Kawasaki W800 Special

Cool sein leicht gemacht. Mit der Kawasaki W800 Special. Kot fährt aus.
Testbericht Kawasaki W800 Special Edition
 

Kawasaki W800 Special

 
 

Die Sechziger Jahre. Jaja, die Sechziger Jahre. Die Zeit der Rebellion, des Aufbruchs, der Befreiung. Ach die Sechziger. The Roaring Sixties, wie der Engländer zu sagen pflegt. Oder Swinging? Keine Ahnung, woher soll ich das wissen, ich war nicht dabei! Ich habe weder in einer Studentenbewegung gegen die Grausamkeit des Krieges protestiert noch in einer Karnickelkommune gegen das Zwangskorsett der Zweierbeziehung kopuliert. (Leider, also was die Karnickel betrifft.) Das Lustige ist, Mitte der Sechziger waren Kawasaki Motorräder schon so alt wie ich es heute bin: 34. Was der grünen Marke jedes Recht gibt, im Jahr 2012 so etwas wie die W800 Special zu bauen, ohne peinlich zu wirken.

 

Der moderne Klassiker, von einem 773 Kubik Reihenzweizylinder mit Einspritzung in Vergaseroptik angetrieben ganz ohne Fake gehts dann doch nicht behält auch im Zeitalter der Energiesparlampen, Hybridfahrzeuge und tragbaren 24h-Unterhaltungselektronik-Geräte seine Glaubwürdigkeit; vor allem aber seine Würde, wie sie den meisten von uns bereits abhandengekommen ist, ohne dass wir es gemerkt hätten. Wir pressen unter Einsatz unseres Lebens 87 PS aus einem ZX-10R Motor und wagen es anzumerken, dass sie nicht ganz so gut gehe, wie eine S 1000 RR. Wie ans Kreuz genagelt lassen wir uns auf Supersportler gespannt die Passstrassen hochziehen und hoffen auf Erleuchtung und Erlösung.

Testbericht Kawasaki W800 Special Edition

Alt, aufrecht und arrogant.


Schlechte Nachrichten: 200 PS haben zu müssen deutet tatsächlich auf eine vom Fahrer als notwendig wahrgenommene Kompensation eigener Defizite hin. Ich brauch die Leistung, ich weiss nur nicht, warum und wofür. Die W800 ist nicht nur selbstbewusster Rebell, sie spielt auch gern den gereiften Herren von Welt; alt, aufrecht und arrogant. Man zupft nicht nervös am Gas, um nicht überholt zu werden und läuft nicht rot an, wenn man überholt wird. Übrigens ein Vorgang, an den man sich gewöhnen wird müssen, denn 48 PS bei 217 Kg waren selbst in den Sechzigern keine echte Ansage. Es ist aber keine Überraschung, dass man auf der abgesteppten Sitzbank die charakterlichen Eigenschaften des Fahrzeugs annimmt und die Ruhe selbst wird.

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Hohe Wand zu zweit? Kein Problem.


Das hat nichts mit angepasster Geschwindigkeit oder dem ausnahmslosen Einhalten aller Verkehrsregeln zu tun. Ein freier Geist kann viel mehr tun, als ein reaktionärer, der jede Reglementierung, jede Situation und jedes Manöver anderer Verkehrsteilnehmer als Provokation begreift und glaubt, danach handeln zu müssen. Man teilt nicht länger das Bewusstsein dieser Welt von Alphatierchen und B-Hörnchen; man ist Über-Ich, auch zu zweit.

Die Besteigung der hohen Wand mit Doppelbesatzung stellte für die W800 kein Problem dar. Der Motor schnurrte auch im Gefälle noch souverän und unangestrengt vor sich hin. Das tiefe Profil des Dunlop K81 TT100, vor über 40 Jahren der Reifen, mit dem auf dem Strassenkurs der Isle of Man erstmals ein Schnitt von 100 Meilen erreicht wurde (heute fahren sie 130), griff auch auf dem noch immer mit Streusplit übersäten Asphalt.

