartig und macht unheimlich viel Spaß. Yamaha ist und bleibt als Innovator führend in der Zweirandbranche und die Niken ist der Beweis dafür.
Wie wichtig ist eigentlich für den Weltkonzern Yamaha der Motorradmarkt in Europa bzw. dein Verantwortungsbereich Österreich und Ungarn?
Yamaha ist, wie du richtig sagst, ein Weltkonzern. Der europäische Motorradmarkt ist auf jeden Fall von großer Bedeutung, da er nicht nur einen wesentlichen Anteil unseres globalen Umsatzes ausmacht, sondern auch maßgeblich zur Entwicklung und Einführung neuer Modelle beiträgt. Natürlich sind wir als Niederlassung Österreich/Ungarn nicht die Big Player schon alleine von der Einwohnerzahl der Länder her. Doch im europäischen Vergleich können wir sehr gut mithalten, was den Marktanteil angeht, da die leidenschaftlichen Motorradfahrerinnen und -fahrer in Österreich und Ungarn die Marke Yamaha in ihr Herz geschlossen und wir uns über die Jahre einen treuen Kundenstamm erarbeitet haben, der dank unseres breiten Modellportfolios und der hohen Qualität unserer Produkte stetig wächst.
Bericht vom 10.08.2024 | 4.521 Aufrufe