Honda Transalp vs. Africa Twin - Vergleichstest: Welche für wen?

Muss es immer die Große sein?

Die mit Sehnsucht erwartete neue Transalp hat den Reiseenduromarkt ordentlich aufgemischt. Wie nahe kommt sie ihrer großen Schwester Africa Twin? Ist sie gar für den ein oder anderen die bessere Wahl? Poky und Wolf finden es heraus!

Honda Transalp vs. Africa Twin - Technische Daten im Vergleich

Die Honda Transalp wird oft als die kleine Schwester der Honda Africa Twin betrachtet. Bevor wir zu den Fahreindrücke kommen, lassen wir in den nächsten Absätzen die nackten Zahlen sprechen um verorten zu können wie eng dieses Duell werden wird.

Die XL750 Transalp ist mit ihrem 4-Takt-Reihe-2-Zylinder-Motor, der eine Einspritzung aufweist und einen Hubraum von 755 Kubikzentimetern hat, die direkte Konkurrentin zur CRF1100L Africa Twin mit ihrem 4-Takt-Reihe-2-Zylinder-Motor und 1.084 Kubikzentimeter Hubraum. Im Vergleich zur XL750 Transalp bietet die CRF1100L Africa Twin mit 105 Newtonmetern Drehmoment bei 6.250 Umdrehungen pro Minute deutlich mehr Kraft im Vergleich zu den 75 Newtonmetern Drehmoment bei 7.250 Umdrehungen pro Minute der XL750 Transalp.

Bei der Federung der XL750 Transalp kommt vorne eine in Federvorspannung verstellbare Telegabel Upside-Down von Showa mit einem Standrohr-Durchmesser von 43 Millimetern zum Einsatz, während hinten ein in Federvorspannung verstellbares Monofederbein von Showa zum Einsatz kommt. Die CRF1100L Africa Twin hingegen verfügt über eine in Druckstufe, Federvorspannung und Zugstufe verstellbare Telegabel Upside-Down von Showa mit einem Standrohr-Durchmesser von 45 Millimetern vorne und ein in Druckstufe, Federvorspannung und Zugstufe verstellbares Monofederbein von Showa hinten. Die Federwege der CRF1100L Africa Twin betragen vorne 230 Millimeter und hinten 220 Millimeter, was deutlich mehr ist als die 200 Millimeter vorne und 190 Millimeter hinten der Honda XL750 Transalp.

In Bezug auf die Bremsen verfügt die XL750 Transalp vorne über eine Doppelscheibe mit 310 Millimeter Durchmesser und einer Zweikolben-Zange von Nissin, während hinten eine Scheibe mit 256 Millimeter Durchmesser und einer Einkolben-Zange verbaut ist. Die CRF1100L Africa Twin ist mit vorderen Doppelscheiben von 310 Millimeter Durchmesser und einer Vierkolben-Zange ausgestattet und hinten befindet sich eine Scheibe mit 256 Millimeter Durchmesser und einer Einkolben-Zange. Bezüglich der Bereifung verwenden sowohl die XL750 Transalp als auch die CRF1100L Africa Twin vorne die klassische Endurobereifung, also Reifen der Größe 90/90-21 und hinten Reifen der Größe 150/70-18.

Der Radstand der Honda XL750 Transalp beträgt 1.560 Millimeter, und die Sitzhöhe beträgt 850 Millimeter. Die Honda CRF1100L Africa Twin ist etwas länger mit einem Radstand von 1.574 Millimetern und bietet eine Sitzhöhenverstellung von 850 bis 870 Millimeter. Was das Tankvolumen betrifft, kann die XL750 Transalp 16,9 Liter Sprit aufnehmen, während die CRF1100L Africa Twin mit 18,8 Litern Tankvolumen ausgestattet ist. In puncto Gewicht ist die CRF1100L Africa Twin mit einem fahrfertigen Gewicht von 226 Kilogramm deutlich schwerer als die XL750 Transalp, die 208 Kilogramm wiegt. Beim Nachwiegen auf der 1000PS Viehwaage mit randvollem Tank werden daraus bei der großen Schwester 232 kg und auch die kleine bringt es immerhin auf 211 Kilogramm. Eine Differenz von über 20 Kilo ist schon eine Ansage!

