Aprilia Tuareg 660 im Offroad-Test auf der Bosnia Rally 2023

Italienische Leichtgkeit

Offroad ist weniger mehr, besonders beim Gewicht. Doch nicht nur deshalb hat die Aprilia Tuareg 660 bei der Bosnia Rally die Herzen erobert.

Die Bosnia Rally ein mitreißendes Abenteuer jenseits von herkömmlichen Rennen! Ein harmonisches Zusammenspiel von kameradschaftlicher Atmosphäre und intensivem Trainingsgeist. Und wir waren mit der Aprilia Tuareg 660 mittendrin. Wer die Herausforderung liebt, die Kunst der Navigation beherrscht und mit Leidenschaft im losen Gelände unterwegs ist, ist hier richtig. Egal ob schnittige Sportenduros oder kraftvolle Adventure-Bikes, jeder Fahrertyp ist dabei. Bosnien bietet die perfekte Kulisse für dieses außergewöhnliche Ereignis. Ausgehend von Kupres führt uns die Bosnia Rally in fünf anspruchsvollen Etappen durch die atemberaubendsten Landschaften des Landes. Die Teilnehmer erwarten realistische Bedingungen einer echten Rallye von der technischen Abnahme bis zu den Checkpoints, alles wie im echten Motorsport, doch ohne Zeitmessung und ohne Wertung der Etappen hier geht es um das entspannte Navigieren, um das perfekte Training für kommende Offroad-Herausforderungen. Nur straßenzugelassene Motorräder sind erlaubt, denn auch der ein oder andere Kilometer auf der öffentlichen Straße kommt unter die Räder. Doch der Fokus liegt klar beim losen Gelände, an vielen Stellen durchaus knackig und fordernd, weshalb schon entsprechend Erfahrung auf unbefestigten Untergründen gefragt ist. Offroad-Fahren ist hier das Credo, Schotter und unwegsames Terrain sind der Spielplatz. Eine Mindestreichweite von 150 km wird erwartet, und mit dem Roadbook oder Navigationsgerät entdecken wir die wilden Berge Bosniens, tauchen ein in kulinarische Genüsse und lassen uns von faszinierenden Eindrücken verzaubern. Nebenbei testen wir auch noch acht moderne Enduros intensiv auf ihre Offroadtauglichkeit. Den Anfang macht nun die Aprilia Tuareg 660.

Technische Daten der Aprilia Tuareg 660

Doch zuerst ein Wort zu den technischen Eckdaten. Die Aprilia Tuareg 660 präsentiert sich mit einem flüssigkeitsgekühlten Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, 659 ccm Hubraum und einer Leistung von 80 PS bei 9.250 U/min. Das maximale Drehmoment beträgt 70 Nm bei 6.500/min. Die Maschine verfügt über ein Sechsganggetriebe mit Kette. Vorne federt eine voll einstellbare Kayaba-USD-Gabel mit einem Federweg von 240 mm, während hinten eine Aluminium-Zweiarmschwinge mit einem ebenfalls voll einstellbaren Kayaba-Zentralfederbein verwendet wird, ebenfalls mit mächtigen 240 mm Federweg. Das Bremssystem umfasst eine Doppelscheibenbremse vorne (Durchmesser 300 mm) mit Vierkolbenbremszangen sowie eine Einzelscheibe hinten (Durchmesser 260 mm) mit Einkolbenbremszange. Die Speichenräder tragen vorne einen Reifen der Größe 90/90 R 21 und hinten 150/70 R 18. Der Radstand beträgt 1,525 m, die Sitzhöhe liegt bei 860 mm. Mit voll aufgetanktem 18 Liter Tank kommt die Aprilia Tuareg 660 auf von uns gemessene 205,5 kg Fahrzeuggewicht.

Aprilia Tuareg 660 - ein Leichtgewicht im Offroad-Einsatz

Mit ihren 205 Kilogramm ist die Aprilia Tuareg ein Leichtgewicht unter den Reiseenduros. Und, man glaubt es kaum, sie fühlt sich trotzdem leichter an als sie ist. Schon auf der ersten Etappe der Bosnia-Rally sorgt sie für freudestrahlende Testfahrer und Kommentare wie das Teil wiegt ja gar nix!. Alle sind sich einig: Auf der schlanken Aprilia fühlt man sich wohl. An der schmalen Seitenverkleidung finden die Knie sofort guten Halt, die Rasten liegen gefühlt weit unten, der breite Lenker dafür weit oben. Ein offener, aufrechter Stand ergibt sich aus diesen Punkten und besonders großen Fahrern (über 1,80 Metern Körpergröße) taugt die Ergonomie der Tuareg.

