KTM 1290 Super Duke GT 2020 Test- Launchcontrol und Soziuskomfort

Tourenmotorrad mit 175 PS im Alltagstest

Wieviel Sinn oder Unsinn machen 175 PS und Launch Control in einem Reisemotorrad? Wolf hat versucht, es herauszufinden und war zwei Wochen lang mit der KTM 1290 Super Duke GT durchs herbstliche Ostösterreich unterwegs.

Für diesen Motor bräuchte es eigentlich einen Waffenschein

Als passionierter Motorradreisender werde ich nicht selten mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Tourenmotorräder, Motorräder mit Gepäcksystemen, unspektakulär oder gar langweilig seien. Nun, wer das behauptet, ist mit Sicherheit noch nie auf der KTM 1290 Super Duke GT gesessen… Und wenn für ein Motorrad das radikale Powernaked Super Duke R als Pate gestanden hat, dann kommt man nicht umhin, als allererstes den Motor zu betrachten.

Der mächtige, 1.301 Kubik große V-Twin leistet in der GT immerhin noch 175 PS (das sind nur fünf weniger als in der sportlichen Schwester) und wartet mit einem beeindruckenden Drehmoment von 141 Newtonmetern auf, welches schon bei 6.600 Umdrehungen zur Verfügung steht. Das ergibt Fahrleistungen, für die es streng genommen eher einen Waffen- denn einen Führerschein bräuchte, der Motor hängt in jeder Lebenslage satt am Gas und hat immer mehr als ausreichend Power zur Verfügung.

Optionaler Track-Modus fürs Maximum an Sportlichkeit

Diese Kraft wird von drei serienmäßig zu wählenden Fahrmodi unterschiedlich auf die Straße gebracht. Im Regenmodus ist die Leistung reduziert, greift die schräglagenhabhängige Traktionskontrolle früh regelnd ein, ebenso das Kurven-ABS. Im Street-Modus stehen bereits die vollen 175 PS zur Verfügung, die Gasannahme ist aber sanfter als im Sport-Modus, wo die Traktionskontrolle am zurückhaltendsten agiert, auch schon kontrollierte Powerslides beim Rausbeschleunigen aus der Kurve zulässt.

Wem dies immer noch nicht sportlich genug ist, für den hat KTM im Powerparts-Regal den Track-Modus als Zubehör. Damit lässt sich nicht nur die in den anderen Modi aus Sicherheitsgründen stets aktivierte Wheelie-Control deaktivieren, sondern auch die Traktionskontrolle in neun verschiedenen Stufen anpassen, jederzeit, auch beim Fahren. Und: Mittels Launch Control lässt sich beim Rennstrecken-Start die maximale Leistung ans Hinterrad bringen. Ich habe dieses nur den sportlichsten Motorrädern vorbehaltene Feature erstmals überhaupt ausprobiert und muss gestehen, dass es eine gewisse Überwindung brauchte, um tatsächlich den Gasgriff bei gezogener Kupplung und eingelegtem ersten Ganz voll hochzudrehen, um dann ungebremst loszupreschen.

Liefert man sich doch in Wahrheit voll der Elektronik aus, würde man ohne die Launch Control bei der Kraft dieses Motorrads sofort am Rücken liegen. Für Nachahmer: Sobald man einmal kurz das Gas schließt und dann wieder aufdreht, ist die Wirkung der Launch Control vorbei und das Vorderrad hebt bei deaktivierter Wheelie-Control ab, was mir bei meinen Versuchen fürs demnächst erscheinende 1000PS-Video auch durchaus passiert ist…