Transalp vs. Africa Twin: Unterschiede im Fahrbetrieb - Bremse und Fahrwerk

Das starke Gefälle und die engen Kehren, die die Straße auf die Wand, wie sie bei den Einheimischen heißt, bieten ideale Testbedingungen für Bremsen und Fahrwerke der Honda-Schwestern. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: die Vierkolbenanker der Africa Twin verzögern deutlich vehementer als die Doppelkolbenanlage der Transalp. Verstärkt wird das Gefühl noch dadurch, dass die Twin mit ihren längeren Federwegen stärker eintaucht, wenn man ordentlich zupackt. Die Dosierbarkeit beider Bremsen ist als vorbildlich zu bezeichnen. Das als Sicherheitsfeature gedachte Aktivieren der Warnblinkanlage kann bei flotter Kurvenhatz mit entsprechenden Verzögerungswerten zur Ablenkung beim Hintermann führen. Auf der Straße hat die Africa Twin beim Thema Bremsen also die Nase vorn, im Gelände relativiert sich dieser Vorsprung etwas. Das Hinterrad-ABS ist bei beiden Reiseenduros (mühsam, aber doch) deaktivierbar, schräglagenabhängig arbeitet der Blockierverhinderer nur in der Africa Twin.

Fahrwerksseitig kommt die Transalp nicht an die Africa Twin heran. Weder Einstellbereich (AT: voll verstellbar, Transalp nur in der Vorspannung) noch die Güte der verbauten Elemente erreichen auf der Newcomerin das Niveau der großen Schwester. Hier wurde im wahrsten Sinne des Wortes spürbar der Sparstift angesetzt. Das Ansprechverhalten der Africa Twin-Gabel ist deutlich feinfühliger, trotz der längeren Federwege ist die Transparenz fürs Vorderrad auf einem wirklich guten Level. Bei den Federbeinen gestaltet es sich ähnlich: Besonders in flotteren Kurven mit Unebenheiten kommt deutlich Bewegung ins Heck der Transalp. Das Federbein neigt zum Pumpen, je höher das Fahrergewicht, desto stärker macht sich das bemerkbar. Von alledem bleiben Piloten der Africa Twin verschont, souverän dämpft die 1100er alle Schläge und Unebenheiten weg. Auch im Gelände stößt man mit der größeren Honda deutlich später an die Grenzen des Möglichen als im Sattel der Transalp. Das ist zum einen der größeren Bodenfreiheit geschuldet, zum anderen an der deutlich weniger tauglichen Stehposition auf der Transalp.

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Ergonomie, Soziustauglichkeit und Windschutz im Duell: Honda Africa Twin und Transalp

Die Sitzposition ist auf beiden Enduros sehr entspannt und dank des offenen Kniewinkels absolut langstreckentauglich. Die Africa Twin bietet insgesamt mehr Platz (für Fahrer und Sozius) und einen breiteren Lenker, der das Rangieren und das Durchfahren enger Kehren millimetergenau ermöglicht. Sie ist bestimmt die handlichste Groß-Enduro am Markt. Die Sitzhöhen der beiden Enduros sind ident, wobei die Africa Twin zusätzlich eine um 2 Zentimeter höhere Sitzposition bietet, die ich allen Piloten über 1,80 Meter ans Herz lege. Abzüge gibt es bei der Sitzbank-Güte: Das Gestühl auf der größeren Honda fordert den Fahrer auf längeren Etappen und der Soziuspolster ist relativ stark nach vorne geneigt, sodass auch in Reihe zwei Komforteinbußen verzeichnet werden müssen.

Beim Thema Windschutz überflügelt die kleine Schwester ihre offroad-orientierte Verwandtschaft. Der Windschild ist deutlich höher und durch die mehr ins Fahrzeug integrierte Sitzposition, bleiben große Teile des Oberkörpers vor Wind und Wetter verschont. Auf der Africa Twin hingegen thront der Fahrer aufrecht und je nach Körpergröße ungeschützt im Wind, der Schutz von unten bis zur Körpermitte ist jedoch besser als auf der Transalp. Mit dem Windschild aus dem Honda-Originalzubehör bekommt man den Windschutz auf ein angemessenes Niveau, so wie ich es bei meinem Africa Twin TuneUp 2021 umgesetzt habe. Möglichkeiten zur Windschild-Verstellung sucht man an beiden Bikes vergeblich. Das Fahren zu zweit ist auf beiden Motorrädern gut möglich. Auf der Africa Twin dürfen 220 kg zugeladen werden, während es auf der Transalp immerhin noch 207 kg sind. Die Platzverhältnisse in Reihe zwei sind auf der kleineren Honda erwartungsgemäß etwas beengter als auf der großen Schwester.

