Power Naked Bike Vergleich 2022 - Ducati Streetfighter V2
Die Schöne vs. BMW, Suzuki und Yamaha
Ohne Verkleidung, ohne Windschutz - aber mit dem richtigen Maß an Power für die Landstraße. 1000PS verglich vier nackte Kanonen inklusive einheitlicher Pirelli Rosso IV Bereifung und jeder Menge Elektronik. Im Gegensatz zur Streetfighter V4, die mit ihrem 1.103 ccm großen V4 stolze 208 PS in den Asphalt brennt, klingt die von uns getestete, kleine Streetfighter mit 955 ccm und 153 PS fast schon zahm. Aber lasst euch von diesem Zahlenspiel nicht verunsichern, denn der von der Panigale abstammende Superquadro V2 bläst mit ordentlich Schub und herrlichem Klang zum Angriff auf die Power-Nakeds.
Die Ducati Streetfighter V4 durfte ich ja schon letztes Jahr auf der Rennstrecke und der Landstraße fahren und fühle mich daher in der Lage, meine Eindrücke des 208 PS starken und 207 kg leichten Biests in drei Worten trefflich zu beschreiben: "Zu viel Power!" Klar, das Fahrwerk arbeitete hervorragend und bot einen harmonischen Mix aus Handling und Stabilität, der erhabene Lenker spielte seine Stärken in puncto Kontrolle voll aus. Um den Rest kümmerte sich die Elektronik. Zwar fand ich zu Beginn das permanent leicht werdende Vorderrad am Kurvenausgang und die Arme, welche sich auf den Geraden nach Belieben lang ziehen ließen, lässig und sogar witzig, mit der Zeit wurde die Fahrerei aber richtig anstrengend und die Radarstrafen gingen ins Geld - von der Hitze- und Lärmentwicklung des Aggregats einmal ganz zu schweigen. Mein persönliches Fazit zur V4: Grenzenlose Power alleine ist nicht alles und die Charakteristik des Ducati V4 Motors muss man mögen. Ich mochte sie nicht und harrte der Dinge.
Vergleichstest mit Pirelli Diablo Rosso IV Einheitsbereifung
Um die Unterschiede der einzelnen Nakeds besser herauszutesten, verpassten wir allen Protagonisten eine Einheitsbereifung von Pirelli. Unsere Wahl fiel dabei auf den 2021 vorgestellten Diablo Rosso IV, welcher vorne in 120/70-17 und hinten in 190/55-17 zur Anwendung kam. Einzige Ausnahme war die Streetfighter, die am Hinterrad auf die etwas agilere 180/60-17 Dimension vertraute, darüber hinaus aber ab Werk ohnehin traditionell den Rosso IV aufgezogen hatte. Der komplett neu entwickelte italienische Sportreifen vereint modernste Technologien bei Laufflächenmischung, Karkasse und Kontur und bietet ein Top-Niveau in Sachen Grip, Feedback und Fahrzeugkontrolle - sowohl im Trockenen als auch bei Nässe. Zwar ist der neue Rosso IV keineswegs das sportliche Topmodell der Italiener (vgl. hierzu den Rosso IV Corsa), bietet jedoch ein vernünftiges Maß an Laufleistung und lässt eine insgesamt sehr flotte und sichere Fahrweise zu. Das zeigte sich bereits nach den ersten Kilometern, als spätestens beim ersten Fotostopp die Angststreifen Geschichte waren.
Der "kleine" Fighter steigt in den Ring
Mein Flehen wurde erhört, und noch im Herbst wurde die Streetfighter V2 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Im Großen und Ganzen handelt es sich dabei um die aktuelle Panigale V2 ohne Verkleidung, mit hohem und breitem Lenker, 178 kg Trockengewicht und einem überkompletten Elektronikpaket der neuesten Generation. Des Weiteren erhielt die breitere Sitzbank eine komfortablere Polsterung; auch die Fußrasten wurden neu positioniert, um das Sitzdreieck zu entschärfen. Das Beste an der Sache ist allerdings, dass die Neuauflage der brutalen Streetfighter V4 fast zum Verwechseln ähnlich sieht. Klar, der Motor ist etwas schmäler, der Auspuff dezenter und serienmäßig fehlen die Winglets, aber insgesamt muss man wirklich zweimal hinschauen, um die Unterschiede auszumachen.
