Motorrad-Reise Italien: Toskana - Kultur, Kulinarik, Kurven
Soziusreise mit der Honda Africa Twin 2021
Warum der September der beste Reisemonat für Norditalien ist, welche Routen man eher meiden und welche man auf keinen Fall verpassen sollte und warum die Toskana auch für Wellnessfanatiker definitiv eine Reise wert ist.
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Zehn Tage zu zweit auf der Africa Twin durch die wunderschönen Landschaften Mittel- und Norditaliens - auf diesen Trip hatte ich mich schon lange gefreut. Die größte Herausforderung wartete schon am Tag vor der Abreise. Dank meiner Tetris-Erfahrung konnte ich das Hepco-Becker Gepäcksystem platzsparend bis zum Rand befüllen. Dann ging es los Richtung Süden.
Abfahrt aus Wien per Autoreisezug
Von den über 900 Kilometern von Wien nach Livorno legte ich lediglich 2 selbst zurück. Die Strecke von meiner Wohnung zum Hauptbahnhof. Dann hieß es die Africa Twin verladen lassen. Vertrauensvoll übergab ich meinen Schatz in die erfahrenen Hände der ÖBB-Mitarbeiter, die die Maschine verzurrten. Mit dem hohen Windschild kratzt man - beinahe wortwörtlich - an der erlaubten Maximalhöhe von 1,58 Metern für den Transport.
Um 20:00 verließ der Zug pünktlich Wien Hauptbahnhof. Nach einem wohlverdienten Bier, richtete uns der Zugbegleiter die Betten und irgendwo in der Steiermark sanken wir mit dem regelmäßigen Tuckern des Zuges in den Schlaf. Eine Durchsage, das wir Florenz 20 Minuten verspätet erreichen würden, weckte uns. Rund eineinhalb Stunden später fuhren wir in Livorno ein. Das Abladen der Fahrzeuge nahm dann noch eine weitere Stunde in Anspruch, so tranken wir unseren ersten italienischen Espresso erst um 11 Uhr im pittoresken Stadtteil Venezia Nuova im Herzen der Altstadt des Verkehrsknotenpunktes Livorno.
Pisa und sein Platz der Wunder - Pflichtstop am Weg von Livorno egal wohin
Die halbe Stunde Umweg über Pisa sollte man, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, auf jeden Fall einplanen. Auch wenn man ihn schon zigfach auf Bildern gesehen hat, überwältigt der Piazza dei Miracoli den Betrachter mit Leichtigkeit. Nicht nur der berühmte schiefe Turm, der der Campanile des nicht minder prächtigen Doms aus gestreiftem Marmor ist, sondern auch das weltgrößte christliche Baptisterium sind eine Reise wert. Der Platz ist ein Gesamtkunstwerk für sich und selbst in der Nebensaison entsprechend gut besucht. Umso überraschender ist es, dass sobald man dessen unmittelbares Umfeld verlässt, die Altstadt Pisas wie ausgestorben scheint. In einer gemütlichen Trattoria gönnen wir uns hausgemachte Pasta mit Spargel und Kaninchen, bevor wir die Africa Twin besteigen und über Nebenstraßen gemütlich Richtung unserer Unterkunft weiter im Süden tuckern.
Die Toskana mit dem Motorrad - endlose Kurven aber nicht zu unterschätzende Distanzen
Grundsätzlich kann man eine Motorrad-Reise in der Toskana auf zwei Arten anlegen: Entweder man macht eine Rundreise und nächtigt in unterschiedlichen Orten, oder man sucht sich einen zentralen Punkt und absolviert täglich Sternfahrten. Wir entschieden uns für Letzteres und bezogen Quartier nahe der Kleinstadt Castelfiorentino mittig im Dreieck Florenz-Pisa-Siena gelegen.
Die Fläche der Toskana ist mit knapp 23.000 km² größer als die Sloweniens, die täglich zurückzulegenden Distanzen sind also nicht zu unterschätzen. Dies gilt umso mehr, wenn man, wie es sich für einen ordentlichen Motorradfahrer gehört, die Autobahn meidet, wie der Teufel das Weihwasser. Belohnt wird man dafür mit einer endlosen Aneinanderreihung traumhafter Ausblicke und Kurven unterschiedlichster Ausprägung.
Mit dem Motorrad durch die Toskana: Zwischen Kulinarik, Kultur und Therme
Neben den zahllosen kulturellen Highlights, die dieser Landstrich bietet, soll im folgenden vor allem auf lohnende Straßen und überraschende Highlights eingegangen werden. Die erste Fahrt führte uns von Castelfiorentino nach Monteriggioni, der sogenannten Krone in der Landschaft nördlich von Siena. Nach einem Cornetto und einem Cappuccino für kleines Geld, führt uns die malerische SR2 weiter nach Süden. Entlang dieser bezaubernden Route stehen mangels enger Kurven die Ausblicke im Vordergrund: Sanfte Hügel gesäumt von Weinstöcken, beschauliche Dörfer und kleine Zypresseninseln, Bilder wie aus dem Reiseführer erfreuen den Piloten und Sozia.
