Der Umweg ist das Ziel

Eine variationsreiche Runde für überraschend warme, jedoch nicht überraschend kurze Herbsttage.
 

Mit der Ducati Monster 1100 EVO im Waldviertel unterwegs

Wenn etwas schön ist, dann wollens alle sehen. Dazu gehört das Waldviertel. Es gilt als Geheimtipp, der gar so geheim schon lange nicht mehr ist. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden kann man nördlich der Donau immer noch den Touristen-Karawanen entgehen - und darüber staunen, wie man auf nur knapp mehr als tausend Höhenmetern so viele Kurven und Burgen unterbringen kann.

Das Waldviertel ist eine gar wundersame Gegend. Da hats zwar keine echten Berge, die zahlreichen Bodenerhebungen sind eher Hügel. Die aber haben überraschende (Straßen-)Wendungen parat. Dort ist es so, dass man einer vermeintlich endlosen Ebene dahin zieht, sich aber plötzlich eine Schlucht, ein Graben, ein Tal auftut, in dem je nachdem - ein Haus, ein Dorf, manchmal eine Stadt steht. Und wenn man sich denkt, man wüsste genau, dass die nächste Kurve eine Rechte oder eine Linke sein müsste, dann sieht man sich schnell mit der entgegen gesetzten Richtung konfrontiert. Oder sticht via zwei drei Haarnadeln tief in eine Senke, um auf einmal an einem stillen See, unterhalb oder oberhalb einer Burg(-Ruine) oder am Rand einer stillen Wiese zu landen.
 
Senftenberg liegt im Kremstal, und man erkennt es spätestens an der malerischen Burgruine. Rundherum wächst (viel) Wein.
Im Kremstal hats etliche schöne Kurven, aber weit weniger Verkehr als zum Beispiel im Kamptal.

Wundersam sind auch die Ortsnamen, die man im Waldviertel finden kann: das eine oder andere Ostra ist sonst noch in Italien zu finden, auch je eins in der Tschechischen Republik und in der Ukraine. Kottes ist etwas Ureigenes. So wie Weitra. Wernhies wird man sonst noch wo nicht finden. Fohra gibts außer im Waldviertel nur noch in der Gegend von Mank/Kilb. Ober- und Niederranna hingegen findet man auch im Mühlviertel, benannt nach dem Donau-Nebenfluss Ranna, der im Niederbayrischen entspringt, so wie Sandl und Habruck. Das sind aber nur einige wenige Beispiele, abgesehen von speziellen Sonderbarkeiten wie zum Beispiel Irnfritz, wo der Räuberhauptmann Grasel ein Unwesen getrieben haben soll.
 
Interessante Dinge zeigen sich im Wald rund um Senftenberg, auch Bus-Haltestellen im scheinbaren Nirgendwo.

Auch stehen zahllose Burgen und Schlösser herum. Geblieben sind von vielen teils malerische Ruinen, teils sind sie liebevoll restauriert, gepflegt und belebt mit Wirtschaften und Touristen. Es gibt davon so viele, dass man gut und gerne wochenlang kreuz und quer durch die, wie der Name des Viertels ja schon sagt, Wälder streifen kann, ohne eine zweimal zu sehen.
 

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In Ostra taucht man aus dem tiefen Wald auf, nach Weinzierl dann bald in selbigen wieder ein.
Es gibt viel Holz hier.

Man sagt dem Waldviertel auch nach, dass es kalt ist dort. Was nur bedingt stimmt. Sonst gäbs hier ja wohl keinen Mohn, den anzubauen uns die Europäischen Kommissare gerüchteweise verbieten wollen, weil er angeblich so arg rauschig macht. Er macht sich aber in Kuchen, Torten, Zelten und auf den Germknödeln so unnachahmlich gut, dass damit eine ganze (Eß-)Kultur unterginge.
 
