Entscheidungshilfe Royal Enfield Scram 411
Wer sollte die Scram 411 kaufen und wer nicht?
Es muss nicht immer teuer sein: Die Royal Enfield Scram 411 ist ein simples, bodenständiges Bike, welches viel Retroflair für überraschend wenig Geld versprüht. Mit überraschend guten Fahreigenschaften.
Wenn man durch die Kataloge der Hersteller blättert, dann kann einem schon mal der Schlag treffen: 9.000 Euro aufwärts hier, 30.000 Euro ohne Vollausstattung da. Wahnsinn! Galt das Motorrad früher mal als das Fortbewegungsmittel für jene, die sich kein Auto leisten konnten, sind die Bikes von heute für viele zum Luxushobby geworden - natürlich nur zusätzlich zum eigenen Automobil. Speziell traditionsreiche italienische Rollermodelle bieten nicht mehr Leistung als die Royal Enfield Scram 411, überflügeln sie beim Preis aber enorm. Da fragt man sich unweigerlich: Ist die Royal Enfield einfach nur ein billiger Haufen Metall zum Diskontpreis oder einfach nur ein richtig leiwandes Angebot. Nach unserem zweiten Test in der heurigen Saison können wir sagen: Zweiteres - mit einem kleinen Haken!
Unsere Kollegin Juliane hat in ihrem Testbericht im Mai bereits die wichtigsten Eckdaten und Fahreindrücke zusammengetragen. Der neuerliche Test mit der charmanten Inderin hat die gewonnenen Fahreindrücke bestätigt. Aber auch aufgezeigt, dass die Zielgruppe für dieses Motorrad doch sehr breit ist. Darauf möchten wir hier näher eingehen.
Wer sollte eine Scram 411 kaufen?
Einzylinder, Langhuber-Charakteristik, 24 PS, 32 Nm, fünf Gänge, 185 kg Leergewicht, simple aber effiziente Technik. Topspeed rund 125 km/h. Werte, die man so ähnlich auch der 300-400-Kubik-Rollerszene kennt. Aber ist die Scram damit eine Roller-Alternative? Ja. Und nein. Denn was ihr fehlt, ist die Praktikabilität eines Rollers: Kein Wetterschutz, kein Stau- oder Helmfach, keine Variomatik. Im Sattel der Scram 411 braucht man einen Motorradführerschein, muss noch selbstständig schalten und etwas Gefühl für den Motorlauf mitbringen. Die Royal Enfield Scram 411 ist ein Scrambler, ein Motorrad, welches primär auf der Straße zu Hause ist, aber auch leichte Schotter- und Feldwege wegsteckt. Damit deckt sie theoretisch einen breiten Einsatzbereich ab. Aber in erster Linie ist die Scram ein schlankes, bodenständiges Alltagsmotorrad mit überraschend peppiger Optik. Royal Enfield macht keinen Hehl draus, die Jungen und die Junggebliebenen anzusprechen. Manche verwenden auch das Wort Hipster. Aber man kann auch ohne langen Bart, Bio-Baumwoll-T-Shirt vom Fairtrade-Store und Sonnenbrille auf die Scram steigen und sich cool fühlen. Die Inderin schafft den Spagat, sowohl Youngsters als auch Silberrücken zu einem zweiten Blick zu verführen. Und spätestens im Verkaufsraum, wenn man auf das Preisschild blickt, schaut man zweimal hin: 5.290 Euro in Österreich, 4.990 Euro in Deutschland. Um das Geld bekommt man keine 300er Vespa, mit viel Glück geht sich eine 125er aus. Aber die Scram ist ein echtes Motorrad und kein Cityroller mit Gestell fürs Bastkörbchen. Wer sie kaufen soll? Die Frage ist: Wer eher nicht?
Wer sollte die Scram 411 vielleicht nicht kaufen?
Ganz klar: die Sportfraktion! Knie am Boden? Geht mit der Scram sicher auch, will man aber nicht unbedingt ausprobieren. Warum? Weil die Scram kein Attackebike ist, sondern eine ausgewogene Tourerin. Mit ihren 24 drehmoment-orientierten PS ist sie auf den letzten Metern, bevor die 100 km/h-Marke überschritten wird, etwas träger unterwegs. Beschleunigungsduelle aus der Kurve heraus wird man auch keine gewinnen. Aber genau darum geht es bei dem Motorrad auch nicht. Der Sportfahrer wird auch den weichen, unpräzisen Druckpunkt der Vorderradbremse bemängeln. Und vielleicht auch das etwas hölzerne Gefühl der kühlen CETA-Reifen, wenn man bei niedrigen Asphalttemperaturen Gas geben möchte. Und das nichtverstellbare Fahrwerk arbeitet für Schräglagenkaiser zu weich und lässt somit in letzter Konsequenz Feedback vermissen.
Darum sollte man die Scram 411 kaufen
Wer im Sattel seiner Royal Enfield keine Hausstreckenrekorde brechen möchte, es auf der Autobahn nicht eilig hat und die Reise als Ziel betrachtet, dabei gerne den dumpfen und überraschend kernigen Einzylinder-Sound genießt und eher schwungorientiert mit Weitblick in die Landschaft über die Radien der Landstraße zieht, ja, der ist hier gut aufgehoben. Auch in der Stadt macht die Scram deutlich mehr her, als wenn man mit Lederjacke auf dem Roller auffährt. Landhausbesitzer, die etwas für die tägliche Pendlerroute brauchen, was wenig verbraucht (ca. 3,2 Liter auf 100 km/h), und mit dem man schnell mal eine Abkürzung über den Feldweg nehmen kann, die werden ihre Freude mit der preiswerten Scram haben. Die Verarbeitung ist für ein rund 5.000 Euro-Motorrad absolut in Ordnung und liegt deutlich über der Konkurrenz aus China (zum gleichen Preis). Und wo gibt's neben dem hübschen Tacho, der digital und analog ist, um den Preis ab Werk noch eine Turn-by-Turn-Navigation? Eben. Außerdem ist die Royal Enfield so herrlich einfach und unaufgeregt zu fahren, dass man sowohl als absoluter Motorradanfänger und auch als Veteran ein Lächeln unterm Helm bekommt. Die Scram 411 ist einfach, geradlinig, sparsam, preiswert, freudespendend, unaufgeregt und stylisch. Genau deswegen sollte man sie auch kaufen: Sie ist ein grundehrliches Bike, wo man genau das bekommt, was man sieht und bezahlt. Und für so viel Bodenständigkeit gibt es einen klaren Daumen rauf aus der 1000PS-Redaktion.
PHILIPP
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Fazit: Royal Enfield Scram 411 2022
Viel stylisches Motorrad zu einem fairen Preis? Ja, das bietet die Royal Enfield Scram 411. Die Verarbeitung ist für die Preisklasse angemessen oder sogar besser. Eigentlich fehlt der Scram nur ein bisschen mehr Spitzenleistung, um auch auf der Landstraße flüssig überholen zu können und eine etwas präzisere Vorderradbremse. Der Rest passt!- sehr attraktiver Preis
- schöner Klang
- Turn by turn Navigation serienmäßig
- schönes Design, solide bis gute Verarbeitung
- sehr einfaches Handling
- lasche Vorderradbremse
- etwas wenig Topspeed und Spitzenleistung
Bericht vom 18.10.2022 | 50.633 Aufrufe