Hyper Nakeds auf der Rennstrecke 2021 - BMW S 1000 R

Das Universalgenie vs. Aprilia, Ducati, KTM und Triumph

Ich muss es immer wieder betonen: Ja, die BMW S 1000 R ist in diesem Quintett das mit Abstand schwächste Naked Bike, mindestens 10 PS fehlen ihr auf die Konkurrenz, auf die übermächtige Ducati Streetfighter fehlen ihr sogar 43 PS! Allerdings geht es da um die reine Papierform, im echten Leben konnte die universelle S 1000 R schon auf der Landstraße voll und ganz überzeugen. Mal sehen, ob sie auch auf der Rennstrecke besser ist als ihr Datenblatt!

Schon als die neue BMW S 1000 R präsentiert wurde, wunderte ich mich, warum die Bayern nicht wenigstens ein paar mehr PS in den Reihen-Vierzylinder einfüllten. Wenigstens 170 oder besser 175 PS müssten es doch sein. Besser noch 180, damit die S 1000 R im Mittelfeld mitschwimmt, oder dann doch lieber 185 PS, um noch weiter vorne zu sein. Der Motor, der in der S 1000 RR immerhin 207 PS leistet, hätte jedenfalls das Zeug dazu. Hat BMW aber nicht gemacht. Es blieben 165 PS bei 11.000 Umdrehungen und im Vergleich mit den vier Konkurrentinnen in diesem Test auch das bescheidenste Drehmoment von 114 Newtonmeter bei 8500 Touren. Und wie wirkt sich diese Unterlegenheit nun auf der Rennstrecke aus?

Dem Motor der nackten S 1000 R fehlt es an (fast) nichts

Erstaunlich wenig, man muss im Fahrbetrieb - auch auf der Rennstrecke - sofort zugeben, dass sich die BMW unfassbar harmonisch benimmt und den Fahrer bestens bei der Jagd nach guten Rundenzeiten unterstützt. Und da hat der Motor tatsächlich einen riesigen Anteil, denn das Ansprechverhalten ist herrlich und man kann das Triebwerk richtig genüsslich auswinden. Dass es dabei an Leistung fehle, kann man bestenfalls im direkten Vergleich feststellen und da eigentlich auch nur gegen die oben raus infernalische Ducati.

Die BMW S 1000 R - das perfekte Naked Bike für ein 24 Stunden-Rennen!

Ansonsten helfen sowohl die großartigen Bremsen (obwohl es keine aus italienischer Fertigung sind) als auch das gutmütige Chassis und nicht zuletzt die angenehme Sitzposition enorm dabei, stabil und mit ausgezeichneter Rückmeldung um alle Radien zu zirkeln. Lediglich das elektronische ESA-Fahrwerk bietet zumindest für mich nicht eine so klare Rückmeldung wie die vier anderen Bikes. Sowohl die elektronischen Öhlins-Elemente von Aprilia Tuono V4 1100 Factory und Ducati Streetfighter V4 S, als auch die konventionellen Lösungen von KTM 1290 Super Duke R (WP) und Triumph Speed Triple 1200 RS (Öhlins) wirken etwas sensibler und sind für einen ohnehin sehr ebenen Rennstreckenasphalt besser geeignet. Allerdings zeigt sich auch in dieser Sache wieder der Hang zu spürbar mehr Komfort und daher insgesamt einer besseren Langstrecken-Tauglichkeit. Würde man mich also bitten, eine der fünf Nackten für ein 24 Stunden-Rennen zu wählen (ich hoffe, das passiert nie), würde ich fix und sofort zur BMW S 1000 R greifen.

Klausi Grammers Meinung zur BMW S 1000 R:

Der einzige 4-Zylinder Reihenmotor im Test baut etwas breiter und gibt der S 1000 R ein pummeliges Aussehen. Das im Vergleich zur Konkurrenz geringe Gewicht, das wendige Fahrverhalten, die starke Bremse und der absolut perfekt abgestimmte Motor machen aus der BMW ein pfeilschnelles Sportgerät. Besonders geil finde ich den Motor - seidiger Lauf, lineare Leistungsabgabe, blitzschnelles Ansprechverhalten. Ich oute mich hiermit als Fan des Reihenmotors! Etwas bieder im Auftritt - aber auch echt feine deutsche Motorradbaukunst.

