Yamaha YZF-R1 und R1M 2020 Test

Klaus Grammer testet in Jerez

Der Einladung zum Test der neuen Yamaha R1 folgend schickten wir die österreichische Legende Klaus Grammer (mehrfacher österreichischer Staatsmeister, Teilnahme in IDM uvm.) nach Jerez, der perfekte Bedingungen vorfand. Strecke, Wetter und der Zeitplan mit ausgiebiger Fahrzeit ermöglichten einen wirklich aussagekräftigen Test der neuen Supersport-Raketen R1 und R1M.

Zwei Zahlen aus der Yamaha Präsentation möchte ich aufgreifen. In den angeblich repräsentativen Ländern Frankreich und Deutschland stieg die Präsenz der R1 auf den Rennstrecken seit 2014 von 3% auf 42% im Jahr 2018 und 80% der R1 Fahrer nutzen ihr Motorrad entweder ausschließlich oder teilweise auf der Rennstrecke. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll wie wichtig die Rennstreckennutzung mittlerweile im Supersport Segment geworden ist.

Technische Neuerungen der 2020 Yamaha YZF-R1

Die Änderungen am Motor zielen naturgemäß auf eine Leistungssteigerung ab, wobei insbesondere die neue Bauweise der Einspritzanlage (kürzerer Einlasstrakt) und die Positionierung der 10-Loch Einspritzdüsen sowie ein neues Nockenprofil für eine Leistungssteigerung im oberen Drehzahlbereich sorgen sollen. Jedenfalls ist und bleibt der Sound des Motors elektrisierend. Die asymmetrische Zündfolge des Cross-Plane-Motors sorgt nicht nur für guten Grip sie ist schon alleine wegen der Geräuschkulisse ein Gewinn. Mehrere Änderungen im Öl- und Wasserkreislauf dienen der Reduzierung von Reibungsverlusten und einer erhöhten Standfestigkeit. Diesen Zweck dürften auch die um 3 mm breiteren Hauptlager verfolgen. Ob es hilft werden wir sehen.

Die Elektronik bekam ein Upgrade in praktisch allen Bereichen. Angefangen vom neuen Ride-by-Wire System bis zur Programmierung der jeweiligen Datensätze wurde alles neu gestaltet. Der beim Abendessen neben mir sitzende und für die Entwicklung der Elektronik zuständige Japaner versicherte mir glaubhaft, dass er insbesondere für die Rennstrecke ordentlichen Verbesserungen programmiert hat.

Verbesserungen am Fahrwerk der YZF-R1

Das rein mechanische Fahrwerk wurde vorne und hinten nur etwas anders abgestimmt. Wirklich neu ist allerdings, dass die Öhlinsgabel der R1M nunmehr mit 6 bar Druck beaufschlagt ist. Diese Änderung soll das Aufschäumen des Gabelöls verhindern und somit die elektronische Gabel deutlich stabiler im harten Rennstreckeneinsatz machen.

Die weiteren technischen Details entnehmen Sie bitte der Packungsbeilage bzw. den Datenblättern.

Yamaha YZF-R1 Optik und GYTR Performance Parts

Optisch wirkt die neue Yamaha schlanker und etwas austrainierter das verhilft ihr angeblich zu einer um 5% besseren Aerodynamik. Da sich 60% der R1 Fahrer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren befinden ist es vermutlich kein Nachteil wenn zumindest das Motorrad schlank und trainiert ist! Eine eindeutige Möglichkeit das neue vom alten Modelle zu unterscheiden ist die Antriebskette. Die bekam nämlich um 0,2mm dickere Laschen. Danke dafür! :-)

Eine gute Nachricht zum Schluss. Die Yamaha Racing Teile firmieren nunmehr unter der Bezeichnung GYTR und können das ganze Jahr über bestellt werden, nicht wie bisher nur zu wenigen ausgewählten Terminen.

Yamaha YZF-R1 Test auf der Rennstrecke

Am Vormittag wurde uns die R1 mit supersportlichen Bridgestone Profilreifen zum Testen bereit gestellt. Der erste Turn war eine schwere Enttäuschung für mich. Der Motor vermittelte zwar vom ersten Meter an ein super Ansprechverhalten, eine lineare Leistungsentfaltung und eine beeindruckende Spitzenleistung, aber das war es dann auch schon. Die Bremse, das Handling und das Fahrverhalten insgesamt haben mich schwer enttäuscht. Ich traf keinen Kurveneingang, konnte die gewünschte Linie nicht halten und beim Rausbeschleunigen begann das Bike zu wackeln. Shit!

Nach Turn 2 und 3 entstand ein gänzlich anderes Bild. Die Bremse benötigt zwar wirklich viel Handkraft um eine adäquate Verzögerung von 280km/h in eine zweite Gang Kurve zu Stande zu bringen aber der Rest funktionierte blendend.

Fehlersuche! Das Ergebnis: der Fahrer!

Die Ursache für die Schwierigkeiten im ersten Turn war schnell gefunden. Der Fahrer! Es ist schon einige Jahre her, dass ich das letzte Mal in Jerez gefahren bin und eine 200PS Rakete zu bewegen bedarf einer entsprechenden fahrerischen Fähigkeit. Ich bin einfach eckig und ohne Schwung um den Kurs geeiert, habe irgendwo eingelenkt und am Kurvenausgang plötzlich und hart Gas gegeben. Das hat die Probleme verursacht. Einige Minuten des in sich gekehrten Nachdenkens und ein Besinnen auf die richtige Art so ein Motorrad zu bewegen und siehe da, die Yamaha ist ein echt lässiges Motorrad, macht ungemein Spaß und lässt sich zielgenau um den Kurs treiben.