Parallel-Twins und Elektronik im Vergleich Honda 750XL Transalp vs. CRF1100L Africa Twin

Im direkten Leistungsvergleich gibt es für die Transalp natürlich keinen Blumentopf zu gewinnen. Zwar liegt ihre Spitzenleistung nur 10 PS unter der der Africa Twin, aber schon beim maximalen Drehmoment zeigt sich mit 75 vs. 105 Nm ein klares Bild. In der Praxis noch wichtiger ist allerdings das Drehzahlniveau, bei dem sich die Werte ergeben. In der Praxis deutlich spürbar: Die kleine Delle des Drehmomentverlaufs zwischen 3. und 4.000 U/Min bei der Transalp. Gerade aus dem Keller kommt die Africa Twin unvergleichlich kraftvoll daher. Die Transalp kann dafür mit einer linearen Kraftentfaltung und einer sanfteren Motorabstimmung und Ansprechverhalten glänzen, nur im Sportmodus wird die Reiseenduro bissiger. Herrlich ins Bild passt der perfekt abgestimmte Quickshifter, der den in der Africa Twin in den Schatten stellt. Rund 300 Euro Aufpreis für den Schaltautomaten zahlt man da wie dort, das Geld ist jedoch gut investiert. Auch vom Sound her sind Africa Twin und Transalp richtig gut aufgestellt, beide Motoren arbeiten mit einem 270 Grad Hubzapfenversatz und bollern herrlich vor sich hin.

Wer auf Individualisierung steht, wird bei den Honda Reiseenduros fündig. Zahlreiche Fahrmodi für Fahrten im Gelände und auf der Straße stehen zur Wahl, wobei die Africa Twin überall noch etwas mehr und weiterreichende Individualisierungsmöglichkeiten bietet. Details entnehmt ihr bitte den Einzeltests zu Honda Africa Twin und Honda Transalp. Das Ansprechverhalten der Africa Twin in den Asphalt-Modi ist relativ scharf, den Tourmodus verwende ich so gut wie nie.

Das Thema Connectivity wird bei keiner anderen Reiseenduro am Markt so intensiv gelebt wie bei der Africa Twin . Die Transalp kommt hier nicht mit bzw. bietet nur die normale Basis-Connectivity, die mittels Honda-App eine Verbindung von Handy und Motorrad erlaubt. Manche Fahrer lehnen das Thema Konnektivität am Motorrad grundsätzlich ab, da sie im Sattel nicht vom Wesentlichen abgelenkt werden möchten. Die vier Darstellungsvarianten des Displays sind gefällig und die Ablesbarkeit vorbildlich. Schlechter gelöst als auf der Africa Twin, die den USB-Port im Cockpit bietet, ist die Positionierung der Ladebuchse unterm Sitz. Optional steht bei beiden Modellen eine 12V-Buchse im Cockpit zur Verfügung.

Fazit zum Vergleich Honda Transalp vs. Honda Africa Twin: Muss es die Große sein?

Honda hat mir der neuen Transalp eine zugängliche Reiseenduro auf den Markt gebracht, die sich in vielen Disziplinen als ernstzunehmende Konkurrenz auch für ihre große Schwester Africa Twin präsentiert. Hat man ernste Offroad-Abenteuer vor, lohnt sich der Griff zur Geländelegende Africa Twin allerdings relativ schnell. Bei der Transalp fehlen elementare Features wie Handguards und Motorschutz fehlen (bzw. müssen im Zubehör geordert werden), die Stehposition ist gewöhnungsbedürftig und auch das Fahrwerk kommt im groben Single Trail an seine Grenzen. Im geteerten Alltag hingegen weiß die Transalp zu glänzen, sie ist das ideale Brot und Butter-Motorrad, das einen nie im Stich lässt. Das Messer lässt man lieber zu Hause als es zwischen die Zähne zu stecken, dafür sind Fahrwerk und Bremsanlage nicht ausgelegt. Für Weitreisende ist zudem das Fehlen eines Tempomaten (den es leider auch nicht gegen Aufpreis gibt) ein echter Wermutstropfen. Bei der großen Schwester gibt es dann einfach alles noch feiner, insbesondere Bremsen, Fahrwerk und Connectivity sind auf einem anderen Level. Auch der kraftvolle 1100er Motor ist ein echtes Erlebnis, wenngleich er im Tour-Modus ruppig zu Werke geht. Hier bietet die Transalp mit dem 750er ein sanfteres Gegenstück, das um richtig Leistung abzurufen aber gedreht werden will und in den höheren Gängen etwas zu lange übersetzt ist.