Motor ist King, auch bei der Kleinen
Der Motor der Streetfighter V2 ist der 955 ccm große Superquadro-Motor, welcher mit 153 PS bei 10.750 U/min und einem maximalen Drehmoment von 101,4 Nm bei 9.000 U/min nur minimal weniger als in der Panigale V2 auf den Asphalt bringt. Dafür erhielt er eine kürzere Endübersetzung, wodurch im Straßenbetrieb vergleichsweise mehr Drehmoment in mittleren Drehzahlen anliegt.
Aber auch Ducatis bereits bekanntes Elektronikpaket mit 6-Achsen-IMU wurde übernommen. Die serienmäßige Ausstattung umfasst drei Fahrmodi (Sport, Road und Wet), ABS Cornering EVO mit "Slide by Brake"-Funktion, Ducati Traction Control (DTC) EVO 2, Ducati Wheelie Control (DWC) EVO, Ducati Quick Shift up/down (DQS) EVO 2 und Engine Brake Control (EBC) EVO. Die Einstellmöglichkeiten erfolgen über das 4,3 Zoll Farb-TFT-Display, das an jenes der Streetfighter V4 erinnert.
Das Fahrwerk ist auch ohne Öhlins out-of-the-box top
Neben der alltagstauglicheren Sitzposition lag ein großer Fokus auf der Auslegung des Chassis und des Fahrwerks. So dient der Superquadro-Motor weiterhin als tragendes Element der vorderen Struktur, die aus einem Monocoque-Rahmen aus Aluminiumdruckguss besteht, welcher am Motorkopf befestigt ist. Die Einarmschwinge, die ebenfalls mit dem Motor verbunden ist, ist 16 mm länger als die der Panigale V2 - ein Pluspunkt, der zur Stabilität der Streetfighter V2 beiträgt. Hinzu gesellen sich die 43 mm Showa BPF-Gabel und der Sachs-Stoßdämpfer, welche voll einstellbar sind und mit ihrem Standardsetting dem sportlichen Straßenbetrieb in die Karten spielen. Auch die Bremsanlage wurde von der Panigale V2 übernommen, und hatte - dank der Brembo M4-32 Monoblock-Radialbremssätteln 320 mm Doppelscheiben vorne und 2-Kolben-Zangen, sowie einer 245 mm Bremsscheibe hinten - mit dem überschaubaren Gewicht von 209,5 kg vollgetankt leichtes Spiel.
Etwas unverständlich fanden wir, dass vorne spürbar schwächere Bremsbeläge zum Einsatz kamen. Die Dosierbarkeit konnte damit zwar erhöht werden, vielleicht ein Vorteil im Straßenverkehr bei Nässe, jedoch fanden wir den Biss insgesamt etwas gar zu brav. Wer es aggressiver möchte, kann beispielsweise zu den passenden "roten" Brembo-Belägen aus dem Aftermarket greifen.
NoPains Meinung zur Ducati Streetfighter V2 vs. BMW, Suzuki und Yamaha
Obwohl das Testfeld in puncto Leistung und Gewicht auf den ersten Blick sehr homogen wirkte, konnten die Fahreindrücke der einzelnen Bikes nicht unterschiedlicher ausfallen. Die Ducati erhielt von mir den Titel "Die Schöne", wenngleich dieser meinen gesammelten Eindrücken nicht unbedingt gerecht wird. Denn die emotionsgeladene Waffe sieht nicht nur gut aus, sondern unterstreicht ihre sportlichen Gene in nahezu allen Belangen. Die Sitzposition fällt sportlich, nach vorne orientiert aber auch durchaus langstreckentauglich aus. Mit 845 mm thront man sogar auf gleicher Höhe wie bei der Streetfighter V4, jedoch fällt der Knieschluss am 17 Liter Tank schlanker aus und auch die Kniewinkel sind spürbar entspannter. Aus ergonomischer Sicht sitzt man auf der Streetfighter V2 etwas bequemer als auf der V4, aber deutlich alltagstauglicher als auf der Panigale V2.