Zonkos Meinung zur BMW S 1000 R:

Die feinen Vibrationen, die mir beim Straßenfahren aufgefallen sind, waren hier in Pannonien nach der fünften Kurve kein Thema mehr. Ich brauchte einige Runden, um den Motor zu spüren (dreht so linear nach oben, dass man nicht auf Anhieb weiß, in welchem Bereich man sich befindet) und die gierige Front zu beruhigen, aber dann war das Abfeuern der S1000R einfach ein Traum. Am Racetrack ist die nackte BMW eine kampfstarke, sehr schnelle Maschine, die den Begriff Leistungsmangel ad absurdum führt.

Tolle Einheitsbereifung Pirelli Diablo Supercorsa SP

Als Einheitsbereifung diente uns beim großen Hyper-Naked Bike-Test auf der Rennstrecke der Pirelli Diablo Supercorsa SP, ein Pneu, der sich bestens für den Dienst auf der Piste eignet, allerdings dank Straßenzulassung auch auf Achse anreisen kann. Die Straßen sollten dann zwar möglichst trocken sein, denn Silica wurde in der Gummimischung nicht verarbeitet, umso besser benimmt sich der Supercorsa SP aber auf der Rennstrecke. Hohe Temperaturen machen ihm also nicht so viel aus wie reinen Straßenreifen, was bei modernen Hyper-Nakeds mit bis zu unfassbaren 208 PS natürlich durchaus eine Rolle spielt. Lobenswert ist auch die kurze Aufwärmphase des Supercorsa SP, Gelegenheits-Rennstreckenfahrer können ihn auch gerne ohne Reifenwärmer nutzen.

Tibors Meinung zur BMW S 1000 R:

Tolle Verarbeitung made by BMW. Leistungstechnisch und ergonomisch gut abgestimmt. Mit ein bisserl mehr Dampf wäre sie womöglich auch eine Siegerin!

Mex´ Meinung zur BMW S 1000 R:

Schon beim Test auf der Landstraße hatte ich mir für die S 1000 R notiert "zugängig, stabil und berechenbar ohne dabei Superlative zu bieten". Genau diese Eigenschaften zeugen von guter Fahrbarkeit und sind auf der Rennstrecke nicht zu unterschätzen. Sie machen die BMW zu einem Gerät, mit dem man auf Anhieb passable Rundenzeiten in den Asphalt brennt. Beim Fahrwerk merkt man allerdings, dass es in seiner Grundabstimmung für den komfortablen Landstraßen-Ritt konzipiert wurde. Selbst in der sportlichsten Einstellung kann nicht das Dämpfungs-Niveau von Ducati oder Aprilia erreicht werden. Ähnliches gilt für die Bremse - der initiale Biss ist gut aber die feinen Brembo Stylema Anker an der Konkurrenz aus Italien und Österreich verzögern noch einen Tick brachialer. Die Elektronik lässt wiederum kaum Wünsche offen, der optionale Dynamic Pro Modus bietet reichlich Freiheiten für den engagierten Antritt auf der Rennstrecke und auch der Quickshifter funktioniert sehr gut.

Fazit: BMW S 1000 R 2021

Leistung ist bekanntlich nicht alles, die Frage ist vielmehr, wie kontrolliert sie abgegeben werden kann. Und da sticht die S 1000 R absolut positiv heraus, kaum ein anderes Hyper-Naked Bike ist so komplett und universell. Die Sitzposition ist sportlich, aber keineswegs unbequem, die Bremse packt ordentlich zu und der Motor der aktuellen S 1000 R zeigt sich von seiner besten Seite - für einige vielleicht sogar schon zu homogen und souverän. Die Entscheidung für eine S 1000 R lohnt schon wegen der vergleichsweise günstigen Basis-Version: Kurven-ABS, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, 6,5 Zoll-TFT und noch einige andere Features sind bereits inkludiert. Typisch BMW kann die S 1000 R natürlich umfangreich mit Sonderzubehör aufgerüstet werden. Die Optik ist wie immer Geschmackssache, manchen ist es ohnehin egal, wie das Bike aussieht. Hauptsache, das Ding geht gut!


  • souveräner, kräftiger Motor
  • gute Bremsen
  • bequeme Ergonomie
  • gute Serienausstattung
  • umfangreiches Zubehörprogramm
  • etwas schwergängiger Schaltassistent
  • nicht allzu aufregende Optik

Bericht vom 26.09.2021 | 20.411 Aufrufe

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