Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Offroad-Reifen im großen Test 2024
Autobahn, Landstraße, Schotter & Schlamm - Der XT+ unter der Lupe
Bei Motorrädern sucht man nach dem Einhorn, einem Enduro-Motorrad, welches sowohl für die große Reise als auch für hartes Gelände geeignet ist. Auch wenn wir nach diesem sagenhaften Motorrad noch suchen, hat Mitas vielleicht schon den passenden Reifen dafür. Wir haben den Enduro Trail XT+ auf 1.300 on- und offroad Kilometern getestet.
Schon 2022 waren wir mit dem Mitas E-09 bestückt bei der Seeker Raid Hobby-Rallye dabei. Der Reifen überzeugte sowohl auf dem Asphalt, als auch auf den steinigen Pisten und groben Wegen der bosnischen Berge. Der E-09 wurde inzwischen vom Enduro Trail XT+ abgelöst, der hinten auf das E-09 Profildesign mit robusten Schaufelblockprofil setzt, vorne aber dem ehemaligen E-13 Reifen mit kleineren, hohen Stollen nachempfunden ist. Diese Kombination, E-09 hinten und E-13 vorne, wurde von vielen Offroad-Cracks genutzt, so auch von NastyNils bei seinen Bosnia Rally Teilnahmen, und nun ist die Kombo quasi serienmäßig mit dem XT+ verfügbar. Laut Mitas ist der Reifen für 80%-Offroad-Einsatz und 20%-Straßen-Einsatz konzeptioniert, doch was bedeutet das konkret im praktischen Einsatz? Im Gegensatz zu dem sehr steinigen, scharfen Untergrund am Balkan, muss sich der Enduro Trail XT+ diesmal in einem anderen Extrem beweisen: Schlamm. Auf unserer Reise durch Slowenien regnet es täglich und so werden Waldwege zur Schlammschlacht. Schafft es der Mitas hier unsere vollbepackten Motorräder durchzubringen?
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Offroad Reifen: Die Features
Durch das Schaufelblockprofil soll sich der Enduro Trail XT+ Reifen für hartes als auch weiches, schlammiges Gelände eignen. Genau wie beim E-09 liegt in dem flachen Profil des Hinterreifens die durchschnittliche Stollentiefe bei 13,2 mm. Der Vorderreifen wiederum weist das gleiche Profil wie der E-13 auf, bietet eine Stollentiefe von 12 mm und passt auch zu anderen Enduro Trail Reifen von Mitas. Die längs und nach vorne ausgerichteten Stollen sind aggressiv genug, um auch härtere Trails überwinden zu können, sollen dennoch aber auf Autobahnetappen und am Asphalt noch gut funktionieren. Der Enduro Trail XT+ ist nämlich explizit für Reiseenduros empfohlen und soll diesen Spagat zwischen Offroad und Onroad meistern. In der Dakar Version wird durch die Heavy-Duty-Gummimischung obendrein noch die Haltbarkeit verbessert und die Laufleistung des Standard-XT+ um bis zu 20 % erhöht. Eine härtere Karkasse sorgt zusätzlich noch für gesteigerte Pannensicherheit und Stabilität bei schweren Beladungen. Pannensicherheit und mehr Laufleistung waren schlussendlich auch die Argumente, weshalb wir für unsere Tour den Enduro Trail XT+ Dakar genommen haben. Die geplante Kilometeranzahl war nicht das Problem, aber dafür hassen Kollege Schaaf und ich nichts mehr, als irgendwo im Dreck mit unseren zarten Kameramann/Journalisten-Händen Reifen wechseln zu müssen. Mal schauen, ob unser Plan aufgeht.
