Power Naked Bike Vergleich 2022 - Suzuki GSX-S1000

Die Günstige vs. BMW, Ducati und Yamaha

Ohne Verkleidung, ohne Windschutz – aber mit dem richtigen Maß an Power für die Landstraße. 1000PS verglich vier nackte Kanonen inklusive einheitlicher Pirelli Rosso IV Bereifung und jeder Menge Elektronik. Mit dem kernigen Motor und ihrer spektakulären Optik stellte die überarbeitete Suzuki GSX-S1000 eindrucksvoll unter Beweis, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen zählt. Trotz modernisierter Fahrhilfen kommt die Japanerin allerdings ohne übertriebenem Elektronik-Überschuss aus, was sich positiv auf den Preis auswirkt.

Obwohl einem unvermittelt das aufsehenerregende Design ins Gesicht springt, widmen wir uns erst einmal dem Herzstück der Suzuki GSX-S1000: Ihrem 1000 Kubik großen Reihenvierzylinder. Eine wahre Suzuki-Legende, die auf jahrzehntelange Rennsporterfahrung zurückblicken kann und dementsprechend ausgereift ist. 152 kräftige PS und 106 Nm wuchtet das Aggregat an den 190er Hinterreifen, was gleichzeitig mit einer herrlich kernigen Soundkulisse einhergeht. Die Kupplung minimal kommen lassen, schon schiebt die Suzuki vom Stand weg gnadenlos an und brilliert über das gesamte Drehzahlband mit einem guten Mix aus Geschmeidigkeit, einer sehr linearen Kraftentfaltung und Power, Power, Power.

Selbstverständlich kann sie nicht mit den stärkeren 200PS+ Hyper-Nakeds mithalten, befindet sich allerdings mit der BMW S 1000 R, der Ducati Streetfighter V2 und der Yamaha MT-10, welche mit 165, 153 und 160 PS nicht weit weg sind, in bester Gesellschaft.

Vergleichstest mit Pirelli Diablo Rosso IV Einheitsbereifung

Um die Unterschiede der einzelnen Nakeds besser herauszutesten, verpassten wir allen Protagonisten eine Einheitsbereifung von Pirelli. Unsere Wahl fiel dabei auf den 2021 vorgestellten Diablo Rosso IV, welcher vorne in 120/70-17 und hinten in 190/55-17 zur Anwendung kam. Einzige Ausnahme war die Streetfighter, die am Hinterrad auf die etwas agilere 180/60-17 Dimension vertraute, darüber hinaus aber ab Werk ohnehin traditionell den Rosso IV aufgezogen hatte.

Der komplett neu entwickelte italienische Sportreifen vereint modernste Technologien bei Laufflächenmischung, Karkasse und Kontur und bietet ein Top-Niveau in Sachen Grip, Feedback und Fahrzeugkontrolle - sowohl im Trockenen als auch bei Nässe.

Zwar ist der neue Rosso IV keineswegs das sportliche Topmodell der Italiener (vgl. hierzu den Rosso IV Corsa), bietet jedoch ein vernünftiges Maß an Laufleistung und lässt eine insgesamt sehr flotte und sichere Fahrweise zu. Das zeigte sich bereits nach den ersten Kilometern, als spätestens beim ersten Fotostopp die Angststreifen Geschichte waren.

Überarbeitete Elektronik, aber nicht wirklich state-of-the-art

Im Vergleich zu den Mitbewerbern besitzt die GSX-S1000 ein überschaubares Level an Elektronik-Features. Dafür ist alles dabei, was man braucht, und das Beste: es funktioniert aus technischer und ergonomischer Sicht ausgezeichnet.

Wie schon beim Vorgänger erlauben insgesamt drei SDMS Fahrmodi (Suzuki Drive Mode Selector) eine unterschiedliche Leistungs- und Drehmomententfaltung, wobei immer die vollen 152 Pferde zur Verfügung stehen. Außerdem will Suzuki die Motorelektronik noch optimaler auf ein geändertes Nockenwellenprofil, die neue Kupplung und den neuen Auspuff noch besser aufeinander abgestimmt haben. Und das macht sich in der Praxis auch sofort am besseren Ansprechverhalten und dem direkteren Antritt aus niedrigen Geschwindigkeiten bemerkbar.

