Motorradreise Italien: Herrliches Trentino

Von Kaiserjägern für Kurvenjäger

Welche Routen dieses Motorradmekkas man eher meiden und welche man auf keinen Fall verpassen sollte und warum der September der beste Reisemonat für Touren in Norditalien ist.

Anreise aus der Toskana über Emilia-Romagna und Lombardei

Einen Abschieds-Cappuccino am wunderschönen Hauptplatz der Textil-Hauptstadt Prato gönnten wir uns noch vor der Abfahrt aus der herrlichen Toskana, in der wir den ersten Teil unserer Motorradreise durch Italien absolvierten. Den ligurischen Apennin mussten wir aus Zeitgründen wortwörtlich links liegen lassen und durchquerten die Region Emilia-Romagna auf der Autobahn A22. Bei Mantua verlassen wir die Brennerautobahn und entern die Lombardei. Die Stadt mit bewegter (und für die Tiroler auch schmerzhafter, Stichwort: Andreas Hofer) Geschichte und einzigartiger Lage zwischen zwei Stauseen sollte man definitiv gesehen haben! Gestärkt durch ein leichtes Mittagessen und ein hervorragendes Eis geht es nun über Nebenstraßen nach Norden Richtung Peschiera del Garda.

Am traumhaften Gardasee entlang kommt man auch in der Nebensaison nur gemächlich voran. Daran ist weniger die beinahe auf den gesamten 60 km der Ostuferstraße geltende Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h schuld, als vielmehr zuckelnde Wohnmobile und von Rentnern gelenkte Cabrios. Zwar entschädigen die phantastischen Ausblicke auf den See für die erlittenen Verkehrs-Qualen, die fahrerisch deutlich interessantere Route ist jedoch sicherlich die SP8 ab Pazzon den Monte Baldo hinauf.

Der perfekte Einstieg ins Trentino von Süden - Der Monte Baldo

Jener über 2.200 Meter hohe Monte Baldo, der gegen Westen spektakulär und steil Richtung Gardasee abfällt stellt den Übergang ins Trentino dar. Ab der Landesgrenze heißt sie dann SP3 was den herrlichen Ausblicken jedoch keinen Abbruch tut. Da wie dort ist die Höhenstraße eng gewunden und der Asphalt von durchschnittlicher Qualität, Highlights sind mit Sicherheit die in den Fels gesprengten Tunnels und die Felsüberhänge entlang der SP3.

Eine weitere gute Nachricht ist, dass aufgrund der schmalen Straßen und der teils niedrigen Tunnels ist man kaum durch Camper belästigt, überholen ist nämlich nur sehr eingeschränkt möglich. Nachdem wir den höchsten Punkt der Straße (1.620 Meter) erreichen, fahren wir den Bergrücken entlang hinunter bis nach Mori, wo uns eine Verbindungsetappe entlang der SS12 am hübschen Städtchen Rovereto vorbei führt. In Calliano biegen wir dann rechts auf die SS350 die uns auf den Passo del Sommo bringt. Hier sind die Spuren des ersten Weltkriegs, in Form von ehemaligen k.u.k. Festungswerken bis heute sichtbar.

In Carbonare halten wir uns links und fahren auf der teilweise einspurigen SS349 Richtung Lago di Caldonazzo. Lange Zeit fährt uns dabei ein Einheimischer in einem Lieferwagen mit atemberaubendem Tempo unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln vor. Folglich war ich froh die Nebenstraße dann wohlbehalten und in einem Stück Richtung Levicosee verlassen zu können. Das Hotel Cristallo in Löweneck (italienisch Levico Therme), unsere Unterkunft für die nächsten drei Tage erreichten wir mit ordentlich Hunger, der glücklicherweise auf äußerst befriedigende Art gestillt wurde. Nach dem Essen holte ich mir am Bikerstammtisch des Hauses bei Marcel, dem Chef höchstpersönlich, noch Tipps für die nächste Ausfahrt.

Die Kaiserjägerstraße - ein wahrlich kaiserliches Vergnügen!

Am Folgetag gönnte sich eine meiner lieben Begleiterinnen eine Pause. Ihr habt es schon erraten, es war die aus Fleisch und Blut. Also runter in die Tiefgarage und das Öhlins Fahrwerk an der Africa Twin anpassen. Die Maschine solo und bis auf den Tankrucksack ohne Gepäck zu bewegen ist dann doch noch einmal etwas ganz anderes. Bereits frühmorgens nahm ich die unweit von Levico Therme in Lochere startende SP133 in Angriff. Besser bekannt ist sie unter dem Namen Kaiserjägerstraße, womit wir auch gleich ihre Erbauer genannt hätten. Die Tiroler Spezialeinheit der K.u.K Armee hat hier ganze Arbeit geleistet!

