Kawasaki KX450 2024 Test - Rundumerneuerung zum 50. Jubiläum
Praxistest von Kawasakis neuem 450cc Motocrosser
Für den Modelljahrgang 2024 gab es für das Motocross-Flaggschiff von Kawasaki, die KX450, nach fünf Jahren eine Rundumerneuerung. „Alles neu“ birgt jedoch auch Potenzial für einen Schuss, der nach hinten losgehen kann. Ist das Konzept der Kawasaki-Ingenieure zum 50. Jubiläum der KX-Modelle gelungen? Offroad-Spezialist Busty Wolter hat es für 1000PS herausgefunden.
2023 feiert Kawasakis Motocross-Produktlinie KX ihr 50. Jubiläum, das im Modelljahrgang 2024 mit einer limitierten Sonderedition im Look von 1990 gefeiert wird. Technisch unterscheidet sich die Sonderedition nicht vom regulären 450 ccm-Crosser der Grünen. Wozu auch? Denn die KX450 wurde nach fünf Jahren seit den letzten großen Veränderungen komplett überarbeitet. Feedback der Werksteams in der MXGP sowie den US-Meisterschaften wurde stark in die Entwicklung der Serienmotorräder einbezogen. Zahlreiche Veränderungen am Motor sollen eine verbesserte Performance erzeugen. Der neue Rahmen und die überarbeitete Schwinge samt kürzerem Stoßdämpfer sollen das Gefühl für das Vorderrad und damit die Wendigkeit verbessern, ohne dabei die Stabilität auf schnellen Streckenabschnitten und das gute Handling zu verschlechtern. Mit optional erhältlichen Motorhalterungen kann nun auch der Flex des Fahrzeugs schnell verändert werden. Das Bodywork wurde ebenfalls optimiert, um sich noch besser auf dem Bike bewegen zu können. Vorne wird nun mit einer Brembo Bremsanlage verzögert. Sehr nutzerfreundlich gestaltet sich die Anpassung von Motor-Mappings mit der RIDEOLOGY-App, mit der man auf dem Smartphone per Bluetooth viele Parameter an der KX anpassen kann.
Kawasaki KX450 2024 Motor
Das Ziel bei der Motorentwicklung war ein angenehmerer Verlauf der Drehmomentkurve. Mit einem Zuwachs des Drehmoments im unteren Drehzahlbereich verläuft die Kurve nun flacher, man soll damit kraftsparender aus Kurven beschleunigen und frühzeitiger höhere Gänge mit weniger Drehzahl fahren können. Gleichzeitig soll der neue Motor in den hohen Drehzahlen nicht mehr so schnell abflachen und mehr Durchzug beim Überdrehen besitzen. Das Triebwerk steckt nun aufrechter im Rahmen. Ein begradigter und steiler verlaufender Einlasskanal trägt dazu bei, aber auch die optimierte Platzierung des Luftfilterkastens, Drosselklappenkörpers (Einlass) und Auspuffs am Auslass, wodurch das Luft-Benzin-Gemisch nun viel geradliniger und damit effizienter fließt. Die Einlassventile besitzen nun einen Durchmesser von 38 mm. Das Pleuel wurde um 5 mm verlängert, um die Reibung zu verringern. Durch den nun mittig und geradlinig austretenden Auspuff konnten die Ein- und Auslasskanäle symmetrisch im Zylinder platziert werden. Der Auspuff erhielt eine neue flachere Resonanzkammer und verläuft damit weiter innen, der neu geformte Schalldämpfer sitzt nun ganze 85 mm weiter vorne und trägt dabei seinen Teil zur Massenzentralisierung bei.