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Test am Asphalt - Autobahn und Landstraße
Die angegebenen 20%-Straßentauglichkeit werden dem Enduro Trail XT+ nicht gerecht. In Wirklichkeit kann der Reifen wesentlich mehr, als man ihm auf den ersten Blick zugestehen würde. Mit vollem, Straßen-üblichen Luftdruck, im Fall der Triumph Tiger 900 Rally Pro ca. 2,5 Bar vorne und 2,8 Bar hinten, ist der XT+ noch etwas kippelig und nervös. Sobald man den Luftdruck an der Front aber leicht auf 2 Bar oder knapp darüber senkt, wird das Einlenkverhalten harmonischer und linearer. So geht dann auch erstaunlich viel am Asphalt. Klar, die Stollen geben in Schräglage spürbar etwas nach, doch halten gleichzeitig den Grip am trockenen Asphalt recht lange. Vor allem dank des breiten, deutlich fühlbaren Grenzbereichs bewegt man sich zuversichtlich durch das Winkelwerk. Leider waren uns auf unserer Tour nicht allzu viele Kilometer mit trockenen Kurven gegönnt. Im Nassen braucht es schon mehr Gefühl und Vorsicht.
Der Großteil der asphaltierten Kilometer spulten unsere Reifen auf der Tiger 900 und der Royal Enfield Himalayan aber auf der Autobahn ab. Wer meint, dass sich die delikaten Stollen auf hunderten Kilometern bei 120 - 130 km/h abhobeln müssten, den kann ich beruhigen. Selbst nach der Strecke Wien bis Ljubljana, knapp 400 km mit durchgängigem Tempo von 120 - 130 km/h, sieht man dem Pneu die Strapazen kaum an und hat noch mehr als genug Profil für weitere Offroad-Abenteuer. Woran man sich sowohl auf der Landstraße als auch auf der Autobahn aber gewöhnen muss, ist die Tendenz des Vorderrads jeder Spurrille, Fräskante und anderen längs ausgerichteten Unebenheiten zu folgen. Das kann manchmal, zum Beispiel beim Spurwechsel, zu etwas Unruhe im Fahrzeug führen, jedoch zumindest mit unseren Maschinen in keinem bedenklichen Ausmaß. Das Motorrad schaukelt sich keineswegs auf, bekommt in solchen Momenten aber kurz eine links-rechts-Bewegung, die nach einer Sekunde abebbt.
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Test auf Schotterstraßen - Drift King
Unsere Tour quer durch Slowenien wurde Großteils von uns selbst gesteckt, ohne die Strecken im Vorhinein zu kennen. Der Track folgt einfach den kleinsten Wegen, die sich von Orten der Zivilisation fernhalten. Dementsprechend waren wir viel im waldigen Hügelland und Mittelgebirge des dünn besiedelten Osten Sloweniens unterwegs. Alle größeren Wege hier sind geschottert, in unterschiedlicher Güte. Wirklich groben, Material-zerstörenden Schotter wie in Bosnien findet man aber kaum. Stattdessen sind es eher feine, planierte Schotterstraßen, mal sehr gleichmäßig, mal mit festen Steinen oder erdigem Untergrund gewürzt.
Das Schlechtwetter ist auf diesen Untergründen relativ irrelevant. Wenn überhaupt, wird die Schotterpiste noch griffiger. In Kombination mit den vorwärts gerichteten Stollen am Vorderrad und noch einmal verringertem Luftdruck, kann man sich so sehr motiviert in die Schotterkurven werfen. Die Seitenführung des XT+ Vorderrads ist echt passabel, die im Vergleich zu Hardenduro-Reifen etwas rundere Form bleibt berechenbar und neigt nicht zum plötzlichen Einknicken. Am Heck wiederum lässt es sich sehr fein mit der Traktion spielen. Druck auf die äußere Fußraste und der XT+ Pneu bietet auch auf losem Untergrund schönen Vortrieb. Druck auf die innere Fußraste und es geht quer dahin. Zumindest auf den fein planierten Schotterstrecken. Auf Wegen mit festerem, griffigerem Boden hat der Mitas Reifen fast zu viel Grip und der Drift muss schon mit Nachdruck eingeleitet werden, um die Traktion zu brechen. Das ist aber schlussendlich ein Luxusproblem und die Schotterperformance des Enduro Trail XT+ insgesamt löblich.