Ebenfalls mit an Board sind die nun 5-fach verstellbare und abschaltbare Traktionskontrolle STCS (Suzuki Traction Control System) und das Suzuki Clutch Assist System (SCAS), eine erweiterte Anti-Hopping Kupplung, die dafür sorgt, den negativen Effekt einer zu abrupt einsetzenden Motorbremswirkung beim Herunterschalten abzuschwächen.

Der Quickshifter mit Blipper-Funktion ist Trumpf

Obwohl es erfreulich war, dass die am Kupplungshebel benötigte Handkraft sehr gering ausfiel, war es gleichzeitig auch völlig egal, da der großartige, serienmäßig verbaute Quickshifter mit Blipper-Funktion sowohl bei sportlicher Gangart als auch bei gemütlichem Cruisen ausgezeichnet funktionierte und den herrlichen Motor perfekt abrundete.

Suzuki GSX-S1000
Beim Thema Motor und Getriebe zeigt sich Suzukis Erfahrung mit dem Aggregat.

Chassis und Fahrwerk unverändert, Sitzposition und Geometrie neu

Der Rahmen der GSX-S1000 blieb unverändert, allerdings trug der breite, leicht nach oben gedrehte Lenker zu einer aufrechteren Sitzposition bei und ich fühlte mich auf der neu gestalteten Sitzbank mit niedrigen 810 mm gut ins Bike integriert. Als Fahrwerk arbeitete vorne eine 43 mm USD-Gabel von Kayaba, die in Dämpfung, Zugstufe, Druckstufe und Federvorspannung einstellbar war und ein Federbein am Heck, welches Anpassungen an der Zugstufendämpfung und Federvorspannung zuließ.

Nicht zuletzt dank des Zusammenspiels aus Geometrie, aufrechter Sitzposition und dem geschmeidigen Triebwerk ließ sich die GSX-S1000 stets kontrolliert umlegen und präzise durch die engsten Kehren dirigieren. Selbst im ersten oder zweiten Gang gelang es dem Motor nicht, auch nur die kleinste Unruhe ins Fahrwerk zu bringen. Top!

Bremsen und Gewicht

Die GSX-S1000 ist mit radial montierten Brembo-Monobloc-Bremssätteln ausgestattet. Mit jeweils vier gegenüberliegende Kolben und schwimmend gelagerten 310-mm-Doppelscheiben sorgten diese trotz gewogener 216,5 kg (vollgetankt) für respektable Verzögerungswerte. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die GSX-S1000 als einzige über kein kurvenabhängiges ABS verfügt, da sie ohne IMU auskommen muss. Dieser Nachteil wurde allerdings als Preisvorteil eins zu eins an den Kunden weitergegeben, wodurch die Suzuki mit 12.900 Euro in Deutschland, 15.490 Euro in Österreich bzw. 15.190 Franken die mit Abstand Günstigste des Quartetts war.

Die mutige Optik tröstet über das Alter hinweg

Obwohl die GSX-S 1000 nach wie vor über den etwas antiquierten, massiven Aluminiumrahmen, klobige Lenkerarmaturen und ein nur durchschnittlich ablesbares LC-Display verfügt, sieht man ihr das wahre Alter nach dem mutigen Facelift einfach nicht an.

Suzuki GSX-S1000 Display
Das Display gilt als großer Kritikpunkt.

Die Designabteilung der Japaner durfte sich erstmals verwirklichen und schlug mit den übereinander positionierten Frontscheinwerfern eine vollkomme neue Richtung ein. Erwähnenswert: Front-, Heckleuchte, Positionslicht und Blinker wurden in LED-Technologie ausgeführt und garantieren gute Sicht und Sichtbarkeit. Zusätzlich verleiht der bullige Tank mit 19 Liter Volumen der Front einen noch aggressiveren Auftritt und die dezenten Winglets an der Seitenverkleidung unterstreichen die Inspiration aus dem Rennsport.

