Harter Abschied für Muggeridge: Grippe zum Abschluss

Karl Muggeridge fuhr auf dem Hockenheimring sein letztes Rennen. Da er grippebedingt geschwächt war, reichte es aber nur für ein paar Runden.

Harter Abschied für Muggeridge: Grippe zum Abschluss

Alles hat einmal ein Ende. In diesem Fall nicht nur die Superbike-IDM 2012 mit dem Finale in Hockenheim, sondern auch die Karriere von Karl Muggeridge. Seit langem war bekannt, dass der schnelle und allseits beliebte Australier zum Saisonende Helm und Lederkombi an den Nagel hängen würde; nach einem Leben voller Vollgas. Praktisch von Kindesbeinen an auf zwei Rädern unterwegs, zunächst offroad in Motocross, dann auf Asphalt, war der gelernte Uhrmacher 1994 von seiner Heimatstadt Coolangatta an der berühmten Gold Coast nach England ausgewandert, um sein Road-Racer-Glück zu versuchen.

Nach oben gearbeitet

Als Nobody tankte er sich durch die britische 600er Championship, verdiente sich Unterstützung durch Honda-Britain, nutzte die Chance eines Wildcard-Einsatzes auf WM-Ebene und hantelte sich anschließend immer weiter hoch. 2004 gewann er auf der Ten Kate Honda CBR600RR den Supersport-WM-Titel. In der Superbike-WM verließ ihn nach wenigen Jahren und vielversprechenden Anfängen alsbald das Glück, Pech und Verletzungen trübten den weiteren Karriereverlauf, gefolgt von Jobs in unterfinanzierten Teams.

Bergauf ging es erst wieder, als "Muggas" 2010 in der Internationalen Deutschen Meisterschaft beim Holzhauer Honda Team anheuerte. Auf der Fireblade CBR1000RR mit elektronisch geregeltem Combined-ABS sicherte sich Karl Muggeridge auf Anhieb den Superbike IDM-Titel. 2011 eroberte er den dritten Platz in der Gesamtwertung. 2012 begann voller Hoffnungen, verlief aber harziger als erwartet. Der Blitzstarter führte etliche Rennläufe an, konnte den Speed gegen immer stärker auftrumpfende Konkurrenten aber nur selten über die Distanz halten.

Nach einem Podestplatz in Oscherleben (Platz 3) folgten einige schwierige Rennen, jedoch konnte das Team dank steter Fortschritte bei Fahrwerk und Reifen eine Tendenzwende herbei führen. Ein Sieg und ein zweiter Platz in Schleiz waren umso süßer, weil zuvor in Assen ein besonders herber Tiefschlag verkraftet werden musste - Muggeridges Honda brannte nach einem Sturz in Führung aus. Im zweiten Rennen zwang ihn eine Muskelverletzung, vorzeitig aufzugeben, was ihm in seiner ganze Karriere erst einmal widerfahren war. Auch Teamkollege Arne Tode erwischte es in Holland unglücklich. Bei einem unverschuldeten Sturz zog sich der Sachse, der immer besser in Schwung gekommen war, multiple Handgelenk-Frakturen zu, mit der seine Saison praktisch gelaufen war.

Beim Finale wollten Muggeridge und die Holzhauer-Crew noch einmal mit einer starken Leistung auftrumpfen. Das Team bereitete für das letzte Rennen sogar insgeheim eine Speziallackierung mit australischer Flagge für die rot-weiße Fireblade vor, die Box wurde mit einer Fotoserie früher Karriere-Jahre dekoriert und gegenüber der Box auf der Zielgeraden ein großes Banner mit der Aufschrift "Champion aller Herzen - Danke Karl" aufgespannt. Leider jedoch machte seine Gesundheit eine Strich durch die enthusiastische Rechnung. Karl wurde überraschend von einer Windpocken-Infektion heimgesucht, die normalerweise strenge Bettruhe erfordert. Körperlich sichtlich geschwächt und mit Fieber raffte sich Muggeridge doch zu einigen Runden über die zwei Trainingstage auf und qualifizierte sich sogar auf dem neunten Startplatz.

Keine Besserung

Die Hoffnung auf gesundheitliche Besserung am Renntag erfüllte sich nicht. Tatsächlich ging es Karl Muggeridge am Sonntag noch schlechter, weshalb er zunächst schweren Herzens auf den Start verzichtete. Für das zweite Rennen am Nachmittag schlüpfte der Aussie noch einmal ins Leder, um bei seinem letzten Rennen wenigstens auszuprobieren, ob und wie lange die Kräfte reichen. Während sich an der Spitze Damian Cudlin aus dem Staub machte, rauschte Karl in einer kampfstarken Gruppe mit Gareth Jones, Jörg Teuchert, Erwan Nigon, Matej Smrz und Lukas Pesek mit, anfänglich als Fünfter, dann als Siebter.

Nach sechs Runden schließlich, einem Drittel der Renndistanz, waren seine körperlichen Kräfte jedoch erschöpft. Muggeridge bog ab in die Boxengasse. Für eine Farewell-Runde zog es ihn in der letzten Runde noch einmal hinaus auf die Piste. Nach der Zielflagge drehte er eine finale Abschiedsrunde und entzückte die 18.700 Zuschauer im Motodrom mit einem kunstvollen "Rolling-Burnout".Karl Muggeridge verlässt nicht nur die deutsche Rennszene, die er drei Jahre bereichert hat, sondern auch seinen Schweizer Wohnsitz. Er wird demnächst mit Gattin Isabelle und den Buben Ryan und Oliver zurück nach Australien übersiedeln, und in Coolangatta zusammen mit seinem Bruder Jamie - der bereits weiter nördlich drei Motorradgeschäfte erfolgreich betreibt (mit über 60 Angestellten) - ein weiteres Motorradgeschäft eröffnen.