Nicht nur optisch macht die Special in teils seidenmattem, teils poliertem Schwarz und mit gold eloxierten Felgen einen selbstbewussten Eindruck. Sie behauptet ihr starkes Auftreten auch mit fahrtechnischer Solidität. Selbst das halbe Brems-Quartett aus einer 300 mm Scheibe mit Doppelkolben-Schwimmsattelzange vorne und eine 160 mm Simplex-Trommel (da geht dem Grossvater das Herz auf) hinten überrascht mit einem starken Auftritt.

Testbericht Kawasaki W800 Special Edition
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Sonst wären ich und meine Holde nach der Abfahrt von der Hohen Wand wohl kaum noch hier. Sicher, die 39 mm Teleskopgabel und die namenlosen, in der Vorspannung 5-fach einstellbaren Federbeine sind nicht viel mehr als die Andeutung eines Fahrwerks, aber in den 60ern gab es schliesslich auch keine Reserven. Man musste mit dem auskommen, was da war. Hier wird also nicht mehr und nicht weniger geboten, als Authentizität.

Drei grosse Pluspunkte erhält die W für das benutzerfreundliche Handling, das geringe Gewicht von 217 Kilo vollgetankt und die massenkompatible Sitzhöhe von 790 mm. Geschmeidig und unbeschwert gleitet die alte Dame über die Strassen. Ohne Bestimmung, ohne Weisung, ohne Pflicht. Und je mehr Zeit man mit ihr verbringt, umso stärker wird einem bewusst, dass einen die ganze Welt kann. Wie in den Sechzigern.

Testbericht Kawasaki W800 Special Edition

Noch ein Eck ärger. Die Special mit 'Bikini'-Verkleidung und Custom-Sitzbank. Vollenden kann man das Ganze mit einem Auspuff im Taper-Shape-Stil.

Testbericht Kawasaki W800 Special Edition
So cool wie unten wird man natürlich nicht von heute auf morgen, deshalb kann man nicht früh genug damit anfangen. Wichtig ist zunächst die Kleidung. Schwarz kommt immer gut und Grau ist der hellste Farbton, den man sich leisten darf. Neben einer Fliegerbrille und einem Baseball-Cap (weil Haare scheisse) trägt der Draufgänger auf dem Foto die Jacke "Sixty Six" von Held aus gewachster Baumwolle und die Handschuhe "STRATOS" von Racer. Beides passt zur W800 wie die Faust auf's Aug'. Aussen klassisch, innen modern. Die Jacke ist wind- und wasserdicht, mit Softprotektoren an Schultern und Ellenbogen ausgestattet und bietet insgesamt 7 Taschen, 4 aussen und 3 innen, zum Verstauen von gefladerten Wertsachen.

Auch der Lederhandschuh von Racer sieht zunächst aus wie ein Handschuh der alten Schule. Innen hat er jedoch High-Tech zu bieten. Der vermeintlich leichte Lederhandschuh ist mit einer Goretex Membrane ausgestattet, das macht ihn zu 100% wasserdicht. Um ein besseres Griffgefühl zu ermöglichen (Stichwort: gefühlsecht), ist das Goretex Laminat mit der sogenannten XTRAFIT Technik eingearbeitet. Das gesamte Goretex Laminat ist fest mit dem Handschuh verbunden und nicht punktuell befestigt, so bleibt die Membran beim Ausziehen dort, wo sie hingehört. Das Aussenmaterial besteht aus Ziegen und Rindsleder, die Innenhand ist komplett aus Ziegenleder gefertigt. Der Handschuh fühlt sich in der Praxis toll an, wir fuhren auch bei 0 Grad damit ins Büro und haben noch alle Fingerkuppen. Der Preis ist fair: 119,90 Euro. => Racer Website

Racer Stratos Handschuh
Held Sixty Six
Testbericht Kawasaki W800 Special Edition

Interessante Links:

Fotos: Kawasaki

Fazit: Kawasaki W800 2012

Ohne Bestimmung, ohne Weisung, ohne Pflicht. Und je mehr Zeit man mit ihr verbringt, umso stärker wird einem bewusst, dass einen die ganze Welt kann. Wie in den Sechzigern.


  • Viel Leistung
  • stabil
  • angenehme Sitzbank
  • selbstbewusster Optik
  • benutzerfreundliches Handling.
  • Eher hohes Gesamtgewicht.

Bericht vom 07.04.2012 | 35.397 Aufrufe

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