Suzuki Virus II im Test auf der Landstraße

Bereits infiziert oder noch nicht Probe gefahren?

Pünktlich zur Swiss Moto hat Suzuki Switzerland die zweite Generation der legendären Virus an den Start geschoben. Ein radikales Power-Naked mit 202 PS bei nur knapp über 200 Kilogramm. Die Kleinserie auf Basis der neusten Suzuki GSX-R 1000 R, welche exklusiv vom Schweizer Importeur angeboten wird, hat von Beginn weg viele neugierige Blicke auf sich gezogen. Wir hatten kürzlich Gelegenheit, sie in der Schweiz für Euch zu testen.

Aufsehenerregende Umbauten und edle Custombikes sind in der Schweiz keine Seltenheit. Der Motorrad-Markt, oder besser gesagt die Töff-Gemeinde, erfreut sich reger Vielfalt und potenter Kundschaft mit Mut zur Individualität. Doch eine eigene Kleinserie, welche der Privatimporteur zusätzlich zum regulären Modellprogramm anbietet, wird auch hier als Besonderheit verstanden. Die Virus wird von Hand, Stück für Stück, auf Grundlage einer GSX-R 1000 R aufgebaut und steht im Anschluss als offizielles Modell im Schauraum der Suzuki Händler. Straßenzulassung und Neufahrzeug-Garantie selbstverständlich inklusive. Vater der Virus ist, wie auch schon in der ersten Generation, welche 2011 vorgestellt wurde, Dominique Grangier, seineszeichens Geschäftsführer von Moto Virus in Fribourg. Er verändert die GSX-R mit viel Erfahrung und Liebe zum Detail in ein modernes Hyper-Nakedbike, welches technisch und optisch die Herzen höher schlagen lässt.

Suzuki Virus 1000 R - Ergonomie, Komfort und Verarbeitung

Hat man die erste Bestaunungsphase im Händlerschauraum hinter sich gebracht und im Sattel Platz genommen, erinnert vor allem die erhöhte Sitzposition, der sportliche Kniewinkel und die straffe Sitzbank an die Superbike Basis. Der Lenker hingegen befindet sich in angenehmer, nakedbike-typischer Höhe und verhilft zu einer entspannten aufrechten Fahrhaltung. Anhand dieser Fakten ist die Frage berechtigt, ob diese Mischung wohl funktioniert? Ja tut sie, erstaunlich gut sogar!

Schon die GSX-R Basis gilt als einer der bequemsten 1000er Sportler am Markt. Der Beinwinkel geht auch für längere Touren in Ordnung und selbst großgewachsene Piloten können sich gut zwischen Sitzbank und Lenker positionieren. Exakt von diesem Layout profitiert die Virus. Bei der Wahl des Lenkers griff man zu einem breiten und komfort-orientierten Modell des Schweizer Herstellers Motacc. Somit sitzt man in Summe überraschend locker auf dem 200PS Geschoss.

Von Motacc stammen im Übrigen auch die obere Gabelbrücke sowie die Lenkerklemmböcke, welche für den Umbau der Virus notwendig sind. Den Rest der Armaturen kennt man in unveränderter Form von der GSX-R 1000 R. Das Display ist nun aber nicht mehr starr im Cockpit positioniert, sondern wurde auf die eigens entwickelte Frontmaske verpflanzt, welche am Lenker und den Gabelbrücken montiert ist. Die zweifärbige, digitale Anzeige steht damit in etwas flacherem Winkel zum Fahrer, bietet aber immer noch eine sehr gute Ablesbarkeit. Die Bedienung funktioniert einwandfrei und lässt keine Wünsche offen.

Im Allgemeinen machen die Teile, egal ob Kunststoff oder Metall, welche speziell für die Virus angefertigt werden, einen sehr hochwertigen Eindruck und sind kaum von den Großserienprodukten aus Japan zu unterscheiden.

Die Modifikationen an der Virus II im Vergleich zur GSX-R1000R:

