Reisetest BMW R 1300 GS vs. S 1000 XR 2024 im Vergleich
Straßenduell: GS oder XR? Womit reist es sich besser?
BMWs GS und XR stehen für unterschiedliche Motorrad-Philosophien im Tourenbereich. Welches bayerische Reise-Motorrad bietet mehr? In der verkannten Motorradregion Mühl- und Waldviertel haben wir beide Modelle getestet.
Das Mühl- und Waldviertel: Die verkannte Motorradregion als ideale Testumgebung
Willkommen im Land der 1000 Schräglagen schreibt Hotelier und Motorrad-Routinier Rocky auf der Homepage seines MoHo-Motorradhotels! Und er hat Recht! Das Mühl- und Waldviertel im Norden Oberösterreichs bietet mehr als nur malerische Landschaften es ist ein echtes Paradies für Tourenfahrer. Zwischen der Donau und der Moldau erstreckt sich eine Region voller verwitterter Granitformationen, mystischer Findlinge und idyllischer Flusstäler. Alte Bauernhöfe und Burgen erzählen bewegte Geschichten, während ein dichtes Netz an gepflegten Straßen Bikerträume wahr werden lässt.
Mit wenig Verkehr, geschmeidigen Kurven und vielfältigen Einkehrmöglichkeiten bietet die Region sowohl Ruhe als auch Genuss. Sogar während der Sommerferien - wir waren Anfang August unterwegs - bleibt die Gegend angenehm leer und eignet sich damit perfekt für entspannte Ausfahrten oder aber auch längere Rundtouren.
Den Ausgangspunkt unseres Tests bildet das MoHo von Franz Rocky Rockenschaub in Liebenau. Mit nur 23 Zimmern, einer Halbpension, die kulinarisch verwöhnt, einem Wellnessbereich und beheizten Außenpool, lässt es sich hier durchaus auch länger aushalten. Rocky, ein motorradbegeisterter Gastgeber und geprüfter Tourguide, versorgt uns nicht nur mit Insider-Tipps, sondern bietet auf Wunsch auch perfekt ausgearbeitete GPS-Routen. So können wir unseren Vergleichstest ideal vorbereitet starten.
1300 GS vs 1000 XR: Ergonomie und Sitzkomfort
Die GS und XR bieten beide durchdachte Ergonomien, jedoch mit unterschiedlichem Fokus. Die GS überzeugt mit ihrer entspannten, aufrechten Sitzposition und großzügigem Platzangebot. "Man sitzt wie auf einem Thron, die langen Touren fühlen sich mühelos an." lobt Philipp den Komfort auf der Platz-Hirschkuh. Auch für Soziusfahrer bleibt die GS mit mehr Raum und lockerem Kniewinkel unschlagbar.
Die XR hingegen richtet sich an sportlich orientierte Fahrer. Obwohl die Bewegungsfreiheit im Sattel im Vergleich zur Vorgängerin gesteigert wurde, befindet Gregor nach einer lauingen Etappe: Man sitzt stark integriert, wird fast zum Teil des Motorrads. Allerdings erfordert die aktivere Sitzposition mehr Einsatz und die Position der Fußrasten geben einen spitzeren Kniewinkel vor, der auf langen Touren ermüdet und zu öfteren Pausen zwingt. In der zweiten Reihe gibt es weniger Platz als auf der GS, was den Reisekomfort mit Sozius auf der XR einschränkt. So sind auch die seitlichen Griffe zum Festhalten auch mit schmalem Gesäß kaum zu umschließen. Positiv zu vermerken ist der Keil auf der Sitzbank, der das nach vorne Rutschen des Beifahrers beim Anbremsen mindert.
BMW 1300 GS vs 1000 XR: Fahrwerk und Handling
Das semiaktive Fahrwerk der GS ist eine Klasse für sich. "Man segelt über die Straßen, Unebenheiten werden einfach ausgebügelt." schwärmt Philipp. Dieses Komfortlevel, gepaart mit Stabilität und Gelassenheit, macht die GS zum idealen Begleiter auf langen Touren auch auf holprigen Straßen. Einzig die Individulisierungsmöglickeiten des Fahrwerks sind begrenzt. So lassen sich, wenn man in den Straßenfahrmodi unterwegs ist, nur die Settings Road und Dynamic auswählen, während man in den Gelände-Fahrmodi auch noch ein - deutlich weicheres - Enduro-Setting vorfindet. Will man in einem der zwei Enduro-Fahrmodi fahren lässt sich das Fahrwerk widerum nicht auf Road oder Dynamic stellen.