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Test im Schlamm - Der Endgegner
Dass der Mitas Reifen auf Schotter gut funktioniert, hat uns nach der mit dem Vorgänger E-09 durchlebten Seeker Raid wenig überrascht. Die spannendste Herausforderung an uns und den Reifen war von Anfang an klar: Schlammige Auf- und Abfahrten. Nicht nur ist der TET Sloweniens dafür bekannt, bei feucht-nassem Wetter anspruchsvoll zu werden, auch davon abseits liegen zahlreiche Forst- und Waldwege auf unserem Track. Diese sind dabei oft überhaupt nicht steil oder anspruchsvoll. Doch durch den vielen Regen der letzten Tage und Wochen davor ist der Erdboden dermaßen vollgesogen mit Wasser, dass selbst ebene Wegstücke zum schweißtreibenden Hindernis werden. Im Schlamm gilt es, das Momentum zu halten, da man aus dem Stand fast nicht mehr loskommt. Damit man trotzdem das Maximum aus der verfügbaren Traktion herausholen kann, sollte der Reifen möglichst lange frei sein bzw. die Möglichkeit zur Selbstreinigung besitzen, das heißt dass Schlamm aus dem Profil herausgeschleudert wird. Ob und wann der Reifen dicht ist, hängt nicht nur vom Pneu, sondern auch stark vom Untergrund und dem gefahrenen Tempo ab.
Für einen Reiseenduro-tauglichen Reifen, geht mit dem Enduro Trail XT+ sehr viel. Auch in glitschigen Situationen schafft man es mit einer behutsamen Gashand noch Traktion zu finden und Vortrieb aufrecht zu erhalten. Wird es jedoch tiefer und klebriger, gerät er an seine Grenzen. Zwar dauert es wesentlich länger, als bei den meisten anderen "Kompromiss-Reifen" für den gemischten Einsatz, doch schlussendlich stehen auch beim Enduro Trail XT+ die Stollen noch zu nah beieinander, um dicken Schlamm zu entfernen. Vor allem auf lehmigem Boden mit dazwischen verteilten nassen, glitschigen Steinen ist für uns Schluss mit lustig und wir müssen umkehren. Mit unserem durchschnittlichen Offroad-Fahrkönnen und den recht schweren Maschinen hätte es unter diesen Umständen aber jeder Reifen schwer gehabt.
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Laufleistung - Was am Ende bleibt
Im Summe spulen wir 1.300 km auf unserer Reise ab, davon ca. 500 km Autobahn, 300 km Landstraße und 500 km auf unbefestigten Wegen. Nach all diesen Kilometern ist der Reifenzustand eigentlich noch sehr gut und geeignet für mindestens eine weitere Tour, wenn nicht sogar mehrere. Die absolute Laufleistung kann ich nicht nennen, vor allem da sie ja auch vom Fahrzeug und der gefahrenen Strecke stark abhängig ist. In manchen einschlägigen Foren ist die Rede von Laufleistungen von 2.000 km, wobei es noch keine echten Langzeiterfahrungen mit dem neuen Enduro Trail XT+ gibt. Außerdem kommt mir das arg knapp vorkommt. Meine Einschätzung nach diesen ersten 1.300 km ist, dass man nur mit großem Asphaltanteil, einem starken Motorrad und motivierter Gashand den Pneu so schnell abhobelt. Für Fahrten, mit etwas Zurückhaltung im Handgelenk und auch mal auf weichen Wald- oder Feldwegen abgespulten Kilometern, würde ich eine Laufleistung von 4.000 km oder sogar mehr für realistisch halten. Unterhalb das Reifenbild nach knapp 1.500 gefahrenen Kilometern zum Vergleich.
Mitas Enduro Trail XT+ Dakar - Schlauchlos- oder Schlauch-Reifen?