Über Lenker, Knie und Rasten gibt man auch schnell gezielte Impulse, welche die Tuareg mit großem Engagement leichtfüßig verarbeitet. Es scheint fast, als genüge schon der Gedanke an ein Fahrmanöver und die Italienerin führt es in vorauseilendem Gehorsam selbstständig aus. Alles ist spielerisch, neben dem Handling auch die leichtgängige Kupplung, das Getriebe und sogar der Gasdrehgriff.

Auch der Motor passt in dieses Bild. 659 Kubikzentimeter groß und 80 PS stark der aus den sportlichen Straßenmodellen RS 660 und Tuono 660 bekannte Reihentwin mit 270 Grad Hubzapfenversatz wurde für die Tuareg zwar domestiziert, doch im Herzen bleibt er ein quirliger und sportlicher Vertreter seiner Zunft. Bei niedrigen Drehzahlen verwöhnt er nicht mit besonders viel Drehmoment, dafür gibt´s früh ordentlichen Rundlauf und eine starke Mitte. Und mehr Spitzenpower als 80 PS braucht´s auf der Straße selten, abseits davon fast nie. An den steilen Schotterhängen der bosnischen Wildnis erfreut man sich mehr an der feinen Dosierbarkeit des Vortriebs über den erwähnt leichtgängigen Gasgriff. Im aggressiven Mapping setzt die Aprilia kurze Gasstöße direkt um, was besonders bei größeren Hindernissen von Vorteil ist.

Schwachstellen der Aprilia Tuareg 660 im Offroad-Betrieb

Sehr aggressiv zeigt sich dagegen die Bremse. Vorne lässt sie sich noch gut dosieren, doch hinten blockiert das Rad schon bei leichtem Druck auf den Fußhebel. Problematisch, denn der spritzige Motor mit wenig Schwungmasse stirbt daraufhin abrupt ab, was bewirkt, dass das Rad auch dann weiter blockiert, wenn man die Bremse wieder löst. Wer beim daraus resultierenden Quersteher nicht schnell genug an der Kupplung ist, liegt auf der Nase. So weit kam es bei der Bosnia Rally zum Glück nicht, doch diverse ungewollte Drifts und Fast-Abflüge verschiedener Fahrer konnten wir verzeichnen. Wer das einmal erlebt hat, ist wachsam und lässt es kein zweites Mal so weit kommen ein gutes Gefühl geben solche Situationen aber freilich nicht.

Wie auch der Gedanke daran, dass im Falle eines Sturzes die Verschraubung des Schalthebels eine Sollbruchstelle zu sein scheint. Wie schon beim Offroad-Test vom Motorradmagazin MOTORRAD im vergangenen Jahr brach die Schraube bei einem harmlosen Umfaller. Weiterfahren zwar möglich, schalten aber nicht. Zum Glück gab´s im nächsten Ort eine Werkstatt, die die alte Schraube ausbohren und durch eine wertigere Ersetzen konnte. Kostenpunkt: 20 Euro, direkt zu bezahlen beim freundlichen bosnischen Mechaniker.

Macht Offroad fast alles mit - Aprilia Tuareg 660 Test

Und damit zurück zu den schönen Seiten der Aprilia Tuareg 660. Ihre Elektronik ist offroad nicht nur deshalb gut, weil man ABS (am Hinterrad) und Traktionskontrolle abschalten kann. Die TC lässt sich im Offroad-Modus während der Fahrt per Wippe feinjustieren und kappt die Power auf Wunsch erst so spät, dass sogar amtliche Drifts elektronisch überwacht drin sind. Der Quickshifter wechselt die Gänge zudem geschmeidig und schnell, sodass die Kupplung nur in technischen Passagen gebraucht wird. Hier kommt der Aprilia auch das große und schmale 21-Zoll-Vorderrad zugute, das sicher über Brocken, Wurzeln und Wellen läuft und auf Sand nicht so schnell ins Schwimmen kommt. Besonders nicht mit dem für den Test montierten Continental TKC 80 eigentlich ein 50/50-Reifen, beweist er sich auf allen losen bosnischen Untergründen erstaundlich gut und mag sie sogar lieber als den Asphalt.

Ob technisch-felsig oder schnell-schotterig, das softe und gut ansprechende Fahrwerk der Tuareg macht ebenfalls alles gerne mit. Viel Progression in der Dämpfung schafft Durchschlagresistenz, 240-Millimeter-Federwege bilden dafür einen angemessenen Rahmen. Die Federelemente der Aprilia zählen eindeutig zu den besseren im Testfeld. Und die Tuareg 660 selbst zählt unterm Strich zu den besseren Bikes im Testfeld. Supermoto-Racer Raffael kürt sie nach der letzten Etappe sogar zu seiner persönlichen Favoritin noch vor der leichteren GasGas ES 700 oder auch der Yamaha Ténéré 700 World Raid. Ein Ritterschlag für die Aprilia. Sie hat ihn sich verdient.