Hinweis: Das Fazit zu Africa Twin und Transalp unten, wurde aus den letzten Einzeltests der beiden Bikes übernommen.

Fazit: Honda CRF1100L Africa Twin 2023

Die Africa Twin ist für mich eine Reiseenduro wie eine Reiseenduro sein soll. Das galt schon fürs Vorgänger-Modell und änderte sich auch mit dem Anwachsen von Hubraum und Leistung nicht. Weil diese mit 102 PS zum einen überschaubar blieb und es Honda dabei sogar schaffte, ein paar Kilo gegenüber der CRF1000L abzuspecken. Also blieb ihr die Vielseitigkeit, funktioniert sie auf der Autobahn genauso wie im Gelände. Das Fahrwerk schluckt so ziemlich alle Unebenheiten, der Motor bleibt in jeder Lebenslage souverän, Ergonomie und Sitzkomfort sind beispielhaft. Ein Motorrad für alle Tage genauso wie für die große Reise – wo immer die auch hingehen mag.


  • durchzugsstarker Motor
  • ausgereifte elektronische Fahrhilfen
  • wunderbar funktionierendes DCT (Option)
  • Touch-Screen-Farbdisplay
  • gute Ergonomie
  • Langstreckentauglichkeit
  • Windschild gut für Offroad
  • Bedienkonzept der Elektronik wenig übersichtlich und intuitiv
  • Handguards für Offroad-Einsatz wenig robust
  • Windschild bietet überschaubaren Schutz
  • Ergonomie für stehendes Fahren nicht ideal

Fazit: Honda XL750 Transalp 2023

Die Honda XL750 Transalp schafft auch 2023 den Spagat zwischen verschiedenen Disziplinen des Motorradfahrens und brilliert überall dort, wo es nicht zu extrem wird. Ihre größten Stärken sind der zugängliche, doch spaßige Motor, ihr niedriges Gewicht und das daraus resultierende einfache Handling. Diese Zugänglichkeit und nicht zu vergessen der sehr preiswerte Kaufpreis haben aber zur Folge, dass die Transalp nicht die feinsten Komponenten mit an Bord hat. Das weiche Fahrwerk und die Bremsen bieten viel Komfort und bewältigen alle gemäßigten Fahrsituationen souverän, doch gnadenlose Kurvenjagd oder hartes Gelände sind zu viel des Guten. Hinzu kommt noch der japanische Fokus auf Sicherheit, wodurch die Elektronik sehr vorsichtig und konservativ ausfällt. Doch die Aufgabe der Transalp ist es nicht Rennen oder Rallyes zu gewinnen, sondern Alltagsfahrer und Langstrecken-Tourer souverän durch die Welt zu tragen. Und das kann sie! Nur eines schmerzt hier: Der fehlende Tempomat.


  • Zugänglicher, doch spaßiger Motor
  • Gut geeignet für kleine Piloten, doch gleichzeitig auch Platz genug für große Fahrer
  • Gute Verarbeitung
  • Top Quickshifter (optional)
  • Top Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Niedriges Gewicht
  • Leichtes Handling in allen Situationen
  • Niedriger Verbrauch
  • Kein Tempomat, auch nicht im Zubehör
  • Auf Komfort getrimmte Komponenten kommen unter härteren Bedingungen schnell an ihre Grenzen
  • Relativ wenig Schräglagenfreiheit
  • Sehr vorsichtig abgestimmte Elektronik

Bericht vom 08.08.2023 | 45.047 Aufrufe

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