Triumph Street Cup & Street Scrambler Test 2017

Zwei brandneue Engländerinnen in Sevilla

Letztes Jahr sorgte die Street Twin von Triumph für Furore und bescherte dem britischen Hersteller großartige Verkaufszahlen. Heuer schiebt Triumph zwei weitere Modelle mit dem 900er Twin und dem Stahlrohrrahmen an den Start: Street Cup und Street Scrambler. Bei der Präsentation in Sevilla konnten wir jetzt beide Maschinen fahren. Wo liegen die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede, wie gut oder schlecht sind die beiden 55 PS Eisen?

Mir persönlich ist die Street Cup optisch ganz fest in die Seele gefahren. Ein bildschönes Eisen wie aus einer längst vergangenen, glorreichen Zeit mit moderner Technik. Der 900 Kubik Parallel-Twin mit dem populären 270° Hubzapfenversatz (V2-Charakteristik) leistet 55 PS bei 5.900 min und serviert stolze 80 Nm bei 3.230 min. Das ist am Papier nicht viel, in der Praxis aber eine Lawine. Vor allem weil das Motormanagement samt Ride-by-Wire perfekt funktioniert. Weiche und volle Gasannahme, keine nennenswerten Lastwechsel, lineare Leistungsentfaltung, potenter Schub von unten und aus der Mitte. Topspeed knapp 180 km/h auf der Uhr, die übrigens wunderschön klassisch ist. Tacho und Drehzahlmesser der Street Cup stammen von der Thruxton. Passt. Würdig und recht. Genau wie der Sound. Triumph holt trotz Euro 4 aus dem Twin einen sonor heiser hämmernden Klang, der die Ohren von Fahrer und Zuschauern gleichermaßen erfreut. Nicht aufdringlich laut, aber trotzdem mit viel Substanz. Großartig!

Drosselkit für A2 ab Frühjahr!

In der Street Scrambler leistet der gleiche 8V-Motor (keine technischen Unterschiede zur Street Cup) die 55 PS erst bei 6.000 min, liefert aber dafür das maximale Drehmoment von 80 Nm schon bei 2.850 min. Diese feinen Unterschiede, die man beim Fahren nicht spürt, sind im Wesentlichen in der seitlich hoch geführten Auspufflösung der Scrambler begründet. Generell darf man sagen, dass der Motor, für den es übrigens 2017 einen A2-Kit gibt (also Drosselung auf 48 PS!), zur Scrambler noch besser passt als zur Street Cup. Weil die Scrambler ein Easy-going-Allerwelts-Eisen ist, das weniger durch einen besonderen sportlichen Anspruch glänzt als vielmehr durch einen universellen Einsatzbereich. Mit der Scrambler kann man genausogut zum Bäcker semmeln wie auf schlechten Straßen wildern oder auch einen Schotterpass bezwingen. Ja, es war erstaunlich, wie forsch die Street Scrambler in den spanischen Bergen auf unbefestigten Wegen zu bewegen war. Eigentlich unfassbar, dass es den irr wütenden Guide nicht in den Rio Tinto gebirnt hat. Traktionskontrolle off, ABS off (trotz Euro 4 möglich wegen Enduro-Sonderregelung) und Feuer frei. Was für eine verwegene Auskeilerei! Mir hat das edle Eisen fast leid getan, wie es da im steinigen Dreck wüten musste, aber es überstand die harsche Barbarei vollkommen schadlos. Die langen Federelemente, das 19 Zoll Vorderrad, der breite Lenker und die tiefer montierten Fußrasten sind also nicht umsonst.

Mehr Schräglage auf der Street Cup.