Weil Teamgefährte Arne Tode noch nicht soweit genesen ist, dass er ein 200 starkes IDM-Superbike wieder erfolgversprechend bewegen kann, engagierte das Holzhauer Honda Team für Hockenheim den Australier Troy Herfoss, der sich am Sachsenring von seinem bisherigen Team getrennt hatte. Leider stand auch dieser Einsatz unter keinem guten Stern. Bereits in der zweiten Runde des zweiten freien Trainings wurde der 25-jährige Blondschopf von der Maschine eines Konkurrenten umgemäht, der knapp hinter ihm zu Fall gekommen war. Heftige Prellungen und Blutergüsse an Hüfte, rechtem Bein sowie Fußgelenk waren die unangenehme Folge. Als Herfoss nach langwierigen Krankenhaus-Untersuchungen ins Fahrerlager zurück kehrte, konnte er sich nur mit Hilfe einer Krücke humpelnd fortbewegen. Trotzdem kletterte er am Samstag wieder in den Sattel und qualifizierte sich, die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die Schmerzen tapfer ignorierend, auf der für ihn neuen Hockenheim-Piste für Startplatz 13.

Im ersten Rennen am Sonntag brauste der Aussie von der ersten bis zur letzten Runde auf Platz 7 durchs Motodrom, mit konstant schnelleren Zeiten als im Qualifying, und hielt dabei eine Gruppe hartnäckiger Verfolger erfolgreich in Schach. Im zweiten Lauf konnte Herfoss seine Top-Ten-Position der ersten Runden nicht halten. Er büßte schließlich ein paar Plätze ein und beendete das letzte Rennen der Saison auf Platz 13.

Ein anständiger Beruf

Muggeridge sagte: "Diese Krankheit wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht. Es ist niederschmetternd, hier nicht fahren zu können. Aber ich habe am Sonntagmorgen sofort gespürt und eingesehen, dass es nicht geht. Deswegen habe ich auf das erste Rennen verzichtet. Mein Zustand war noch schlechter als an den Tagen zuvor. Ob ich in Zukunft noch einmal hier fahre? Dafür wäre meine Frau der bessere Ansprechpartner. Ich kehre wie angekündigt nach Australien zurück. Mit ein wichtiger Grund ist, dass mein älterer Sohn Ryan eingeschult wird. Pendeln zwischen der Schweiz und Australien geht dann nicht mehr. Was sein wird, wenn die neue Saison startet, weiss ich nicht, acht Monate bis dahin sind eine lange Zeit. Sicher werde ich den Rennsport vermissen. Aber es ist vielleicht auch keine schlechte Idee, künftig einen anständigen Beruf auszuüben."

"Die neue Lackierung hat mir großartig gefallen. Das war eine schöne Überraschung. Ich wollte im zweiten Rennen wenigstens schauen, wieweit ich komme. Ich habe es probiert, aber nach den paar Runden waren meine Batterien alle. Mir unterliefen komische Fehler, also fuhr ich raus. Die Ehrenrunde war seltsam, weil es viel Applaus gab, aber ich nicht das Gefühl hatte, heute etwas geleistet zu haben, was diesen wirklich verdient. Was ich jetzt fühle? Die meisten Leute, die danach fragten, waren betrübter als ich. Das war's nun also. Ich bin etwas traurig, klar, aber vor allem weil die Fireblade heute wirklich gut war und ich mich eigentlich mit einer starken Leistung verabschieden wollte. Es ärgert mich, dass das nicht möglich war."

Herfoss sagte: "Ich hatte in Lauf 1 in den ersten Runden ein paar heikle Momente, deswegen ist der Kontakt nach vorne abgerissen. Ab der dritten Runde fuhr ich konstant schnelle Zeiten, im Schnitt eine Sekunde schneller als im Qualifying, und konnte meine Verfolger hinter mir halten. Die Painkiller haben bis Rennmitte gehalten, danach habe ich die Schmerzen ignoriert. Normalerweise wäre ich mit Platz 7 nicht zufrieden. Aber da alles neu war, das Motorrad, das Team, die Strecke, dazu noch die Beinverletzung aus dem Training, ist es wohl okay."

"Im zweiten Lauf gelang der Start nicht gut. Dann war ich zweimal neben der Strecke, ab Rennmitte kamen die Schmerzen im Bein zurück. Nachher wollte ich nur noch heil ins Ziel kommen. Das Bike war prima, die Honda ist ein sehr, sehr gutes Motorrad und taugt mir wirklich. Tolles Handling, stabil auf der Bremse, feine Gasannahme, viel Bewegungsfreiheit, das Ganze mit ordentlich Power, auch wenn es sich sanfter anfühlt, aber ich hatte aus den Kurven heraus sehr oft das Vorderrad in der Luft. Ich wünschte, ich wäre gesund gewesen und hätte mehr daraus machen können."

Es war Pech

"Der Crash am Freitag war Pech. Nicht nur wegen dem angeschlagenen Bein. Auch weil ich zwei freie Trainings verpasste, um die Strecke zu lernen. Die Hüfte war kein Problem, auch Druck auf die Fußraste ausüben mit dem rechten Bein klappte, nur Fuß und Gelenk abwinkeln war nicht möglich. Körperlich war es insgesamt sehr hart. Aber ich wollte unbedingt fahren. Australier haben den Ruf, hart im Nehmen zu sein. Da wollte ich nicht aus der Reihe fallen. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass hinterher jemand auf die Idee kommt, mir einen Rock anzuziehen und mich "Pussy" zu schimpfen."

©adrivo Sportpresse GmbH
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Foto: ©Toni Börner

Bericht vom 19.09.2012 | 2.934 Aufrufe

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