An der Grenze zu Umbrien tief im Süden des Orcia Tals erregt dann ein beeindruckendes Naturschauspiel meine Aufmerksamkeit: Die Bagni San Filipo gelten als die ältesten von Menschen genutzten Thermalbäder. Mitten im Wald gelegen und frei zugänglich bahnen sich die heißen Heilquellen ihren Weg durch den Vulkankegel. Im Hochsommer ist das Bad in dem rund 33 Grad warmen Wasser wenig erfrischend, im September hingegen genau richtig. Trotz des spektakulären Ambientes sind die Badeplätze nicht überlaufen. Ein echter Geheimtipp!
Nach der Entspannung waren die Akkus wieder voll aufgeladen für einen Abstecher nach Osten, ins Hügelland um die perfekte Renaissancestadt Pienza. Beinahe frei von Verkehr und mit gutem Asphalt gesegnet präsentiert sich die SP 146 als ideales Revier für Kurvenräuber. Weinliebhaber werden sich den Abstecher nach Montepulciano nicht nehmen lassen, gibt es hier mit dem Vino Nobile doch (noch) eine halbwegs preiswerte Alternative zum örtlich nahegelegenen Brunello di Montalcino. Zurück geht es wieder über die SR2, ein Abendessen in der Stadt mit der ältesten Skyline der Welt, San Gimignano schließt die Route perfekt ab.
Das Chianti: Wein und Kurven soweit das Auge reicht Heimspiel für die Africa Twin
Wer die Toskana von ihrer grünen Seite erleben möchte und ein Faible für Kulinarik hat, dem sei ein Tag im Chianti ans Herz gelegt. Den Einstieg in diese Tagestour bildet das Kloster Badia a Passignano. Über eine einspurige Steinbrücke erreichen wir den frühmittelalterlichen Sakralbau. Kleinsten Straßen folgend geht es weiter nach Greve, dem Hotspot des Chianti für alle Freunde des Lukullischen. Die Decke der Marcelleria Antica Falorni am dreieckigen Hauptplatz zieren hunderte Fleischerzeugnisse: Vom Wildschwein-Prosciutto über diverse Würste und Schinken ist für jeden Fleischliebhaber was dabei.
Greve verlassend schlängeln wir uns mit etwas mehr Verkehr als üblich weiter über Panzano nach Radda. Die SR429, die von dort beginnend nach Westen verläuft, hat es wirklich in sich. Beschwingt werfe ich die Africa Twin von links nach rechts, die Straße ist zwar nicht perfekt, aber die Kombination aus Conti TrailAttack 3 und Öhlins Fahrwerk, lässt auch im Soziusbetrieb und mit beladenen Koffern beachtliche Kurvengeschwindigkeiten zu.
Im Örtchen Cavriglia angekommen, entscheiden wir uns für einen Abstecher nach Arezzo, das bedeutet 40 flache Kilometer pro Richtung im Arnotal. Am ersten Sonntag im September, wird hier traditionell (und symbolisch) der Sarazenenkönig aus der Stadt vertrieben. Dieses Spektakel versetzt Arezzos Straßen und Bewohner für einen Tag zurück ins Mittelalter. Farbenprächtige Kostüme und unzählige Requisiten sorgen für einen authentischen Flair.
Am Rückweg fahre ich den Arno entlang nach Norden und biege erst nach Figline Valdarno links auf die traumhafte SP56, die mich zurück ins Chianti führt. Die sanften Hügel sind jetzt bereits ins goldene Licht der untergehenden Sonne getaucht. Da heißt es natürlich aufpassen, viele uneinsichtige Kurven und Wildwechsel mahnen zur Temporeduktion. Erstmals vermisse ich das Kurvenlicht der Adventure Sports, das bei der herkömmlichen Africa Twin auch nicht gegen Aufpreis erhältlich ist. Dennoch bringt uns die Honda vorfallsfrei und souverän ins Quartier zurück.
Toskanische Küste und Lucca als krönender Abschluss - nächster Halt Trentino!
Am letzten Tag in der Toskana verzichteten wir auf eine größere Etappe und fuhren ans Meer. Rund um den Ort Viareggio erstrecken sich kilometerlange Sandsträde, die gegen das Landesinnere mit Dünen abgegrenzt sind. Auch für das reine Badevergnügen ist die Toskana eigentlich nicht bekannt, dennoch genossen wir die Stunden im kristallklaren Wasser. Am Heimweg stand dann mit Lucca eine wahre Perle der Toskana an. Umgeben von einer bis zu 30 Meter (!) breiten Festungsmauer unterscheidet sich diese Stadt deutlich von den sonstigen Touristenzielen in der Toskana, sie ist nämlich großteils flach. Bei einem herrlichen Abendessen ließen wir die Tage mit dem Motorrad in der Toskana Revue passieren. Fazit: Wir kommen definitiv wieder!
Wir verlassen die Toskana mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Schließlich ist unser Italienaufenthalt erst halb vorbei, weiter geht es ins ganz andere, aber nicht minder schöne Trentino, wo weitere Abenteuer, hohe Berge und viele weitere tolle Kurven auf uns warten. Vom perfekt gelegenen Hotel Cristallo aus, starten wir weitere Touren, aber das ist Inhalt einer anderen Reisegeschichte.
POKY
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