NoPains Meinung zur Suzuki GSX-S 1000 vs. BMW, Ducati und Yamaha

Obwohl das Testfeld in puncto Leistung und Gewicht auf den ersten Blick sehr homogen wirkte, konnten die Fahreindrücke der einzelnen Bikes nicht unterschiedlicher sein. Die Suzuki erhielt von uns den Titel "Die Günstige", da sie im Rahmen dieses Power-Naked-Quartetts mit Abstand das beste Preis-Leistungsverhältnis besaß.

Diese Tatsache soll die Suzuki aber keineswegs als reine Vernunftslösung abtun. Denn abgesehen vom niedrigen Kaufpreis und der geilen Optik überzeugte die GSX-S1000 mit ihrer Power und dem Handling. Zum Thema Motorleistung sollte ja eigentlich schon alles gesagt sein. Zwar ist der Vierzylinder mit seinen 152 PS bei 11.000 U/min und 106 Nm bei 9.250 U/min auf hohe Drehzahlen ausgelegt, hat aber auch untenrum mehr als genug Kraft. Die Sitzposition war aufrecht und bequem, der breite, nach oben gekröpfte Lenker erlaubte eine berechenbare und ermüdungsfreie Kontrolle. Bequemer war in unserem Test eigentlich nur noch die Sitzposition auf der Yamaha, weshalb ich der Suzuki ebenfalls eine gute Reisetauglichkeit attestieren würde.

Eine echte Überraschung war für mich der gute Kompromiss aus Stabilität und Komfort, die ausgewogene Fahrwerksabstimmung, sowie das agile Handling, welches die 216,5 kg schwere und relativ lange Suzuki an den Tag legte. Trotz des guten Geradeauslaufs fiel die Suzuki bei Schräglage sofort willig in den Radius und zog auch beim vehementen Herausbeschleunigen unbeeindruckt ihre Bahn. Erstaunlich dabei, dass ich die GSX-S1000 in besonders engen Kehren einfacher ums Eck bringen konnte als den insgesamt spürbar agileren V2 Streetfighter.

Suzuki GSX-S1000
Die GSX-S1000 ging eindeutig als Underdog in den Vergleich.

Mein persönliches Highlight war der serienmäßige Schaltassistent mit Blipper-Funktion, der seine Arbeit sowohl bei sportlicher Gangart als auch beim gemütlichen Cruisen ausgezeichnet verrichtete.

Vaulis Senf zur Suzuki GSX-S1000 im Power Naked-Vergleich

Die GSX-S1000 ist zwar die Speerspitze in Suzukis Naked Bike-Sortiment, reicht mit ihren 152 PS aber eigentlich nicht an die modernen Power-Nakeds heran. Eigentlich. Denn in Wahrheit besitzt das klassische Naked Bike mit moderner Optik alles, was ein spaßiges und zuverlässiges Motorrad braucht. Der Motor ist schon richtig alt - na und? Mit dem gelungenen Ride-by-Wire-System spricht er gut an und vermittelt in jedem Drehzahlbereich, vor allem in der Mitte schönen Vortrieb. Zwar nicht so vehement wie bei der Yamaha MT-10, dafür sogar spektakulärer als bei der stärkeren BMW S 1000 R mit ihrem linearen Verlauf und weitaus nicht so speziell wie bei der Ducati Streetfighter V2. Dazu passend der sonore, brummige Sound aus der Akrapovic-Anlage, die auf der GSX-S1000 montiert war und fertig ist das Hooligan-Bike! Fahrwerk und Bremse machen ihre Arbeit ebenfalls gut und das Handling ist gewohnt direkt, der Pirelli Diablo Rosso IV begünstigt das willige Einlenken der, mit 216,5 Kilo schwersten Maschine im Quartett - wirkt im Fahrbetrieb wesentlich leichter.

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Vauli

"Die Suzuki GSX-S1000 ist die absolute Preis-Leistungs-Siegerin!"