Kawasaki KX450 2024 Rahmen
Die zahlreichen Änderungen am Motor sorgten auch für eine Anpassung des Rahmens, um zum Beispiel Platz für die neue Auspuffführung sowie die neuen Ein- und Auslasswege für Luft und Benzin zu schaffen. Darüber hinaus sollte die Steifigkeitsbalance optimiert werden, um ein besseres Gefühl für das Vorderrad zu erzeugen. Das Y-Stück am vorderen Rahmenunterzug wanderte nun deutlich (125 mm) nach oben, die Querverbindungen zwischen den Rahmenzügen sowie die Schwingenaufnahme wurden überarbeitet. Die Schwinge wurde an den neuen Rahmen angepasst. Der Motor spielt eine wichtige Rolle bei der Gesamtsteifigkeit des Rahmens. Mit optional erhältlichen oberen Motorhalterungen aus anderem Material und mit einer anderen Form kann nun schnell und unkompliziert der Flex des Motorrades zugunsten von mehr Traktion am Hinterrad geändert werden.
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Kawasaki KX450 2024 Fahrwerk
An der Front verrichtet eine 49 mm Stahlfeder-Gabel von Showa ihren Dienst, deren Innenleben und Setting auf das neue Chassis abgestimmt wurden. Um Platz für die neue, direkte Luftführung zu schaffen, befindet sich die obere Stoßdämpferaufnahme nun deutlich weiter unten am Rahmen. Dadurch wurde der Showa Stoßdämpfer bei gleichem Federweg 32 mm kürzer als sein Vorgänger. Der Ausgleichsbehälter befindet sich nun links, wodurch er weiter vom heißen Auspuff entfernt sitzt. Auch die Stoßdämpferabstimmung wurde überarbeitet.
Kawasaki KX450 2024 Bodywork und Chassis
Das Bodywork wurde ebenfalls überarbeitet, um sich noch besser auf dem Bike bewegen zu können. So sorgen die Kühlerspoiler nun für einen sanfteren Übergang von der schmalen Motorradmitte zu den Kühlern. Neu ist auch der Luftfilterkasten, den man werkzeugfrei öffnen kann, um den neuen, flachen Luftfilter per praktischen Schnappverschlüssen herauszunehmen. Auf der rechten Seite steht durch den nach links gewanderten Ausgleichsbehälter des Stoßdämpfers mehr Kontaktfläche für die Beine an den Kunststoffteilen zur Verfügung. An der Front verzögert nun eine Bremsanlage von Brembo, während hinten weiterhin eine Nissin Bremse ihre Arbeit verrichtet. Die Bremsscheiben stammen nun von Sunstar. Am Hinterrad hat sich der Durchmesser der Narbe um 12 mm auf 58 mm vergrößert, damit wurde ein Wunsch der Rennteams umgesetzt. Bei den Reifen vertraut man nun auf die neuen Geomax MX34 von Dunlop. Der oversized Renthal Fatbar Lenker kann in vier verschiedenen Klemmpositionen montiert werden. An ihm stellen nun mittelweiche odi Lock-On-Griffe die Verbindung zu den Händen her. Die Fußrasten können weiterhin in zwei Positionen, mit 5 mm Höhenunterschied, befestigt werden, eine weitere Möglichkeit zur individuellen Einstellung der Fahrerposition.
Kawasaki KX450 2024 elektrische Fahrhilfen
Neben der Hardware sollen einige elektronische Fahrhilfen und Werkzeuge für maximalen Fahrspaß und top Performance in unterschiedlichen Bedingungen sorgen. An der neuen Schalteinheit links am Lenker können über einen blauen Power Mode-Knopf zwei verschiedene Mappings ausgewählt werden. Mit dem darunter liegenden grünen Knopf können drei verschiedene Modi für die Traktionskontrolle (aus, weich und hart) eingestellt werden. Drückt man beide Knöpfe, wird die Launch Control als Hilfe für den Rennstart aktiviert. Mit der RIDEOLOGY App kann das Motorrad nun kabellos per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden werden. Neben Funktionen zum Monitoring, Notizen zu Service-Intervallen und Set-Ups ist insbesondere die Möglichkeit zur Erstellung von individuellen Mappings des Motors interessant. Über ein Anpassen von Benzinmenge und Zündzeitpunkten in den verschiedenen Drehzahlbereichen kann so die Motorcharakteristik verändert und auf das Motorrad gespielt werden.