Weitra ist alleine schon wegen des Bieres weithin bekannt. Es hat außerdem ein Schloss und viele weitere gepflegte Gebäude zu bieten.
Es gäbe noch viel, viel mehr zu erzählen über das Waldviertel. Dass es jede Menge Kultur gibt, abgesehen von Burgen & Schlössern und Kulinarik &, nicht zu vergessen, Wein: die Kunsthalle und das Donaufestival in Krems, das Opern-Air in Gars am Kamp, das Kasumama Afrika-Festival in Harbach, um fast willkürlich nur ein paar Highlights zu nennen. Doch hat jeder seinen eigenen Zugang dazu, und man kann es nur erfahren, um es für sich selbst zu (er-)finden. Nun war es an einem dieser erstaunlich sommerlichen und, noch erstaunlicher, morgennebel-freien Herbst-Sonntage, als man beschloss, eine Runde dorthin zu drehen. Das ist von Wien aus gut machbar, wenn man ein Stück Schnellstraße und Autobahn in Kauf nehmen will und an einem Ausflügler- &Touristen-intensiven Tag wie an einem wie diesen - die Hot Spots wie die Wachau und auch die Gegend rund um den Ottensteiner Stausee sowie die sehenswürdigsten Burgen und Schlösser (darunter die im Namen der Rosen) meidet.
Angesichts so vieler Kreuzungen mit verlockenden Ortsangeboten braucht man schon ein festes Konzept, wenn man weiterkommen will.
Seiten- oder auch Schleichweg: Rechts ginge es dann über den Seiberer nach Weißenkirchen.

Wir wollten. Und setzten uns zwei Ziele. Zuerst Weitra und dann Oberranna. Ersteres zum Mittagessen, Zweiteres zum Jausnen. Auf dem Weg zur Stadt des Bieres, denn für den Gerstensaft ist Weitra gut bekannt, kann man sich schon auf allerlei Umwegen verzetteln. Zum Beispiel, wenn man, auf dem Weg nach Krems, ins Kamptal abbiegt. Wo aber erfahrungsgemäß viele Leute hin- und durchfahren, weshalb diesmal ein Kleinod wie Langenlois links, vielmehr rechts liegen bleibt. Statt dessen führt die Route Richtung Kremstal und nach Senftenberg.
 
Die Waldviertler Bäume stehen nicht nur im Wald, oft auch auf der Wiese, dass es herbstelt ist nicht zu übersehen.

Den Spaziergang auf die gleichnamige Ruine und die Erkundung, was sich zwischen der Errichtung Ende des 12. Jahrhunderts und der Zerstörung im 30-jährigen Krieg gegen Ende des 17. Jahrhunderts getan hat, verschieben wir auf einen anderen Tag. Denn der (Um-)Weg über Ostra und Weinzierl am Walde ist aktuell wesentlich verlockender, weils da durch schattige Wälder geht. Wer rechnet auch Ende September/Anfang Oktober mit 26 Grad plus? Man hätte im Prinzip ja auch im Kremstal bleiben können, um nach Lichtenau zu gelangen wo man sich immer noch über Nebensträßchen, abseits der sich in Richtung Ottensteiner Stausee aufbauenden Kolonnen, nach Zwettl durchschummeln kann, aber das wäre zu einfach gewesen.
 
Nicht nur viele Straßen führen durchs Waldviertel, auch viele (Wander-)Wege.

Ganz so einfach ist es nicht, die Hauptrichtung beizubehalten, ohne Navigationssystem. Es gibt im Wald neben wechselnden Straßenzuständen manchmal ist die Duc mehr in der Luft als auf dem löchrigen Asphalt, manchmal liegen wilde Äpfel, Birnen und Zwetschken herum, auch Laub ist dabei und oft ist es nass, da sind Tiger-Fahrer klar im Vorteil jede Menge Kreuzungen und Abzweigungen. Da muss man sich schon zwingen, auf Kurs zu bleiben und nicht jedem Umweg nachzugehen. Und auch nicht an jeder Ecke stehen zu bleiben und zu schauen und zu fotografieren.
 
Die Burg Oberranna bei Mühldorf ist ein Kleinod optisch wie kulinarisch, auch wenn sich das Angebot auf Jause und Frühstück beschränkt.

Vor lauter Schleifchen-Fahren, hier durch den Wald, dort über ein Dorf, ist dann auch die Zeit doch schneller vergangen als (ein-)kalkuliert. Von Zwettl nach Weitra zu finden, das ist einfach. Man kann man sich dabei der no na! - Feststellung nicht entziehen, dass wir kaum die einzigen sind, die dahin wollen. Im Brauhaus hatte natürlich keiner von uns reserviert, was sich mit einem Eckplätzchen doch noch lösen läßt, trotz kleiner Konsumation. Trinken tun wir tunlichst beim Motorradfahren kein Bier. Nehmen selbiges zumindest in der Suppe, weil der Alkohol beim Kochen eh verdampft. Sowieso geht eh nicht mehr hinein in den Magen, außer einem Brot dazu.
 