Die R1 ist ein sehr starkes sowie leichtes Supersport Motorrad und Elektronik hin oder her, am Ende des Tages muss der Fahrer die Richtung vorgeben. Diese Erkenntnis tut dem Selbstbild des Motorradfahrers vielleicht manchmal weh, aber wer sich ohne die nötigen Kenntnisse, die entsprechende Erfahrung und insbesondere ohne der notwendigen körperlichen Fitness auf so eine Rakete setzt kann auch schnell eine Enttäuschung erleben. Ist sie zu stark bist du zu schwach! Das gute bei der Angelegenheit ist, dass Yamaha auch eine R6 oder eine R3 im Angebot hat. Wem also die R1 zu stark ist der kann sich dann selber downgraden.

So wie ich die Psyche des gemeinen Motorradfahrers kenne, wird das natürlich keiner zugeben bzw. machen, sondern in erster Linie über das Fahrwerk und die Reifen lästern!!

Yamaha YZF-R1M auf der Rennstrecke

Am Nachmittag stand uns dann die mit Slicks bereifte R1M zur Verfügung. Der wesentliche Unterschied von den optischen Reizen abgesehen ist das elektronische Öhlins Fahrwerk. Ich persönlich stamme aus der Schraubenzieher-Generation und stelle daher ein Fahrwerk manuell ein. Weil früher alles besser war, muss auch das besser sein! Meine bisherigen Erfahrungen mit derartigen Fahrwerken bestätigten mich eigentlich immer. Elektronische Fahrwerke waren aus meiner Sicht für die Rennstrecke nicht besonders gut geeignet. Leider muss ich hier und jetzt zugeben, dass die neueste Ausbaustufe sehr gut funktioniert.

Ich konnte keinen Mangel erkennen und das Fahrwerk harmonierte ausgezeichnet mit den Slicks. Perfekt! Der anwesende Öhlinstechniker erklärte mir auch, dass sich das Fahrwerk im Automatik Modus auf den jeweiligen Fahrer und auf die Strecke selbständig einstellt und permanent alle Parameter überwacht und die Dämpfung entsprechend Kurve für Kurve - anpasst. Genau so fühlt es sich auch an. Zur Not kann man im manuellen Modus die Dämpfung auch selbst einstellen. Dazu benötigt man jetzt eben keinen Schraubenzieher mehr, sondern ein Dashboard.

ABS-System der R1M überzeugt nicht ganz

Eines war am Nachmittag auffällig. Mit den Slicks und dem Öhlinsfahrwerk konnte man noch später und härter Bremsen und das brachte das ABS offensichtlich an den Rand seiner Leistungsfähigkeit. Plötzlich verspürte man ein verräterisches Pulsieren am Bremshebel. Das ABS begann offenbar seine Ventile zu öffnen um einem auf Basis der IMU-Echtzeitdaten errechneten Unheil vorzubeugen. Das Ergebnis waren mehrere Verbremser die in den Auslaufzonen ohne Malheur endeten.

Zumindest in diesem Punkt fühle ich mich bestätigt, wenn mich schon das elektronische Fahrwerk eines besseren belehrte. Ein ABS ist gut und schön, aber es gehört nicht unbedingt auf die Rennstrecken. Eine auf sehr geringen Eingriff eingestellte Elektronik im Zusammenspiel mit dem super Motor ist für mich jedenfalls das Herausragende an beiden R1 Versionen.

Yamaha YZF-R1 und YZF-R1 2020 Preis

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung finden wir noch keine 2020er Modelle der Yamaha YZF-R1 im Angebot. Trotzdem findet ihr eine große Auswahl an neuen und gebrauchten Yamaha YZF-R1 und YZF-R1M in der Gebrauchtbörse. Sobald die ersten 2020er Modelle folgen, findet ihr sie ebenso unter dem Link.

Fazit: Yamaha R1 2019

Das – bereits ab September erhältliche - R1 Modell 2020 ist eine Evolutionsstufe die sowohl für den Trackday-Racer als auch für das Yamaha SBK Team Vorteile bringen wird. Der Amateur wird am ehesten von der wirklich perfekten Elektronik profitieren und wird außerdem ein bisschen zusätzliche Leistung ebenfalls zu schätzen wissen.


  • kräftiger Motor
  • sauberes Ansprechverhalten
  • in den richtigen Händen ein sehr schnelles Trackbike
  • perfekt abgestimmte Elektronik
  • ABS-System nicht zu 100 Prozent zufriedenstellend

Fazit: Yamaha R1M 2019

Die Yamaha YZF-R1M nimmt die hervorragende Basis der 'normalen' R1 und mustert sich dank elektronischem Öhlins Fahrwerk und optischen Anreizen zu einem hervorragenden Rennstreckenbike, das gut für ernsthafte Renneinsätze geeignet ist. Einzig das ABS-System reagiert zu vorsichtig, was zu mehreren Verbremsern sorgte.


  • kräftiger Motor
  • sauberes Ansprechverhalten
  • elektronisches Öhlins Fahrwerk
  • auf Slicks perfekt für Renneinsätze
  • ABS-System nicht zu 100 Prozent zufriedenstellend

Bericht vom 17.09.2019 | 75.562 Aufrufe

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