Großartig fand ich das Ansprechverhalten des druckvollen V2-Motors, der von unten richtig anschob, und sich - zumindest in manchen Gängen - bis zum Begrenzer auswinden ließ. Mit der 208 PS starken Streetfighter V4 käme ich wohl im Waldviertel nie über den Dritten Gang hinaus, hingegen hatte ich beim V2 das Gefühl, Herr über die Maschine zu sein. Leistungsmäßig kann die Streetfighter V2 selbstverständlich nicht mit den stärkeren 200PS+ Hyper-Nakeds mithalten, hatte allerdings hier mit den meisten Konkurrenten, zumindest mit der Suzuki GSX-1000S und der Yamaha MT-10, einigermaßen leichtes Spiel im Winkelwerk der Buckligen Welt. Nicht zuletzt wegen ihres guten Leistungsgewichts hat die Streetfighter V2 auf alle Fälle das Zeug zu einem wahren Landstraßenräuber.
Trotz der längeren Schwinge zeigte sich die Streetfighter sehr agil und glücklicherweise niemals träge. Mit dem breiten Lenker ließ sie sich spielerisch in den Radius dirigieren, lag satt in den Kurven und glänzte auch am Ausgang mit tollem Feedback. Nur in niedrigen Drehzahlen oder sehr engen Kehren brachte der raue V2-Geselle etwas Unruhe in das sonst hervorragend funktionierende Fahrwerk. In den gleichen Situationen tat ich mir mit dem Drei- und den Vierzylindern unseres Tests vergleichsweise leichter. Wovon man im Alltag auf jeden Fall profitiert, ist die saubere Abstimmung aller Elektronik-Features. Die Traktionskontrolle ist in 8 Stufen einstellbar, regelt sehr feinfühlig ohne einen auszubremsen und der Quickshifter ist ebenfalls besonders gelungen. Auch wenn zur Betätigung etwas mehr Kraft nötig war als beispielsweise bei der Suzuki oder Yamaha, funktionierte er für V2-Verhältnisse enorm geschmeidig.
Vaulis Senf zur Ducati Streetfighter V2 im Power Naked-Vergleich
Es kam, wie ich es erwartet hatte: Der Streetfighter V2 ist zumindest für mich im Vergleich mit dem Streetfighter V4 das eindeutig bessere, weil umgänglichere Motorrad. Im Vergleich mit den drei anderen Nakeds in diesem Vergleich ist es aber schon etwas anders. Denn auch der "kleine" Streetfighter hat seine Allüren, die das Leben mit ihm ein wenig schwierig, aber im Gegenzug auch interessant machen. Für mich ist es jedenfalls ein Problem, dass ich durch jede Ortschaft oder gar in der Stadt den ruckeligen Charakter ertragen muss, das machen die BMW S 1000 R, die Suzuki GSX-S1000 und die Yamaha MT-10 schon sanfter. Allerdings handelt es sich beim Ducati-Triebwerk ja auch nicht um einen seidigen Vierzylinder-Reihenmotor, sondern um einen V2 mit richtig viel Persönlichkeit und ich verstehe schon, dass viele Fans genau das mögen. Auf der freien Landstraße sieht es ohnehin ganz anders aus, da ist die Ducati in ihrem Element. Mit 153 PS, die auch noch gut am Gas hängen, ist man stets ausreichend motorisiert und die Sitzposition ist richtig angenehm sportlich, ohne nach wenigen Kilometern weh zu tun.
"Die Ducati Streetfighter V2 ist die weitaus weniger zickige Diva!"