Der Jauerling ist leicht an seinem Sender zu erkennen. Stehenbleiben und zumindest kurz ausblicken zahlt sich immer aus.

Bevor sich Müdigkeit ankündigt brechen wir wieder auf, wollen nachschauen, ob in Watzmanns jemand Watzmann heißt. Es sind aber alle Bewohner und ihre Gäste im Garten, oder im Wald unterwegs, also erhalten wir keine schlüssigen Auskünfte. In Langschlag schlagen wir uns nicht lange herum, sondern streben ohne zu Ätzen nach Etzen. Danach verfranzt sich das mechanische Navigationssystem, bis irgendwo, nach langem Gekurve und Geschlängel, dann doch Ottenschlag angeschrieben steht. Da wollten wir zwar nicht hin, aber wenns schon am Weg liegt, nehmen wirs doch, denn da kennen wir uns dann wieder aus.
 
Hier muss man sich entscheiden das volle Wachau-Programm oder der schnelle Weg nach Melk, zur Westautobahn.

Nun gäbe es die Möglichkeit, über Eisenreith nach Mühldorf zu reiten. Wesentlich lustiger und weniger frequentiert erscheint uns die Schleife über Kottes. Und am Ende des zweigeilten Himberg führt ein Sträßchen, das man auch als Schleichweg bezeichnen könnte, durch den Wald zu Tagesziel Nummer zwei: die Burg Oberranna. Die hat nur während der sogenannten warmen Jahreszeit geöffnet und bietet auf der sonnigen Terrasse sams-, sonn- und feiertags ab 15 Uhr Kaffee & köstliche Kuchen und Torten. Andere Sachen, mit regionalem Speck und Käse und so, gibts auch.
 
An der Donau gibts eine Reihe von stillen Plätzen. Wo die sind, muss man selber herausfinden.

Doch waren wir auf eine süße Jause gekommen. Eingedenk der siehe oben EU-Bedrohung musste es eine Mohntorte sein. Die ist von einer Dimension, die für kleine Mägen locker ein zweites Mittagessen darstellt. Ohne Verdauungs-Schnaps hernach, denn auch das passt nicht so gut zum Motorradfahren. Eher ist es so, dass man sich ein Fläschchen davon in den Rucksack steckt, es dann zu Hause verkostet und den Tag dabei nach- und ausklingen lässt.

Bevor wir die Nachhausefahrt antreten erfahren wir, dass es die kleine, sehr feine Burg schon lange gibt, und zwar vermutlich seit etwa dem Beginn des 11. Jahrhunderts. Mittlerweile ist die Anlage ein kleines, sehr feines Hotel, in dem man sich unschwer in die Rolle der Burgherrschaft versetzen kann. Gekocht allerdings wird nicht, außer Torten, Kuchen und Broten zu Frühstück und Jause. Alles andere kann man entweder in kleinem Stil in den Appartements und Zimmern selber erledigen - oder in der näheren und weiteren Umgebung die örtliche Gastronomie erkunden.

Das Blöde am Herbst ist, dass die Tage so kurz sind. Und weil wir uns noch - nicht durch die Wachau stauen wollen, schauen wir, was der Jauerling so hergibt. Auf den paar Kilometern von Mühldorf nach Gut am Steeg überholen wir viele, viele, viele Radfahrer, die aber gradaus weiterfahren, nach Spitz. Auf der Auffahrt sind wir auf dichten Verkehr gefasst, aber offenbar müssen die Ausflügler alle früh ins Bett, die Straße auf den Wachauer Aussichtsberg ist so gut wie leer. Gerade in Maria Laach ist noch was los, da sind die Gastgärten einigermaßen besetzt mit Menschen, die sich der Abendsonne hingeben.

Die geben wir uns aber nicht, und klinken uns bei Schallemmersdorf in die Wachaustraße ein. In der Dämmerung beschließen wir, eher über Melk die Autobahn zu gewinnen, als via Krems und St. Pölten. Das ist zwar vielleicht kein würdiger Abschluss, dafür ein schneller, weils nämlich plötzlich ganz, ganz schnell finster wird. Ach ja, auf unseren wäldlerischen Umwegen haben wir gezählt drei andere Motorradfahrer getroffen, dazu ein paar Traktoren und vielleicht ein Dutzend Autos.
 

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Text & Fotos: Trixie Keckeis-Hiller

Autor

Bericht vom 19.10.2011 | 6.627 Aufrufe

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