Die KX450 auf der Strecke
Das sind viele Veränderungen mit dem Versprechen einer besseren Performance in allen Bereichen. Sind wir mal ehrlich: das hört man so gut wie jedes Jahr von jedem Hersteller. Und alles neu hat in der Vergangenheit nicht immer auf Anhieb zu einer tatsächlichen Verbesserung geführt. Auf Roccos Ranch in Spanien, etwas nördlich von Barcelona gelegen, hatten wir die Gelegenheit, der neuen KX450 sowohl auf der schnellen, sprunggewaltigen MX Pro-Strecke mit festem Untergrund als auch auf einer langsameren, engeren Strecke mit weicherem Boden intensiv auf den Zahn zu fühlen.
Von Beginn an fühle ich mich auf der KX450 des Jahrgangs 2024 wohl. Die Sitz- und Stehposition fühlt sich für mich neutraler und besser an als beim Vorgänger, bei dem ich eher das Gefühl hatte im Motorrad zu sitzen bei einer tendenziell hohen Front. Nun sitze ich eher auf dem Motorrad und die Front fühlt sich ausgewogen neutral an. Die Fußrasten sind für mich auf der niedrigeren Position montiert, da ich mit 1,87m Körpergröße und langen Beinen eher zu den Nicht-Durchschnitts-Japanern zähle. Der Lenker ist auf der Standard-Position geblieben. Zunächst fahre ich im Standard-Modus los, das ist der aggressivere Power Mode, und die Traktionskontrolle ist ausgeschaltet. Auch beim Fahren fühlt sich die KX450 neutral und gut ausbalanciert an und lenkt bereitwillig dorthin, wo ich es möchte. Dabei ist es egal, ob es sich um enge Kurven oder schnelle Streckenpassagen handelt, ob ich mich auf dem Boden oder in der Luft befinde. Ich bin begeistert! Der Motor zieht kraftvoll und satt durch, ist aber für mich als erfahrenen Pro- bis Expert-Fahrer gut beherrschbar.
Das Fahrwerk arbeitet tadellos in den Spurrillen auf den gegrubberten Streckensektionen und schluckt auch die großen Sprünge gut weg. Lediglich beim Anbremsen taucht mir die Gabel ab und zu etwas zu sehr ein. Doch nachdem ich die Compression an der Gabel drei Klicks härter gestellt habe, ist das Problem weg und ich habe ein noch besseres Gefühl für das Vorderrad.
Die Bremsen fühlen sich gut an, gerade die Vorderbremse fühlt sich für mich angenehmer als ihr Nissin-Vorgänger an. Der Hebel ist etwas breiter und bietet eine größere Auflagefläche für den Zeigefinger, was mir besser gefällt und ein besseres Gefühl für den klaren Druckpunkt gibt. Die Hydraulikkupplung lässt sich ebenso gut betätigen und dosieren. Die odi-Griffe fassen sich gut an und ich verstehe ohnehin nicht, weshalb nicht alle MX-Bikes nur noch mit den praktischen Lock-On-Griffen ausgestattet werden. Auf dem neuen Bodywork kann ich mich gut bewegen und ich stelle keine störenden Kanten oder Löcher fest und habe immer guten Kontakt zum Bike. Ich bin positiv angetan von der neuen Kawasaki.