Die S 1000 XR ist zu diesem Vergleich ebenfalls mit dem optionalen semi-aktiven Fahrwerk angetreten. Sie spricht sportliche Fahrer an, die ein präziseres Feedback und direktere Rückmeldungen schätzen.Diese Direktheit fordert jedoch auf Straßen mit Unebenheiten ihren Tribut. Im direkten Umstieg fällt auf, dass der komfortablere Fahrwerks-Road Modus der XR immer noch um einiges härter ist, als das Setting Dynamic auf der GS. Wirklich komfortables Gleiten liegt nicht in der Natur der BMW S 1000 XR, dafür bringt sie im Dynamic Modus nichts aus der Ruhe. In schnell durchfahrenen weiten Kurven liegt sie satt wie ein Brett.
In engen Kehren oder Wechselkurven kann die S 1000 XR nicht ganz mit dem Handlingwunder GS mithalten. Der breite Hinterreifen (190er) ist mit Sicherheit ein Mitgrund dafür, setzt die GS doch auf die Dimension 170/60/17 hinten.
BMW Antriebe im Duell: Boxer vs. Vierzylinder
Der Boxer der GS liefert beeindruckende 149 Nm Drehmoment und glänzt durch kraftvollen Schub unabhängig von der Drehzahl, das fällt vor allem im direkten Duell mit dem 4-Zylinder in der XR auf. "Ein echter Allrounder, der in jeder Situation souverän auftritt" zeigt sich Philipp überzeugt. Egal ob beim schaltfaulen entspannten Touren oder bei der Attacke am Berg: Die riesige 1300er GS bietet mühelosen Fahrspaß auch wenn sich die Motorcharakteristik im Vergleich zur Vorgängerin etwas geändert hat und der Punch aus dem Drehzahlkeller nicht mehr ganz so krass einschießt. Den detaillierten Vergleich der technischen Daten findet ihr in unserem Motorradvergleich BMW R 1300 GS vs. BMW S 1000 XR
Die XR setzt auf einen Reihen-Vierzylinder mit 170 PS, der sich drehfreudig und dynamisch präsentiert, allerdings muss man ihn nach wie vor in einem hochtourigen Drehzahlbereich bewegen, um sein volles Potenzial auszuschöpfen. Sie will gedreht werden, gibt man diesem Wunsch nach, belohnt sie einen mit sportlichem Fahrspaß, bringt es Phillip auf den Punkt. Die Kehrseite der Medaille ist, dass man beim Ausdrehen des Aggregats bereits im zweiten Gang weit jenseits aller Geschwindigkeitsbeschränkungen unterwegs ist. Selbst im menschenleeren Waldviertel kann man sich dem Drehzahlrausch nicht vollends hingeben, wenn einem etwas an seinem Führerschein liegt.
Doch nicht nur deshalb bleibt der Boxer im Alltag der universellere Antrieb, auch die Vibrationen des Vierzylinders bei konstanten Geschwindigkeiten auf der Autobahn trüben das Bild ein wenig. Zudem ist der 1000er Motor in der XR deutlich durstiger als der 1300er Boxer. Auf 100 km laufen rund 1,5 Liter mehr Super durch die Brennräume des Crossover-Bikes.
Wind- und Wetterschutz: BMW 1300 GS vs 1000 XR
Die GS bietet umfassenden Windschutz, der sie gerade auf längeren Fahrten in diesem Vergleich unantastbar macht. Vor allem der optional erhältliche elektrisch verstellbare Windschild stellt ein Alleinstellungsmerkmal dar, er ist auf der XR nicht gegen Geld und gute Worte erhältlich. Von der Hüfte aufwärts nimmt die GS den Piloten deutlich besser aus dem Wind. Die XR bietet einen in zwei Positionen per Hebel manuell verstellbaren Windschild, die Schutzwirkung kommt jedoch nicht an die der GS heran, bei größeren Fahrern bildet sich eine Abrisskante, die treffsicher auf Höhe des Visiers auf den Helm trifft und teilweise für Verwirbelungen sorgt. Bei der unteren Körperhälfte sieht es schon besser für das Crossover Bike aus, die breite 4-Zylinderbrust schützt dank gelungener Verkleidung die Beine vor Feuchtigkeit, wie Philipp und ich unfreiwillig herausfinden, hier steht sie ihrer Boxer-Kollegin nicht nach. Wünscht man sich - so wie wir beim Test im August - Frischluft im Sattel ist die XR das Fahrzeug der Wahl, denn auch in der niedrigsten Einstellung kommt auf der GS nur wenig von der kühlenden Brise beim Fahrer an.