Einheitsreifen für die Bosnia Rally 2023: Conti TKC 80

Auf unserer Tour waren wir mit einheitlicher Bereifung von Continental unterwegs - die Wahl fiel auf den TKC 80. Für den harten Offroad-Einsatz war ein bewährtes Produkte mit Nehmerqualitäten gefragt. Der TKC 80 ist mit kleineren Überarbeitungen seit insgesamt 36 Jahren am Markt erhältlich und das nicht ohne Grund, wie auch wir im Laufe der 6 Offroad-Tage feststellen durften. Der Pneu, welcher von Conti selbst als 50/50 Dualsport Reifen ausgeschildert wird, zeigte sich extrem robust, verschleißarm und verlässlich. An 8 verschiedenen Fahrzeugen montiert, war insgesamt nur ein Reifenschaden festzustellen. Letzter auch nur, weil wir auf einem schnellen Abschnitt einen Felsbrocken übersehen hatten. Somit brechen wir guten Gewissens für den Conti die Lanze und nennen den TKC 80 als echte Empfehlung für diese Art von Abenteuer. Auf Asphalt vergleichsweise leise und gutmütig im Grenzbereich, im Gelände super vielseitig einsetzbar. Ein echter Evergreen unten den Grobstollern!

Auf Abwegen - Navigation auf der Bosnia Rally mit dem Garmin zumo XT2

Die Bosnia Rally beschreibt sich selbst als Roadbook-Training, es gibt jedoch auch die Möglichkeit einfach per Navigationsgerät dem Track nachzufahren. Für unsere Filmaufnahmen mussten wir teilweise Streckenabschnitte auch mehrfach befahren und da sich Roadbooks eher schlecht mit willkürlichen Richtungsänderungen und Backtracking vertragen, haben wir stattdessen auf das neue Motorrad-Navi Garmin zumo XT2 gesetzt. Dank der stabilen Halterung, robuster Technik und großem, hochauflösenden Display überlebte das zumo XT2 unbeschadet die 1000 materialmordenden Kilometer und führte uns verlässlich ans Ziel. Alle unsere Testeindrücke zu diesem High-Tech-Navigationsgerät findet ihr hier.

Leicht, doch robust - Die passenden Gepäcklösungen für die Bosnia Rally von Enduristan

Kameraequipment, Werkzeug, Reifenflickzeug, Reservehebel und der ein oder andere Snack - Auf der Bosnia Rally führten wir schon einiges an Equipment mit. Um die Rücken während der anspruchsvollen Etappen nicht noch zusätzlich zu belasten, wurde der Großteil davon auf den Motorrädern angebracht. Doch ein möglichst geringes Gewicht ist das oberste Gebot im Offroad-Einsatz, also wurden die Bikes nicht mit klobigen Koffern, sondern Softgepäcklösungen von Enduristan ausgestattet. Seitentaschen, Gepäckrollen, Lenkertaschen und Tankrucksäcke boten uns ausreichend Platz und überstanden auch die Strapazen der Rally. So blieben die Rücken frei für die 3-Liter Trinkblase und passende, schmale Rucksäcke von Enduristan. Durch die universellen Montagemöglichkeiten, praktischen Features und robuste Verarbeitung war unser Enduristan Equipment perfekt für die anspruchsvolle Bosnia Rally.

Fazit: Aprilia Tuareg 660 2023

Die Aprilia Tuareg 660 ist eine extrem leichtgängige Reiseenduro. Das gilt für den linear hochdrehenden Motor, die feine Kupplung und das niedrige Gewicht der Italienerin. Vor allem Offroad kann sie damit punkten. Bei der Bosnia Rally machte sie fast alles mit und konnte selbst im knackigen Gelände überzeugen. Kleine Schwachstellen, wie ein zu schnell absterbender Motor und eine bruchgefährdete Schraube am Schalthebel, können den Spaß auf ihr kaum trüben. Mit ihren mächtigen Federwegen ist das Leichtgewicht interessant für alle Reiseenduro-Piloten, die Offroad-Ambitionen besitzen, aber mehr Elektronik möchten als in der puristischen Yamaha Tenere.


  • Lineare, fein dosierbare Leistungsentfaltung
  • Fein dosierbare Kupplung
  • Gelungene Ergonomie, sitzend wie stehend
  • Üppiges, gut funktionierendes Elektronik-Paket
  • Gutes Fahrwerk mit langen Federwegen
  • Motor hat wenig Schwungmasse, neigt zum schnellen Absterben
  • Hinterradbremse beißt für losen Untergrund etwas zu scharf zu
  • Wenig robuste Aluguss-Schraube am Schalthebel als Schwachstelle bei Umfallern/Stürzen

Bericht vom 16.08.2023 | 20.101 Aufrufe

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