Die Elektronik der Kawasaki KX450 2024 - Ein Modus für jede Strecke
Auch wenn ich nicht das Gefühl habe, von der Leistungsentfaltung überfordert zu sein, aktiviere ich die weichere Traktionskontrolle und merke sofort, wie mir diese auf rutschigen Stellen hilft, noch mehr Traktion zu finden, ohne dass ich mich von ihr bevormundet fühle. An ein, zwei kniffligen Stellen komme ich nun sogar noch etwas besser über das folgende Hindernis, die Traktionshilfe kann also auch schnelle Fahrer unterstützen. Den zweiten, stärker eingreifenden Modus der Traktionskontrolle taufe ich bei trockenen Bedingungen liebevoll Idiotensicher-Modus, denn etwas überspitzt dargestellt egal, wie stark ich das Gas nun aufdrehe, das Motorrad bleibt wie auf Schienen in der Spur. Bei feuchteren Bedingungen kann er für den nicht so versierten Piloten eine echte Hilfe sein, um die Leistung der 450er kontrolliert und damit sicher auf den Boden zu bringen. Nun stelle ich den zweiten Mappingmodus ein und deaktiviere die Traktionskontrolle wieder. Die Leistungsentwicklung ist nun insbesondere zu Beginn sanfter, doch obenrum zieht der Motor nach wie vor ganz gut durch und ich komme mir nicht unbedingt langsamer oder eingebremst vor. Dieser sanftere Modus ist etwas kraftschonender zu fahren und insbesondere auf der engeren Teststrecke gefiel er mir sogar besser, da man mit ihm gefühlvoller aus den Kurven beschleunigen kann. Auch hier spiele ich mit den Traktionskontrollen rum und muss feststellen, dass jeder der insgesamt sechs möglichen Kombinationen aus Power Mode und Traktionskontrolle je nach Streckentyp und Bodenbedingungen durchaus Sinn machen kann. Zusätzlich kann man den Charakter des Motorrades mit der App schnell weiter anpassen, zum Beispiel noch etwas mehr Spritzigkeit oder Überdrehfreude einprogrammieren, ohne dabei etwas kaputt machen zu können.
Mit der Launch Control bei meinen Startversuchen fiel es mir schwer, ein Fazit zu finden. Dazu muss ich sagen, dass ich kein aktiver Rennfahrer mehr bin und auch nicht permanent auf einer 450er Starts hinlege. Sie greift auf jeden Fall beim Holeshot-Versuch ein, doch ich griff auch immer wieder vorsorglich in die Kupplung, um ein Aufsteigen des Motorrades zu verhindern, vielleicht auch aus einprogrammiertem Reflex in meinem Körper. Der Holeshot-Assistent soll laut Aussagen der Entwickler ziemlich nahe an dem dran sein, was auch die Werksfahrer einsetzen. Etwas mehr Startroutine und Zeit zum Austesten der Starhilfe ist vermutlich hilfreich, Vollgas geben und einfach Kupplung schnalzen lassen funktioniert also nicht.
Kawasaki KX450 2024 - Ein großer Vertrauensbeweis
Alles in allem hat mich die Kawasaki KX450 von 2024 positiv beeindruckt. Sie ist vom Fahrverhalten ausbalanciert und dabei agil und handlich, besitzt einen guten Motor und macht einfach Spaß. Sie hat mir sogar so viel Vertrauen gegeben, dass ich am Ende sogar den größten Sprung auf Roccos Ranch, ein Bergauf-Triple mit ungefähr 40 Metern Flugweite, gewagt und auch erfolgreich überwunden habe. Für ein Serienbike, das out of the box kommt, war das ein hoher Vertrauensbeweis. Mit den vielen individuellen Einstellungs- und Abstimmungsoptionen dürften Fahrer jedes Fahrlevels ihr optimales Setup für die KX450 finden.
Kawasaki KX450 2024 Preis
In Deutschland kostet die KX450 inkl. Überführungskosten 10.645 Euro (50th Anniversary Edition 10.845 Euro) und 10.649 Euro (50th Anniversary Edition 10.849 Euro) in Österreich.
BUSTY WOLTER
Weitere Berichte
Fazit: Kawasaki KX450 2024
Die Kawasaki KX450 von 2024 ist vom Fahrverhalten ausbalanciert und dabei agil und handlich, besitzt einen guten Motor und und macht einfach Spaß. Sie gibt dem Fahrer viel Vertrauen und Zuversicht für flottes Tempo, harte Strecken und große Sprünge. Mit den vielen individuellen Einstellungs- und Abstimmungsoptionen dürften Fahrer jedes Fahrlevels ihr optimales Setup für die KX450 finden.- Gute Balance
- Ausgewogenes Fahrverhalten
- Gleichmäßiger Motor
- viele individuelle Einstellungsoptionen für Chassis und Motor
- Kabellose Smartphone Konnektivität
- Preis von über 10.000 € nicht wenig, heutzutage aber leider öfter der Fall bei neuen MX-Eisen
Bericht vom 06.12.2023 | 13.571 Aufrufe