Bremsen auf BMW 1300 GS und 1000 XR: Luft nach oben
Sowohl die BMW R 1300 GS als auch die S 1000 XR bieten eine solide Verzögerung. Doch obwohl wir im Fall der GS die Sportbremse verbaut haben, ist der Druckpunkt etwas indifferent und wir kennen hier im Segment der luxuriösen Reiseenduros Besseres. Nur am Anfang gewöhnungsbedürftig ist das Telelever-System, das mangels Einsinken das Gefühl beim scharfen Anbremsen verändert. Ein weiteres Feature, das für gemischte Gefühle im Sattel sorgt, ist das Vollintegral ABS. Wird die Hinterradbremse betätigt, greift automatisch auch die Vorderbremse ein und umgekehrt. Für Fahrer wie mich, die in engen Kurven gerne die Hinterradbremse nutzen, um Tempo und Schräglage präzise zu kontrollieren, fühlt es sich zunächst ungewohnt und störend an, wenn plötzlich die Vorderbremse mitwirkt. Nach etwa 150 bis 200 Kilometern stellt sich zwar eine gewisse Gewöhnung ein, doch ein vollkommen sicheres Gefühl bleibt trotzdem aus.
Die XR-Bremsen wirken präziser, könnten aber einen stärkeren Initialbiss vertragen. Auch hier wäre noch mehr Sportlichkeit wünschenswert gewesen. Natürlich arbeitet das ABS schräglagenabhängig und greift wie bei der GS je nach gewähltem Fahrmodus früher oder später ein. Vom Regelverhalten her ist keinem der beiden Systeme auch nur der geringste Vorwurf zu machen, es wird auf höchstem Niveau gearbeitet und die Eingriffe erfolgen kaum spürbar.
Preis-Leistung und Zubehörauswahl bei 1300 GS und 1000 XR
Es gibt wohl kein Motorradmodell mit einem vergleichbaren Angebot an Zubehör wie die BMW GS. Das gibt für das von BMW angebotene Originalzubehör bzw. die reichhaltigen Konfigurationsoptionen ab Werk und mehr noch für die Produktpalette von Drittanbietern, wie die reichhaltige Ausstattung mit Hepco & Becker Teilen unseres Dauertesters zeigt. "Es gibt nichts, was es nicht gibt", entfährt es mir etwas flapsig im Video. Auch beim Thema Werterhalt ist die GS ganz weit oben in der unerschöpflichen Liste an Fahrzeugen am 1000PS Marktplatz. Die XR ist in dieser Hinsicht auch ganz gut aufgestellt, kann mit der GS langfristig jedoch nicht mithalten, wie eine Analyse der Durchschnittspreise der auf 1000PS inserierten Fahrzeuge verrät. Auch beim Zubehör gibt es für die S 1000 XR um einiges weniger an Optionen. Der höhere Kaufpreis der GS kann sich beim Wiederverkauf also lohnen, wodurch die beiden Bikes beim Preis-Leistungs-Verhältnis nahe beisammen liegen.
Fazit Vergleich BMW R 1300 GS und S 1000 XR
Die BMW R 1300 GS und die S 1000 XR stehen für unterschiedliche Ansätze im Tourenbereich und richten sich an unterschiedliche Fahrer. Die GS punktet mit außergewöhnlichem Komfort, souveränem Handling und einem universellen Boxer-Motor, der sowohl entspanntes Touren als auch dynamische Passagen ermöglicht. Sie glänzt besonders auf langen Reisen, auch dank ihres überlegenen Wind- und Wetterschutzes sowie der vielfältigen Zubehörmöglichkeiten, die nahezu keine Wünsche offenlassen.
Die S 1000 XR dagegen bietet ein sportlicheres Fahrerlebnis, das vor allem dynamische Fahrer anspricht. Ihr agiler Vierzylinder begeistert durch Drehfreude und Power, erfordert jedoch eine aktive Fahrweise und die Bereitschaft, im hohen Drehzahlbereich zu bleiben. Auch das Handling ist präzise, wenn auch weniger spielerisch als auf der GS. Für Fahrer, die den Nervenkitzel einer sportlichen Tour suchen, ist die XR eine spannende Alternative.