  • Neuer Spoiler aus hochwertigem Kunststoff

  • Angepasste Verschalungsteile in einer hochwertigen Ausführung

  • Hoher Motacc Lenker auf Motacc Klemmböcken und Motacc Gabelbrücke

  • Neue Kopfverschalung mit der originalen LED Beleuchtung im MotoGP Stil

  • Nummerntafelhalterung mit LED Blinker

Suzuki Virus Motor und Getriebe

Das 1000 Kubik Aggregat aus der aktuellen GSX-R genießt zu Recht den Ruf, auch für die Landstraße perfekt geeignet zu sein. Das Drehmoment liegt bei strammen 118 Newtonmeter (bei 10.800 Umdrehungen) und die Spitzenleistung beträgt gewaltige 202 PS bei 13.200 Touren. Dank variabler Ventilsteuerung und (für Superbike-Verhältnisse) kurzer Übersetzung liegt schon in der ersten Hälfte des Drehzahlbandes satt Leistung an. Laufkultur, Dosierbarkeit, Gasannahme alles auf erstklassigem und bewährtem Gixxer Niveau. Lässt man dem Motor dann aber freien Lauf durch das Drehzahlband, beginnt ab etwa 10.000 Touren ein infernalischer Leistungs-Erguss, welchen man durch die aufrechte Nakedbike-Sitzposition noch intensiver inhaliert als in gebückter Racing-Haltung. Einerseits respekteinflößend andererseits süchtig machend. Der Name Virus kommt nicht von ungefähr herrlich.

Unterstützt wird die potente Antriebseinheit von einem grandiosen Getriebe mitsamt perfekt abgestimmten Quick-Shifter. Das Räderwerk ist, wie an nahezu allen Suzukis, ein Musterschüler seiner Gattung. Die Gänge rasten mit kurzen Wegen sauber und knackig ein. Das serienmäßig verbaute Schnellschaltsystem inklusive Blipper funktioniert ebenso toll. Ohne Einsatz der Kupplung flutschen die Gänge mühelos durch die Gassen. Sowohl rauf als auch runter und nahezu unabhängig von der anliegenden Motordrehzahl. Den linken Hebel am Lenker benötigt man in der Praxis nur noch an der Kreuzung und im Stop-and-Go Verkehr in der City.

Apropos urbanes Umfeld auch hier schlägt sich die Virus gut. Der kultivierte Vierzylinder läuft quasi ab Standgas wunderbar rund. Im vierten oder gar fünften Gang kann mit 50 km/h durch die Ortschaft gesäuselt werden. Nur mit dem breiten Lenker samt hübschen Rizoma Spiegeln sollte man beim Durchschlängeln zwischen den Autos etwas Acht geben.

Suzuki Virus II profitiert vom gleichen hochwertigen Elektronik-Paket wie die GSX-R 1000 R

Die einzelnen Features im Überblick:

  • Das ABS der Maschine ist gut genug für Straße und Trackdays. Dank der Continental IMU (Inertial Measurement Unit) reagiert es schräglageabhängig und ist somit ein tolles Sicherheitsfeature.

  • Die Traktionskontrolle (TC) reagiert ebenfalls schräglageabhängig und ist in 10 Stufen regelbar. Das System ist sowohl auf trockener Landstraße als auch bei Ausfahrten im Regen ein tolles Backup. Durch den breiten und bei Bedarf sehr sportlichen Wirkungsbereich kann sie zudem auch bei Trackdays als Speed-Feature überzeugen.

  • Wheelie Control: Die Wheeliecontrol ist mit der Traktionskontrolle gekoppelt. Mehr Eingriff in die TC bedeutet auch mehr Eingriff der Wheeliekontrolle. Damit kann die Maschine sehr rasch auf ein gewünschtes Supportniveau adjustiert werden. Eine unabhängige Einstellung ist leider nicht möglich.

  • Suzuki Drive Mode Selector (S-DMS): Hier stehen drei Profile zur Auswahl (A, B und C). Damit wird die Leistungsentfaltung und auch die Gasannahme geregelt. A stellt dabei den sportlichsten und direktesten Mode dar, C den defensivsten.

  • QSS: Der Quickshifter mit Blipper verrichtet seinen Dienst in beide Richtungen großartig. Je nach Vorliebe für Druck und Länge des Schaltwegs kann er in zwei Modi adjustiert werden. Für Einsätze auf der Rennstrecke kann das Schaltschema außerdem sehr leicht umgedreht werden.

Suzuki Virus gegen GSX-S 1000 - Konkurrenz im eigenen Haus?

In unserem Test hatten wir zur besseren Vergleichbarkeit auch die GSX-S 1000 von Suzuki mit dabei. In der direkten Gegenüberstellung mit dem Schwestermodell wird klar, wo die Unterschiede liegen. Während man an der GSX-S ein Stück tiefer im Fahrzeug integriert sitzt, thront man an der Virus deutlich mehr oben drauf. Zusätzlich erfreut man sich an Letzterer über spürbar mehr Bewegungsspielraum im Sattel, was vor allem Freunden des gepflegten Hang-Off-Fahrstils entgegen kommen dürfte. Etwas Körpereinsatz bedarf es im Übrigen auch tatsächlich um die Virus flink im Winkelwerk zu bewegen. Hier spürt man ihre Wurzeln als Sportlerin. Sie ist lang und stabil gebaut. Genau das macht sie auch zur perfekten Waffe für Trackday-Einsätze, denn ein stabiles Motorrad ist in der Regel immer ein schneller Kandidat auf der Rundstrecke.