In Sachen Ergonomie ordnet sich die Suzuki mit ihrer vorderradorientierten, aber immer noch sehr bequemen Sitzposition unauffällig bei der BMW und Ducati ein, lediglich die Yamaha ist noch gemütlicher. Bleibt noch die Elektronik, bei der die Suzuki GSX-S1000 tatsächlich nicht mehr State-of-the-Art ist. Nur ein herkömmliches ABS statt Kurven-ABS wie auf den drei Konkurrentinnen und das antiquierte LCD-Cockpit kann man ihr tatsächlich ankreiden. Ansonsten hat sie aber auch Fahrmodi und Traktionskontrolle - also grundsätzlich die Basics ohne weitere Gimmicks, die man braucht oder ohnehin nicht braucht. Immerhin ist ein Quickshifter verbaut, der sogar meiner Meinung nach der beste im Quartett ist - was will man mehr! Falls man also auch die Optik der Suzuki mag, kann man beruhigt zuschlagen, denn billiger geht es in dieser Klasse nicht. Die GSX-S1000 ist in Deutschland über 4000 Euro günstiger als die Ducati, auf die beiden anderen fehlen immer noch 2500 Euro. In Österreich steigt die Mindestdifferenz gar auf 2700 Euro - für mich die absolute Preis-Leistungs-Siegerin in diesem Vergleich!

Horvaths Meinung zur Suzuki GSX-S1000

In den letzten 12 Monaten bin ich die Suzuki GSX-S1000 mehr als ein Dutzend mal gefahren, doch sie schafft es mich jedes Mal aufs Neue zu begeistern! Das will ich hier nochmals betonen, denn selbst in diesem Power Naked Bike Vergleich ist die Konkurrenz mit hochwertigeren Elektronikpaketen, also schräglagenabhängigen Sicherheitsfeatures, ausgestattet. Man will sie im Erstkontakt fast schon als antiquiert bezeichnen, doch sobald der K5 Vierzylinder ins Leben röhrt und der 1. Gang gewählt wird, verschwindet diese anfängliche Skepsis.

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Der Horvath

"Die GSX-S1000 kann als wahres Überraschungspaket bezeichnet werden!"

Mit einer wahnsinnig kräftigen Mitte beschleunigt die GSX-S1000 Richtung Drehzahlbegrenzer, wo über den serienmäßigen Quickshifter, der meiner Meinung nach der Beste dieses Vergleichs ist, der nächste Gang gewählt wird. Fahrwerk und Bremsen sind ausgewogen abgestimmt und verleihen der Suzuki ein absolut instinktives Fahrverhalten. Natürlich hat der Pirelli Diablo Rosso IV auch einen mächtigen Anteil geleistet, doch selbst die anderen Male im Sattel auf anderer Bereifung war dieser Eindruck nicht anders. Ein bodenständiges und unglaublich spaßiges Motorrad zu noch dazu günstigerem Preis!

Fazit: Suzuki GSX-S1000 2022

Die neue GSX-S1000 ist vom Grundaufbau her eine alte Bekannte – Motor und Chassis stammen nach wie vor von der Vorgängerin. Allerdings wurde die Maschine in vielen Bereichen modernisiert und präsentiert sich vor allem optisch auf einem extrem hohen Niveau. Der Motor kann zwar nicht in der Liga der superpotenten Hyper-Nakeds mitspielen, funktioniert aber sehr harmonisch und kräftig genug. Auch das konventionelle Fahrwerk geht einen gelungenen Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort ein. Hammerargumente sind definitiv das gelungene Design, der serienmäßige Quickshifter mit Blipper und nicht zuletzt der vergleichsweise niedrige Preis.


  • souveräner Motor
  • hervorragender Schaltassistent samt Blipper
  • ausgewogenes Handling
  • mutiges Design
  • bequeme Sitzposition
  • sehr guter Preis
  • Elektronikpaket nicht sehr umfangreich
  • kein 6-Achsen-IMU, kein Kurven-ABS
  • Instrumente am Lenker etwas antiquiert
  • Display nicht sonderlich gut ablesbar

Bericht vom 27.05.2022 | 27.503 Aufrufe

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