Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich

Sportliche Adventure-Bikes im vulkanischen Hinterland Siziliens

Von den Lavafeldern des Ätna bis zu den umliegenden Gipfeln Siziliens müssen sich die DesertX und 890 Adventure R beweisen. Sportlich abgestimmt, doch dennoch massig im Auftritt. Wie gut funktioniert das auf unbefestigtem Gelände?

Das deutsche Magazin MOTORRAD lädt zusammen mit Pirelli/Metzeler Italia nach Sizilien zum großen Reiseenduro Offroad-Vergleich. Sechs moderne Adventure-Bikes (Honda Africa Twin, Triumph Tiger 900 Rally Pro, Ducati DesertX, KTM 890 Adventure R, Aprilia Tuareg 660 und Yamaha Tenere 700 World Raid) zeigen im vulkanischen Hinterland Siziliens, wie kompetent sie sich durch leichtes bis anspruchsvolles Gelände bewegen lassen. Das Ziel war es, von unterschiedlichen Herstellern die modernsten Reiseenduro-Modelle mit 21-Zoll Vorderrad aufzustellen. Die Oberklasse mit 150+ PS wurde dabei aber bewusst ausgelassen. Wenn euch der große Offroad-Vergleich interessiert, dann abonniert unseren Youtube-Kanal und seid gespannt auf das Video am 11.11.22.

Einheitsreifen beim Reiseenduro Offroad-Vergleich 2022

Um die Offroadtauglichkeit der Reiseenduros richtig einordnen zu können, setzen wir auf einen Einheitsreifen. Der Metzeler Karoo 4 ist ein moderner 50/50 Reifen, der mit seinem wellenförmigen Profil sehr guten Grip auf losem Untergrund bietet, trotzdem aber mit der weicheren Gummi-Mischung an den Flanken auch anständige Schräglagen und Performance auf Asphalt ermöglicht. Schon auf meiner Offroad-Tour durch Island mit der Honda Africa Twin war ich begeistert vom Karoo 4.

Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich und Test 2022

Die Ducati DesertX und KTM 890 Adventure R stellen sich hier im Duell, weil sie einerseits leistungstechnisch deutlich über der Yamaha Tenere und Aprilia Tuareg stehen, andererseits aber von der Charakteristik zu sportlich für Honda Africa Twin und Triumph Tiger 900 Rally Pro sind. Dabei hat sich Ducatis erste Vollblut-Offroad-Maschine einen harten Gegner ausgesucht, denn die 890 Adventure R ist in Sizilien die rassigste Offroaderin unter allen Bikes, da sind sich die Journalisten einig. Was nicht heißen soll, dass die DesertX hoffnungslos unterlegen ist, aber in einigen Bereichen zieht sie klar den Kürzeren. Was macht die KTM so gut im losen Gelände? Erster Punkt: Die Ergonomie.

Ergonomie KTM 890 Adventure R 2022
Fast wie eine Hardenduro. Auf der KTM 890 Adventure R werden sich Offroad-Cracks direkt heimisch fühlen.

Dass die 890 Adventure R das sportliche Offroad-Fahren ernst nimmt, spürt man ab dem ersten Meter. Der breite Lenker ist nicht wie bei vielen Reiseenduros angenehm hoch angebracht, sondern ähnlich niedrig wie auf Sportenduros. Damit lässt sich maximale Kontrolle auf den Lenker ausüben, der Oberkörper neigt sich instinktiv nach vorne und geht in "Angriffsposition". Das kann auf längeren Etappen zwar den Fahrer zusätzlich ermüden, in anspruchsvollem Gelände steuert sich die Österreicherin aber wie eine Hardenduro. Auch die Taille ist sehr hoch doch schmal, was einen perfekten Knieschluss ermöglicht. Die Ducati macht ihre Sache in puncto Ergonomie nicht schlecht, neigt aber auch zur eher touristischen Stehposition mit hohem Lenker. Auch baut der Motor und der Rahmen in der Mitter des Motorrads etwas breit, wodurch der Knieschluss nicht ganz so mühelos gelingt.

Fahrwerk und Handling - Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich und Test 2022

Auch beim Fahrwerk geht es in gleicher Manier weiter. Das volleinstellbare Kayaba Fahrwerk mit 230 mm Federweg vorne und 220 mm hinten schlägt sich auch passabel, vor allem weil es nicht ganz so auf Komfort getrimmt ist, wie zum Beispiel bei der Honda Africa Twin oder Triumph Tiger 900 Rally Pro. Die Upside-Down-Gabel und das Federbein der DesertX lassen also durchaus auch sportlichere Gangarten zu, erreichen aber nicht diese extreme Stabilität der WP-Komponenten auf der KTM. Auf der 890 Adventure R haben die Mattighofener sehr feine Ware vom hauseigenen Fahrwerksspezialisten verbaut. Die 48 mm USD-Gabel bietet genauso wie das direkt angelenkte Monofederbein 240 mm Federweg und volle Einstellbarkeit. Je schneller man damit über grobes Gelände ballert, desto besser fühlt sich die KTM an. Das sportliche Chassis kommt unglaublich gut mit harten Schlägen zurecht, hat gefühlt endlos Reserven und bleibt auch bei radikaler Gangart stabil. Die dafür notwendige Härte in der Abstimmung hat aber auch den Nachteil, dass die 890 Adventure R bei moderaterer Geschwindigkeit, oder gemütlichem Dahincruisen nicht die komfortabelste Maschine ist. Sie fordert und will gefordert werden.

Motor & Leistungsentfaltung - Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich und Test 2022

Das könnte auch das Motto des Motoren sein und diesmal nicht nur des 889 cm³ Reihen-Zweizylinders der KTM, sondern auch des 937 cm³ V2-Motors der Ducati. Was bei zweiterem auch ein Problem sein kann. Während der 890er Motor nämlich lediglich durch seine Spritzigkeit und Drehfreude zu flotterer Fahrt verleitet, seine Leistung von maximal 105 PS aber auch bei niedrigen Touren sauber ans Hinterrad liefert, fühlt sich der V2 der DesertX erst ab ca. 3.500 U/min wohl. Darunter läuft die Italienerin nicht ganz sauber, reißt an der Kette und beschleunigt nur holpernd. Darüber entfesselt sie dafür einen schönen Klang, dreht quirlig hoch und liefert 110 PS bei 9.250 U/min und 92 Nm Drehmoment bei 6.500 U/min.

Motor Ducati DesertX 2022
Der V2 der DesertX kann mit seiner Spitzigkeit und Drehfreude punkten, muss dafür aber erst die niedrigen Drehzahlen verlassen.

Für gute Fahrer mag das kein Problem sein, denn routinierte Offroad-Piloten bewegen sich flott und mit Schwung über Stock und Stein. So kommt die Ducati auch bei meinen erfahreneren Kollegen nicht aus dem Wohlfühlbereich des Motors und erntet Begeisterung. Ist man jedoch kein großer Offroad-Held, dann kommt man gerade im anspruchsvollerem Gelände auch mal ins Trudeln, steckt fest oder kämpft sich im Schritttempo durch knackige Stellen. Dieser Kampf mit dem Terrain wird durch einen unrunden Motorlauf bei niedrigen Drehzahlen noch erschwert, weshalb die Ducati DesertX am Ende des Tages für mich und mein Können in anspruchsvollem Gelände nicht so gut funktioniert und ich mich auf der KTM einfach sicherer und souveräner fühle.

Elektronik und Bedienkonzept - Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich und Test 2022

Die Elektronik ist auf solch hochpreisigen Adventure-Bikes natürlich in üppiger Form vorhanden. Im Offroad-Bereich ist vor allem relevant, wie einfach sich die Systeme für die Fahrt auf losem Untergrund einstellen lassen und wie fein diese Systeme auch im schwierigen Terrain regeln. Auf der KTM ist aus diesem Blickwinkel die während der Fahrt 9-fach verstellbare Traktionskontrolle im Rally-Fahrmodus das Highlight. Per Pfeiltasten kann jederzeit und blitzschnell durchgeschalten werden. Auch ansonsten ist die Menge an Einstellmöglichkeiten auf der 890 Adventure R vorbildlich, die Bedienung aber etwas umständlich. Im Gegensatz zu den meisten anderen Motorrädern sind die Einstellungen von ABS, Traktionskontrolle und Fahrmodus nicht aneinander gekoppelt. Dadurch braucht es beim Wechsel von Asphalt auf losen Untergrund oder zurück auf Asphalt deutlich mehr Tastendrücke, um alles wieder korrekt einzustellen. Bei Touren mit längeren Streckenabschnitten stört das nicht bis kaum. Wechselt der Zustand des Belags aber häufiger, kann es doch etwas lästig werden.

Elektronik & Display Ducati DesertX 2022
Das Bedienkonzept der Ducati DesertX ist schlüssiger als das der KTM.

Hier bietet die Ducati DesertX das schlüssigere und schnellere Bedienkonzept. Mit einer eigenen ABS Taste zum Deaktivieren des Anti-Blockier-Systems und auch ansonsten einer logischen und praktischen Menüführung, macht die Italienerin die Umstellung der Systeme einfacher. Die Funktion und Regelzyklen von Traktionskontrolle und ABS sind auf beiden Motorrädern nicht zu beanstanden. Mit aktivierter TC auf niedriger Stufe kommt man auch noch in recht losem Gelände durch, tiefer Vulkansand ist dann zu viel des Guten. Mit den vielen Stufen der TC kann man sich auf der KTM noch etwas genauer an die beste Regelstufe herantasten. Dafür lässt sich auf der Österreicherin nur das ABS des Hinterrads komplett deaktivieren, vorne bleibt zumindest das später regelnde Offroad-ABS aktiv. Auf der Ducati kann es nach Wahl nur hinten oder komplett deaktiviert werden.

Bremsen & Getriebe - Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich und Test 2022

Obwohl die Ducati auf hochwertige Brembo Bremssysteme setzt und KTM mit einer hauseigenen Lösung auftritt, begegnen sie sich im Bremsduell auf Augenhöhe. Fein dosierbar und gefühlvoll genug fürs Gelände, doch kräftig genug für die Straße. Mehr ist hierzu nicht zu sagen.

Auch auf Augenhöhe aber auf niedrigerem Niveau begegnen sich die zwei Kontrahentinnen beim Punkt Getriebe. Schaltwechsel sind vor allem in Kombination mit den Quickshiftern zwar schnell und sportlich, doch fühlen sich gleichweise auch etwas unpräzise an. Auf der KTM passiert es mir auch einige Male, dass ich zwischen den höheren Gängen in einem neutralen Zwischenbereich lande. Das geschieht auf der Ducati weniger, dafür funktioniert der Quickshifter eine Spur schlechter, vor allem bei niedrigen Drehzahlen außerhalb des Wohlfühlbereichs des Motors.

Widerstandsfähigkeit bei Stürzen - Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R im Offroad-Vergleich und Test 2022

Im Gelände liegt das Motorrad früher oder später. Die Robustheit des Bikes entscheidet dann aber, ob auf etwaige Stürze oder Umfaller die Weiterfahrt, Notreparaturen oder der Pannendienst folgen. Die Handprotektoren sind bei KTM und Ducati, wie bei den meisten Reiseenduros, in Serie nur aus dünnem Plastik und für den Offroad-Einsatz eher unzureichend. Weiter unten gibt es aber große Unterschiede. Die 890 Adventure R profitiert vom tief nach unten gezogenen Tank, der nicht nur Handling-Vorteile bietet, sondern auch den Motor schützend mit stoßfestem, robusten Plastik umhüllt. So sind Motor, Kupplungsdeckel, Krümmer und durch die Breite sogar die Fußhebel gut geschützt. Bei der DesertX ist der Unterfahrschutz lobend zu erwähnen. Er zieht sich seitlich und hinter dem Vorderrad schön hoch und deckt die Krümmer des V2 komplett ab. Ohne Sturzbügel bleiben auf der Ducati Tank und Motor aber relativ exponiert und dadurch gefährdet. Vor allem da die 228 kg (vollgetankt) noch einmal mit mehr Wucht einschlagen, als die tief liegenden 214 kg (vollgetankt) der KTM.

Fazit zum Offroad-Vergleich Ducati DesertX vs. KTM 890 Adventure R 2022

Die Ducati DesertX und KTM 890 Adventure R machen Offroad echt keine schlechte Figur, richten sich aber eher an erfahrene Piloten des losen Untergrunds. Bei der KTM liegt das ganz klar an ihrer Kompromisslosigkeit. Sie ist auf Attacke getrimmt und kann Offroad so flott und aggressiv bewegt werden, wie sonst keine 200+ kg Reiseenduro. Auf der DesertX ist die Fahrt im unbefestigten Gelände viel mehr ein Kompromiss. Sie ist spürbar mehr in der Mitte zwischen Straße und Gelände orientiert, auch wenn die Cagiva-inspirierte Optik an reinrassige Rally-Maschinen erinnert. Wenig überraschend also, dass sie auch beim Reiseenduro-Landstraßen-Vergleich überzeugen konnte, in Sizilien Offroad aber im Vergleich zur KTM etwas zurückstecken muss. Sie lässt sich souverän bewegen, verlangt mit ihrer Motorcharakteristik nach Schwung und Speed und wird ambitionierte Offroad-Piloten auch noch im moderaten bis leicht anspruchsvollen Gelände glücklich machen.

Fazit: KTM 890 Adventure R 2022

Wenn man mit der 890 Adventure R nicht an einen Ort kommt, kommt man auf einer Reiseenduro wohl überhaupt nicht dorthin. Sie ist die richtige Wahl, wenn es richtig grob wird. Lange Federwege und eine hohe Sitzbank unterstreichen den ernsten optischen Auftritt, die 890 Adventure R ist offroad kein Blender. Umso überraschender ist, dass sie auch auf der Straße eine sehr gute Figur macht.


  • offroadtaugliches Fahrwerk
  • stimmige Ergonomie (vor allem für große Piloten)
  • agiles Handling
  • starker Motor
  • umfangreiches Elektronik-Paket
  • Kurven-ABS inkl. Offroadmodus Serie
  • fein dosierbare Bremsen
  • schräglagenabhängige Traktionskontrolle
  • Standardsitzbank eher hart gepolstert
  • Sitzhöhe für kleine Piloten herausfordernd
  • mäßiger Wind- und Wetterschutz
  • sinnvolle Features wie Quickshifter+ aufpreispflichtig

Fazit: Ducati DesertX 2022

Die erste echte Enduro der Neuzeit von Ducati ist gelungen - und wie! Ein herzerwärmendes Design im Look der glorreichen 90er Dakar-Bikes aber vollgepackt mit edlen Komponenten und modernster Technik. Das hochwertige und stabile Chassis-Konzept spielt im On- wie Offroad-Betrieb voll seine Vorzüge aus. Die DesertX vermittelt auf Anhieb ein unglaublich souveränes und sicheres Fahrgefühl. Bewundernswert auch die Grätsche, welche Ducati mit den Federelementen hinbekommen hat, egal ob Straße oder Gelände, es fühlt sich einfach gut an.


  • tolles Chassis mit voll einstellbarer Federung
  • ausgeklügelte Fahrmodi
  • kräftiger Motor
  • starke Bremse
  • durchdachte Detaillösungen
  • umfangreiche Serienausstattung
  • Laufkultur des Motors im unteren Drehzahlbereich
  • Ansprechverhalten Federbein leicht hinter dem der Gabel
  • Sehr hohe, nicht verstellbare Sitzhöhe
  • Wenig Platz und keine Haltegriffe für Sozia

Bericht vom 23.10.2022 | 26.648 Aufrufe

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