Suzuki Virus Fahreigenschaften

Keinesfalls soll nun aber der Eindruck entstehen, dass wir ihr Fahrverhalten als Träge beschreiben würden, ganz im Gegenteil. Mitsamt des breiten Lenkers und der sportlichen Erstbereifung in Form des Bridgestone RS 10 lässt sie sich selbstbewusst und willig durch die Radien dirigieren. Der direkte Vergleich mit der GSX-S 1000 legt jedoch offen, dass es eben auch noch eine Spur intuitiver und einfacher geht. Wenngleich man in besonders flotten Kurven oder auf Streckenabschnitten mit Fahrbahnunebenheiten, wo schnell mal Unruhe ins Fahrwerk kommt, sofort wieder die Qualitäten der Virus zu schätzen weiß. Hier kommt übrigens auch der unauffällig aber effektiv arbeitende mechanische Öhlins Lenkungsdämpfer ins Spiel, welchen man mit einer speziellen Anlenkung an der Virus verbaut hat. Das elektro-hydraulische Original-Bauteil von der GSX-R hätte zu viel Platz benötigt und die schlank gezeichnete Frontpartie gestört.

Im Allgemeinen spürt man die hohe Güte des Fahrwerks und der gesamten Konstruktion in jedem Moment deutlich. Das Ansprechverhalten und die straffe aber dennoch satte Arbeitsweise der Showa Balance Free Federelemente ist auf höchstem Niveau. Feine Unebenheiten werden förmlich aufgesogen. Die Rückmeldung ist grandios und schafft Vertrauen. Die Virus ist im Auslieferungszustand zwar sehr sportlich und hart abgestimmt, bietet aber volle Einstellbarkeit, so dass für nahezu jeden Geschmack ein passendes Set-Up umsetzbar sein sollte.

Wer sind die Konkurrenten für die neue Suzuki Virus?

Blickt man über den Tellerrand hinaus, ist die Auslegung von Sitzgeometrie und Fahrverhalten am ehesten noch mit der Aprilia Tuono und der BMW S 1000 R vergleichbar. Die beiden haben ebenso wie die Virus 4 Zylinder und ihre Wurzeln im Superbike-Bereich. Sie sind brutal schnelle, hochwertig ausgestattete Power-Nakeds. Doch während man bei den genannten Marktbegleitern etwas abspeckte und jeweils eine drehmomentorientiertere Motor-Auslegung wählte, gibt es an der Suzuki nach wie vor die vollen 202 Pferde aus der Gixxer. Dank der zuvor bereits erwähnten, formidablen Performace des Triebwerks aus Hamamatsu aber auch absolut ohne Nachteil im unteren oder mittleren Bereich des Drehzahlbandes. Als Nakedbike-Liebhaber macht man damit nicht nur am Stammtisch sondern sicherlich auch bei diversen Track-Day-Events eine gute Figur.

Suzuki Virus 1000 R - Preis, Farbauswahl, Verfügbarkeit und Zubehör

Seit Mitte März 2019 wird die Virus II ausgeliefert und steht dementsprechend auch schon beim Schweizer Suzuki-Händler des Vertrauens zur Probefahrt bereit. Der Listenpreis beträgt 21.995,- Franken, damit ist sie also zum gleichen Traif wie auch Suzuki GSX-R 1000R erhältlich. Als schöne Geste seitens des Herstellers empfinden wir, dass die originalen Verkleidungsteile der Gixxer auf Kundenwunsch mitgeliefert werden. Erhältlich ist die Virus übrigens in drei Farben: Blau, Weiß und Schwarz

Die nahe Verwandtschaft zur GSX-R ermöglicht auch Zugriff auf ein umfangreiches Zubehör, welches bereits am Markt verfügbar ist. Dringend ans Herz eines jeden Virus-Besitzers möchten wir dabei einen hübschen Slip-On Endtopf legen. In unserem Test hatten wir ein Exemplar vom slowenischen Spezialisten Akrapovic montiert und waren sehr begeistert von Verarbeitung, Geräuschkulisse und der allgemein dezenteren Erscheinung im Vergleich zum wuchtigen Original-Teil.

Bericht vom 15.05.2019 | 48.771 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts