Harley Sportster Iron 883
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Amazing Grace |
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Nicht nur etwas für böse Jungs... |
Trefflicher könnte die Gruppe Silbermond ein ganz
neues, zunehmend wichtiger werdendes Lebensgefühl nicht formulieren.
Das Langsamerwerden bis hin zum inne halten stellt also nicht
unbedingt ein Phänomen älterer Generationen dar. Die Forschung über das
Älterwerden steckt noch in den Kinderschuhen. Ein Satz wie aus einem
Lehrbuch in dem eine Seite fehlt. Aber im Blick zurück auf die
Entstehungsgeschichte der Sportster von Harley Davidson seit ihrem Debüt
in 1957 fällt auf: Mein Gott, Mahalia, Du bist ja kein bisschen älter
geworden. Falten zeigen sich heuer an der zu edlem Schwarz oder wie
hier in Brilliant Silver Denim Ergrauten nur an den entsprechenden
Bälgen der Gabelrohre. Den Odem rastloser Kriegsveterane, denen sie ihre
Existenz verdankt, atmet der US V-Twin aus Milwaukee noch heute. In
Rückbesinnung auf die wilden Zeiten der 1960er und 70er Jahre und der
neu aufgelegten Harley-Serie im Dark-Custom-Look erschien Ende letzten
Jahres nun diese puristische Fahrmaschine. Frei von jeglichen Schnörkeln
der Zwischenzeit, Ablehnung von jeglichem Glanz und Glamour als
Zugeständnis an die Generation der Neureichen, die eine Harley
Davidson manchmal fast anmaßend als Statussymbol nur für sich erkoren
haben. Wenn heuer ein schmaler Silberstreif am Horizont zu erkennen ist,
bedeutet das in diesem Fall: Mahalia, Aretha oder einfach Edelgard, die
neue 883 im Dark-Look nähert sich. Und zwar nicht im Eiltempo der
Hastigen, sondern im Rhythmus von ehrlichem, unverfälschten, nahezu
souligem Rock. Frei von lästigen Attitüden frickeliger 7/8 Breaks im
Sakko-Styling oder pompöser Opergesangsorgien á la Pelzrobe und
Satinkleidchen.
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Paint it black |
Okay, das Kleine Schwarze wird ja gern gesehen,
aber an dieser 883 IRON von Harley Davidson darf nichts anderes dran als
der unerschütterliche Glaube an Stahl, ein schwarz pulverbeschichteter,
starker XL-Evolution-V2 Motor mit 883 cm, Leichtmetallräder im
spartanischen 13-Speichen-Look, eine handfeste Dragbar und alle
Motorteile, Halterungen, Gabelrohre, Luftfilter und Öltank, sogar die
Zahnriemenabdeckung, alles völlig glanzfrei in tiefem Mattschwarz.
Einzig die schlicht gehaltenen Rohre der Straight Cut Shorty
Dual-Anlage dürfen glänzen, ebenso wie ihr sonorer Sound im Stile einer
frühen Mahalia Jackson. Passend zur druckvollen Kraftentfaltung bei 70
Nm und den dann anliegenden 3.750 U/min, einer Drehmomentkurve wie fürs
gediegene Cruisen nur so geschaffen. Damit strömst du einem warmen
Luftzug gleich übers Land, die Füße sicher auf den mittig angeordneten
Rasten abgestützt, die schwarze, keinesfalls ausladende Dragbar sicher
im Griff.
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Rebellion auch auf der Straße |
Sinnlich silber |
Weich schimmert der matte Silberlack in der
untergehenden Sonne, während ich mich bis ganz ran an den schmalen Tank
ziehe. Denn für meine geringen Körpermaße müsste es nicht einmal den
zusätzlich zu ordernden Soziussitz samt zweitem Paar Fußrasten geben.
Die weiträumige Sitzfläche könnt ich mir schon mit meinem Liebsten
direkt hinter mir teilen (die Fußrasten sicherlich auch - und die
serienmäßigen Federbeine wären bestimmt immer noch nicht überfordert, so
emsig ist die Suspension selbst in den harten, teutonischen
Landstraßenverwerfungen um mein Wohlergehen bemüht. Da kommt mir glatt
die Aussage von Pofpof bei dessen Betrachten der Bilder dieses
kompakten, schnörkellosen US-Eisens in den Sinn:
Weißt du was? Die schicken Sporty-Bilder haben bei mir einen Gedanken
wieder auftauchen lassen, den ich kürzlich schon mal hatte. Harley
fahren?
Früher für mich undenkbar! Aber diese Sporty gefällt mir, auch wenn ich
lieber "richtige" Speichenräder hätte und mich die Gabelholme an
Zahnstocher erinnern. Hab so was auch noch nie bewegt, sollte ich
vielleicht mal probeweise tun. Im selben Sinne wie Silbermond: langsam
mal alle wilden Aktionen wieder auf eine gesunde Grundeinstellung
runterfahren, so was wie ein sicheres Bauchgefühl erlebbar werden
lassen, die Rückbesinnung auf die wahren Werte des Lebens. Mit der 883
Iron durchaus machbar, Herr und Frau Nachbar. Wie den Abtastarm des
Schallplattenspielers langsam und genüsslich auf eine tiefschwarze,
seidig glänzende Schellackplatte sinken lassen und dem Gesang der
voluminösen Stimme einer Mahalia Jackson mit ihrer Interpretation von Amazing
Grace lauschen.
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Das ist Kult |
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Harley Sportster Iron 883
Technische Daten
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Motor |
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-45-Grad-V-Motor, vier unten
liegende, zahnradgetriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro
Zylinder, Hydrostößel, Stoßstangen, Kipphebel,
Trockensumpfschmierung, Einspritzung, Ø 45 mm, ungeregelter
Katalysator, Lichtmaschine 357 W, Batterie 12 V/12 Ah,
mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung,
Fünfganggetriebe, Zahnriemen. |
Bohrung & Hub |
76,2 x
96,8 mm |
Hubraum |
883 ccm |
Verdichtungsverhältnis |
9:1 |
Nennleistung |
39,0 kW
(53 PS) bei 5900/min |
Max. Drehmoment |
70 Nm bei
3750/min |
Fahrwerk |
Doppelschleifenrahmen aus Stahl, Telegabel, Ø 39 mm,
Zweiarmschwinge aus Stahl, zwei Federbeine, verstellbare
Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 292 mm,
Doppelkolben-Schwimmsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 292 mm,
Einkolben-Schwimmsattel. |
Alu Gussräder |
2.50 x 19;
3.0 x 16 |
Reifen |
100/90 19;
150/80 16 |
Bereifung im Test |
Dunlop D
401 |
Radstand |
1510 mm |
Lenkkopfwinkel |
60,0 Grad |
Nachlauf |
117 mm |
Federweg v/h |
145/54 mm |
Sitzhöhe |
740 mm |
Gewicht vollgetankt |
261 kg |
Zuladung |
193 kg |
Tankinhalt / Reserve |
12,5 l /
3,8 l |
Preis in Deutschland |
7.990 Euro |
Preis in Österreich |
9.745 Euro |
Garantie |
zwei Jahre |
Service Intervalle |
8000 km |
Nebenkosten zirka |
350 Euro |
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Text: Sabine Welte
Fotos: Sabine Welte |
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