In Summe bleibt die 1300er GS auch für den reinen Straßeneinsatz die vielseitigere und komfortablere Wahl, während die XR ihre Stärken in Dynamik und Sportlichkeit ausspielt.
Anmerkung: Die Dazits wurden aus den letzten Einzeltests übernommen.
Fazit: BMW S 1000 XR 2024
Die BMW S 1000 XR bietet ein angenehmes Tourenmotorrad auf der Basis eines Supersportlers. Klingt nach einem Kompromiss - fährt aber wie eine punktgenau getroffene Entwicklung. Das Motorrad ist praxistauglich und ausgereift. Wind- und Wetterschutz sind sehr gut, die Integration vom Handy ist gut erprobt und intuitiv und der Motor macht einfach immer Freude. Das Fahrwerk passt sich zwar gut auf den Beladungszustand an, feinfühlig und wirklich komfortabel wird es jedoch nie. Der Sitzkomfort ist gut, doch der Kniewinkel wird bei langen Touren etwas spitz. Trotzdem: Ein großartiges Motorrad mit dem man gerne sportlich aber auch sehr weit fährt.- Riding Modi verändern Ansprechverhalten praxistauglich
- toller drehfreudiger Vierzylindermotor mit einem breit nutzbaren Drehzahlband
- gut ausbalanciertes Fahrzeug - auch mit Sozius - dank elektronischem Fahrwerk mit automatischer Erkennung von Beladungszustand
- gute Bremsen
- Kniewinkel auf langen Touren für große Leute etwas eng
- Fahrwerk dämpft nicht feinfühlig genug - kein wirklich komfortables Setup möglich
- Verbrauch hoch
Fazit: BMW R 1300 GS 2024
BMW hat die neue R 1300 GS mit viel Erfahrung und Know-how entwickelt, was sich in ihrer fortschrittlichen Technik und Vielseitigkeit zeigt. Das Modell spricht sowohl erfahrene als auch neue Fahrer an und bietet eine beeindruckende Kombination aus Leistung, Komfort und modernster Ausstattung. Es ist eine gelungene Mischung aus Kompaktheit, Kraft und Luxus, die sowohl im Gelände als auch auf der Straße performt. Leider ist die erste Baureihe der neuen 1300 GS an manchen Ecken und Enden noch nicht zu 100% ausgereift, wie mehrere Rückrufaktionen als auch anfällige Bauteile zeigen.- Kräftiger Motor mit sehr sportlichem Ansprechverhalten
- Sehr tolle Traktion
- Sehr stabiles Fahrverhalten - trotzdem präsentiert sich das Motorrad agil und kurvenfreudig
- Handschützer bieten guten Windschutz
- In minimaler Ausstattung wirkt das Motorrad kompakter und sportlicher als bisher
- gut integrierter Radartempomat
- verständliches Bedienkonzept
- gut ablesbares Display
- vielfältige Möglichkeiten zur Ergonomie Anpassung
- Toll funktionierendes und unauffällig integriertes Notrufsystem
- Sehr gute Balance bei unterschiedlichen Beladungszuständen
- Nicht jede Wunschkonfiguration ist möglich - teilweise müssen unnötige Extras mit gewählt werden
- Fahrwerk arbeitet auf einem guten Niveau - ein wirklich makelloses Ansprechverhalten wird jedoch ebensowenig geboten wie ein wirklich breiter Einstellbereich
- Front Collision Warning (FCW) löst im rauen Alltag nervige Fehlalarme aus
- Motorrad wirkt bei großen Piloten vor allem von hinten für eine Reiseenduro etwas zu kompakt
- ABS System gibt bei sportlicher Fahrweise zu viel Rückmeldung in den Bremshebel
- Anfälligkeit der Seitenverkleidungen für Kratzer im rauen Gelände und bei Nutzung mit groben Stiefeln
- Handguards mit integrierten Blinkern nicht geländetauglich
- Spiegel mit integrierten Totwinkel-Warner und exponierter Verkabelung ungeeignet fürs Gelände
- Sitzkomfort für Fahrer und Beifahrer auf langen Strecken nur mittelmäßig - Sitzbank ist zu weich!
- Auf langen Strecken zu Zweit ist das direkte Ansprechverhalten vom kräftigen Motor etwas anstrengend
- Trotz des gehobenen Preisniveaus der GS lässt die Qualität mancher Bauteile, wie z.B. beim Schalthebel aus Plastik, zu wünschen übrig
Bericht vom 11.12.2024 | 13.987 Aufrufe