Die Street Cup hätte den Ritt in den Felsen weniger locker derpackt. Zwar sind die Fußrasten höher montiert, was zu großartigen Schräglagen auf der Straße führt (kein Aufsetzen während der beherzt vorgetragenen Testfahrt), aber die kürzere Gabel, das 18 Zoll Vorderrad und der tiefere, schmälere Lenker sind im Gelände selbstverständlich kein Vorteil. Auf der Straße schon. Die Federbeine der Street Cup sind um 8 mm länger als auf der Street Twin, haben stärkere Federn und sind sowohl in der Druck- als auch in der Zugstufe besser gedämpft. Das hilft nicht nur beim Schlucken von Unebenheiten, sondern gibt der Maschine trotz unveränderten Rahmens einen de facto steileren Lenkkopfwinkel, einen kürzeren Nachlauf und - in Verbindung mit dem tiefen Lenker mehr Vorderrad-Orientierung und mehr Gier am Kurveneingang. Einfach herrlich, wie die Street Cup die Radien gefressen hat. Mir persönlich (178 cm) passte die Sitzposition wie angegossen, ich fühlte mich wohl, die Haltung war sportlich und doch bequem und Geschwindigkeiten bis 180 auf der Uhr waren aufgrund des kleinen Schildes über dem Scheinwerfer problemlos über eine längere Distanz zu fahren. Top! Was gibt es sonst noch zu sagen? Leichtgängige Kupplung, gutes 5-Gang-Getriebe, ausreichende Bremse mit gutem ABS (löst spät aus, hat annehmbare Intervalle), Alcantara-Sattel, Spiegel an den Lenkerenden, verstellbare Hebel. Keine Frage, die Street Cup ist kein mörder Naked mit unfassbarer Leistung, aber sie ist in meinen Augen eine brillant funktionierende Straßenmaschine mit vereinnahmendem Flair.

Sehr breites Einsatzgebiet: Street Scrambler.

Die Street Scrambler bremst einen Hauch schlechter (liegt vielleicht an der fest montierten Bremsscheibe im Vergleich zur schwimmend gelagerten auf der Street Cup), hat weniger Schräglagenfreiheit (die tieferen Rasten kratzen aber gutmütig und nicht allzu früh) und ist auf schnellen Etappen anstrengender zu fahren, weil man aufgrund des hohen Lenkers und der höheren Front (längere Gabel, 19 Zoll) dem Fahrtwind ausgeliefert ist. Das Einlenkverhalten ist trotz des 19 Zoll Vorderrades aber überhaupt kein Drama, sondern gutmütig einfach. Wie man generell der Maschine ein einfaches Handling bescheinigen darf. Schade aus meiner Sicht ist, dass sich beide Maschinen wie die Street Twin nach Ausschalten der Zündung nicht merken, ob man die Traktionskontrolle ausgeschaltet hat oder nicht. Ich fahre lieber ohne. Zwar ist die Elektronik nicht schlecht (selbst auf Schotter hat sie funktioniert), aber beim vollen Feuergeben beim Ampelstart will ich nicht, dass die Zündung zurückgenommen wird. Deshalb ohne.

Für beide Maschinen darf man Triumph herzlich gratulieren!

In meinen Augen ist die Street Cup eine bildschöne Maschine mit würdigen Sportgenen, die durchaus in der Lage ist, bei schwungorientierter Fahrt mit guter Linie Achtungserfolge bei Bergwertungen zu erzielen. Die Street Scrambler ist etwas weniger kampfstark im Sinne des Speeds auf Asphalt, dafür aber noch bequemer und in Bezug auf das Einsatzspektrum ein Gigant. Man darf Triumph zu beiden Eisen herzlichst gratulieren.

Fazit: Triumph Street Cup 2017

Bildschöner Retro-Racer. Viel Fahrspaß, wenig Angst. Kein Killernaked, aber durchaus kampfstark, wenn man schwungorientiert unterwegs ist.


  • Umwerfendes Aussehen
  • Drehmoment-starker, sehr elastischer Motor
  • sportliche und dennoch komfortable Sitzposition
  • Elektronik merkt sich nach Ausschaltung der Zündung nicht, dass man die Traktionskontrolle deaktiviert

Fazit: Triumph Street Scrambler 2017

Äußerst stimmige Maschine mit sehr breitem Einsatzgebiet und großem Erlebnisfaktor.


  • Sehr stimmige Optik
  • perfekt passender Motor
  • unerwartet gute Performance im Gelände
  • Fußrasten setzen auf der Straße relativ früh auf

Bericht vom 22.01.2017 | 53.669 Aufrufe

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