Selten genoss ich im Sattel solche Ausblicke. Am Punto Panoramico, unschwer zu erraten einem lohnenden Aussichtspunkt, hielt ich an um die enge Bergstraße auf mich wirken zu lassen. Großteils einspurig windet sie sich in engen Kehren in den Fels gehauen den Berg hinauf und gibt dabei immer wieder traumhafte Panoramen frei. Um 9 Uhr Früh hatte ich sie fast noch allein für mich - absolut herrlich!

Die nur 10 km lange Straße mündet auf der Südseite in die, mir bereits vom Vortag bekannte, SP349, der ich wiederum bis zum Passo del Sommo folge. Hier biege ich aber, der Empfehlung des MoHo-Wirten folgend, nach links auf die SP142 ab. Auf dieser, einer eine Hochebene überbrückenden, Straße, die mich aus dem Trentino kurz nach Venetien führt, wechseln sich weite und engere Radien ab. Ich bin froh auf einer Reiseenduro zu sitzen, die Qualität der Straßenoberfläche ist durchwegs mäßig. Ich frage mich, ob diese Empfehlung auch Fahrern mit Supersportlern gegeben worden wäre. Kurz drauf geht die SP92, der ich weiter folgen soll rechts ab, nach einigen Kilometern auf ebendieser passiert es.

Perfekter, neu aufgezogener Belag, kein Verkehr und traumhafte Kurven. Die Straße schlängelt sich mittels Galerien leicht ansteigend den Berg entlang und ich erlebe einen wahren Euporieschub. Schöner kann Motorradfahren nicht sein! Weitere 10 km später ist die Traumpiste dann zu Ende und ich halte am Lago Coe nahe dem gleichnamigen Pass für ein paar Fotoaufnahmen. Kurz zuvor habe ich die Grenze ins Trentino wieder überschritten.

Zurück nach Levico Therme geht es dann wieder über den Passo del Sommo, wo ich mir einen Espresso gönne und mich sehr zufrieden auf den Heimweg mache. Nach einem Bad im Pool besuchen wir am späten Nachmittag das Fersental, eine der letzten verbliebenen deutschen Sprachinseln im Trentino. Das Castello Pergine thront über dem Taleingang und bietet eine tolle Kulisse.

Der Abschied fällt schwer im Trentino: Über Südtriol geht es nach Österreich

Gerade hatten wir es uns im Trentino so richtig gemütlich gemacht, heißt es auch schon wieder Koffer packen. Im Gepäck haben wir allerdings eine sehr feine Route - logisch, man kann von Löweneck aus leiwande Strecken eigentlich kaum vermeiden - zurück nach Österreich, die aber auch als Tagestour von Löweneck toll zu fahren ist, weswegen ich sie euch nicht vorenthalten möchte.

Direkt am Levicosee entlang starten wir unseren letzten Trip im Trentino. Wir folgen der SP 71 ins Val de Fiemme, das für die Grappaherstellung bekannt ist. Parallel auf der anderen Talseite verläuft die SS612, die zwar besser ausgebaut ist als die SP71, aber dafür auch deutlich mehr befahren. Am Stramentizzo-Stausee mit seinem türkis-blauen Wasser münden die beiden Straßen dann in einander. Wir halten uns in Kastell im Fleimstal rechts und fahren weiter auf der SS48 Richtung Fassatal.

Linkerhand türmt sich jetzt spektakulär die Rosengartengruppe auf, während wir auf die bekannte Sellagruppe zufahren, die wir später halb umrunden werden. Im Ort Canazei im Herz der Dolomiten steigt die SS242 steil an. Wer sich von hier aus auf den Rückweg Richtung Löweneck macht, dem stehen einige Möglichkeiten offen, eine schöner als die andere. Wir entscheiden uns für die Auffahrt aufs Sellajoch, das die Grenze Trentino - Südtirol bildet. Vor allem im Hochsommer herrscht hier großer Trubel, aber auch jetzt im September schiebt sich beachtliches Verkehrsaufkommen in schwindelerregende Höhen.

Auf das Sellajoch folgt, die Sellagruppe umrundend, das Grödnerjoch. Malerische Hochgebirgsansichten erfreuen das Auge des Piloten. In der Ferne kann man den Marmolada-Gletscher mit seinem immer weißen Gipfel erkennen. Nun beginnt die Abfahrt in Richtung des weltbekannten Skiorts Alta Badia. Das Trentino zog uns mit atemberaubenden Landschaften, spektakulären Pässen und bildschönen Seen in seinen Bann, der Abschied fällt nicht leicht.

Doch es hilft alles nichts, für uns geht es weiter über den Furkelpass und anschließend durch das Pustertal nach Kärnten. Nach einer landschaftlich extrem reizvollen Fahrt über die B111 (deren Fahrbahnzustand einer österreichischen Bundesstraße allerdings nicht würdig ist) durch das Lesachtal, erreichen wir Kötschach-Mauthen, wo wir im Gailtaler Hof herzlich empfangen werden.

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Bericht vom 02.10.2021 | 17.448 Aufrufe

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