Die Triumph Tiger 900 Rally Pro nutzte auf unserer Reise den Mitas Enduro Trail XT+ Reifen auf ihren Schlauchlosfelgen. Die Royal Enfield Himalayan setzt hingegen auf klassische Schlauchreifen. Im Fall der Tiger haben wir den Reifendruck für die schlammigen Passagen auf 1,6 Bar vorne und 2,0 Bar hinten. Die Himalayan war mit 1,5 Bar vorne und 1,8 Bar hinten unterwegs. Prinzipiell bevorzuge ich Schlauchreifen, da man so auch im Fall von Felgenschlag oder aufgeschnittenen Reifen in der Wildnis sich noch helfen kann. Bei Reifenschäden durch spitze Objekte lässt sich der Schlauchlosreifen zwar unkomplizierter flicken, doch im Ernstfall muss man trotzdem notdürftig einen Schlauch einziehen, was nicht bei jeder Schlauchlosfelge so einfach möglich ist. Durch die weichen Bedingungen bestand auf unserer Tour nicht die Gefahr eines großen Reifenschadens, aber falls man z.B. in Bosnien mit hohem Tempo über gnadenlose Steinpisten brettern möchte, ist der XT+ Dakar durch die harte Karkasse und Heavy-Duty-Gummimischung gut geeignet. Der Nachteil hiervon ist, dass sich der harte Reifen nur sehr schwer händisch von der Felge hebeln lässt. Schon am verwandten E-09 hat sich so mancher Hobby-Schrauber beim händischen Reifenwechsel die Zähne ausgebissen. Unser Tipp: Mit plattem Reifen noch ein Stück vorsichtig weiterfahren, um den Gummi durch die Walkbewegung auf Temperatur zu bringen und dann möglichst flott den warmen, dadurch weicheren Pneu von der Felge bringen. Das kann etwas helfen, der XT+ bleibt ist aber auch so ziemlich sicher eine Herausforderung beim Pit Stop im Gemüse.
Mitas Enduro Trail XT+ Offroad-Reifen im Vergleich mit der Konkurrenz
Das Reiseenduro-Segment wächst beständig und so auch die Anzahl an Reifen für den gemischten Einsatz. Für alle, die gerade einen passenden Pneu für ihre On-/Offroad-Tour suchen, wage ich einen schnellen Vergleich mit Konkurrenzreifen, die im Vorfeld der Reise in Frage gekommen sind. Populäre 50/50-Reifen, wie der Metzeler Karroo 4, Heidenau K60 Ranger oder Dunlop Trailmax Raid, wurden von mir in Betracht gezogen, da sie ausgezeichnet auf der Straße funktionieren und passable Offroad-Performance bieten. Durch die geringere Profiltiefe und größeren, enger beieinander stehenden Profilblöcke, war aber ein Problem im schlammigen Gelände absehbar. In die engere Auswahl kam auch der Klassiker unter den Reiseenduro-Reifen, der Conti TKC 80. Durch sein Alter ist er aber etwas rutschig im Nassen und vor allem die großen Stollen am Vorderrad waren mir zu breit und flach für Gatsch und weiche Erde. Zur Auswahl stand noch der Michelin Anakee Wild, NastyNils' liebster 50-50-Offroadreifen, der aber auf der befestigten Straße nicht so rund rollt. Schlussendlich waren aber das tiefe Profil der Mitas Reifen und die damit einhergehende, geringste Nervosität beim Blick auf die Wetterprognose ausschlaggebend.
Fazit zum Mitas Enduro Trail XT+ Dakar Offroad Reifen
Der Mitas Enduro Trail XT+ ist ein toller Reifen für all jene, denen die Offroad-Performance von gängigen 50-50 Reifen nicht mehr reicht. Man kann sich mit ihm souverän über leichten bis groben Schotter, Forststraßen und Feldwege bewegen, erst bei klebrigem Schlamm ist Schluss. Gleichzeitig sind aber auch längere Anfahrten über die Autobahn kein Problem und im Trockenen lässt es sich recht flott durchs asphaltierte Winkelwerk cruisen. Wie bei Stollenreifen üblich braucht es etwas Eingewöhnungszeit für die Eigenbewegung der Stollen und Vorsicht im Nassen. Wer vor hat große Touren anzugehen, sollte aufgrund der höheren Laufleistung, schwereren Beladung und zur Vorbeugung möglicher Pannen eher zur Dakar Version des XT+ Reifens greifen.
Klingt der Mitas Enduro Trail XT+ Offroad Reifen interessant für dich? Weitere Informationen zu den Eigenschaften und verfügbaren Dimensionen des Enduro Trail XT+ findest du auf der Mitas Webseite.
GREGOR
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