Beim Fahrwerk spielen die Ducati-Ingenieure ihre Erfahrung voll aus, es handelt sich zwar nicht um Öhlins-Komponenten, sondern "nur" um Showa vorne und Sachs hinten, aber vielleicht wurde gerade deshalb ein ausgezeichneter Kompromiss zwischen Sport und Komfort gefunden. In weiteren Radien macht dem Streetfighter V2 in Sachen Stabilität jedenfalls keines der anderen drei Naked Bikes etwas vor. Bei den Bremsen zeichnet sich ein ganz ähnliches Bild ab, die Brembo-Anlage packt gut zu, aber keineswegs so radikal wie bei der V4-Schwester - sehr angenehm. Das Handling ist grundsätzlich auch sehr stabil und neutral, lediglich in engen Kehren macht sich wieder der starke Charakter des Motors bemerkbar, das Ruckeln macht es dem Fahrer schwer, ohne Hilfe der Kupplung durchzuziehen. Den höchsten Preis in dem Quartett möchte ich gar nicht großmächtig zerpflücken, denn mit dem Streetfighter V2 kauft man nicht nur die Maschine selbst, sondern auch den Ducati-Lifestyle und das bildhübsche Design der V4!
Horvaths Meinung zur Ducati Streetfighter V2
Drei Reihenvierzylinder gegen einen V2 - schon im ersten Aufsitzen spürt man wie schmal die Ducati baut. Damit grenzt sie sich deutlich von der Konkurrenz ab, denn kein anderes Bike in diesem Vergleich fühlt sich auf positive Art und Weise so kompakt an. Damit schenkt sie Vertrauen und fühlt sich trotz 153 PS beinahe handzahm an. Der größte Fan von niedrigen Drehzahlen ist sie zwar nicht, doch der Alltag lässt sich mit ihr bewältigen, solange man stets in Bewegung ist. Die Krümmerführung des hinteren Zylinders sorgt nämlich in kürzester Zeit für knusprige Schenkel, die man sich sonst nur am halben Grillhuhn wünscht!
"Großartig - bei der Ducati ist das gesamte Elektronikpaket serienmäßig verbaut!"
Womit Ducati sich als Premiumhersteller auszeichnet, ist die umfangreiche Serienausstattung. Wo bei anderen Herstellern fleißig im Zubehörkatalog geblättert werden muss, ist bei der Streetfighter V2 alles serienmäßig verbaut. Wer es gerne ruhig hat, sollte aber lieber die Finger von der Streetfighter lassen. Mit 102 dB(A) ist sie mit Abstand das lauteste Bike im Vergleich (Suzuki auf Platz 2 mit 96 dB(A)), was jedoch im Sattel nicht so hörbar ist, wie im Vorbeifahren.
Der 1000PS Power Naked Vergleich 2022
Fazit: Ducati Streetfighter V2 2022
Mit der Ducati Streetfighter V2 haben die Italiener ihren Supersportler Panigale V2 tüchtig modifiziert und auf Alltagstauglichkeit getrimmt. Trotz der optischen Nähe zur Streetfighter V4 besitzt sie einen eigenständigen Charakter und strahlt eine unglaubliche Souveränität aus. Samt hochwertigen und fein ansprechenden Fahrwerkskomponenten und einer elektronischen Komplettausstattung punktet das reinrassige Naked Bike aber nicht nur mit Emotionen, sondern verspricht mit seiner ausgezeichneten Performance sowohl auf der Landstraße als auch beim Trackday eine Menge Spaß. Ähnlich seiner fahrerischen Qualitäten orientiert sich die Streetfighter V2 nicht zuletzt auch bei der Preisgestaltung nach oben, in Richtung der Hypernaked-Kategorie. Das teuerste Bike im Vergleichstest schlägt mit 19.895 Euro in Österreich, 17.290 Euro in Deutschland und 18.290 Franken in der Schweiz zu Buche.- drehfreudiger V2 Motor
- umfangreiches Elektronikpaket serienmäßig
- fein ansprechendes Fahrwerk
- kräftige Bremsen
- präzises Fahrverhalten
- sportlicher und edler Auftritt
- sportliche und zugängliche Sitzposition
- keine Tankanzeige
- relativ lange Übersetzung
- Bremsbeläge wenig bissig
- Hitzestau unter Fahrersitz
- ambitionierter Preis
Bericht vom 31.05.2022 | 35.576 Aufrufe