Jede Menge Serienausstattung für die Tourentauglichkeit

Das gestochen scharfe 6,5-Zoll-Farb-TFT-Display an der Super Duke GT kennt man aus den Adventures, die intuitive Steuerung über die vier Tasten am linken Lenker ebenso funktioniert beispielhaft und zeigt, dass es keine Knöpferlflut für eine ordentliche Menüführung braucht. Tourentauglich machte KTM die GT mit einem einfach per Hand auch während der Fahrt verstellbaren Windschild, einer (relativ) entspannten Sitzposition und verschiedensten praktischen Gimmicks, wie Griffheizung oder Tempomat, ein steiferer Heckrahmen sorgt dafür, dass man auch zu zweit mit Gepäck unterwegs sein kann. Die (optionalen) Koffer lassen sich mit dem Serienschlüssel öffnen bzw. demontieren, ansonsten muss man diesen nicht aus der Jackentasche nehmen, wird das Motorrad mit Keyless-Go einfach per Knopfdruck gestartet.

Das semiaktive WP-Fahrwerk der Super Duke GT „liest“ die Straße

Neben dem Motor ist vor allem das elektronische Fahrwerk von WP ein Highlight der Super Duke GT. Dieses lässt sich in drei verschiedenen Grund-Settings einstellen (Comfort, Street, Sport), wobei letztere Abstimmung schon richtig sportlich, eben ready to race, ist und wohl auch auf der Rennstrecke wenig Wünsche offen lässt außer vielleicht der Tatsache, dass eine semiaktiv dämpfende Gabel nie ganz jenes Feedback am Vorderrad geben wird, das ein manuell eingestelltes Fahrwerk liefert. Trotzdem geht da wenig punkto Präzision und Spurstabilität drüber. Fürs Touren ist aber definitiv Street oder Comfort das bessere Setup, das Fahrwerk liest die Straße und stellt sich in Sekundenbruchteilen stets darauf ein.

Serienmäßiger Quickshifter erhöht den Fahrspaß

Der hohe Spaßfaktor wird zusätzlich vom serienmäßigen Quickshifter Plus (mit Blipper-Funktion, zum Rauf- und Runterschalten) unterstützt, der die Gänge sanft einrasten lässt. Will man die Kupplung trotzdem mal per Hand ziehen, funktioniert dies mit feinsten Magura-Hebeln spielerisch. Natürlich ebenso individuell einstellbar wie der Bremshebel, der die mächtige Brembo-Bremsanlage kontrolliert: Muss der Anker geworfen werden, beißen sich die Vierkolben-Radialbremszangen kräftig in die 320-Millimeter Doppelscheibe und verzögern das Motorrad punktgenau bzw. genau so, wie sich das für die üppige Leistung geziemt.

Ordentliche Reichweite: Mit der Super Duke GT sind über 300 Kilometer am Stück locker drinnen

Wichtig für Tourenmotorräder ist natürlich immer auch die Reichweite, und dank des üppigen 23-Liter-Tanks ist man da mit der GT auf der sicheren Seite: Trotz eines relativ hohen, den Fahrleistungen aber doch einigermaßen angemessenen Testverbrauchs von 6,7 Liter auf 100 Kilometer kommt man auf alle Fälle über 300 Kilometer pro Tankfüllung, bei entsprechend zurückhaltender Fahrweise auch deutlich weiter. Auch der Sitzkomfort ist dabei kein Killer-Argument, sowohl Fahrer als auch Sozius sitzen bequem genug für lange Etappen, die Sitzhöhe ist mit 835 Millimeter überschaubar und sollte Fahrer mit über 1,70 m Körpergröße keinesfalls stressen.

Ob allein oder zu zweit: Das passt auch für längere Touren

Der Komfort im bequemen Sattel der KTM ist dabei definitiv kein Killer- Argument, ganz im Gegenteil. Die Sitzhöhe ist mit 835 Millimeter überschaubar und sollte Fahrer mit über 1,70 m Körpergröße keinesfalls stressen, der Kniewinkel angenehm. Auch der Sozius sitzt komfortabel auf der GT, und zwar völlig gleich, ob mit oder ohne montierte Koffer, die keinesfalls störend sind, weil der Platz großzügig bemessen. Ein entspannter Kniewinkel trägt dazu bei, dass auch nach längeren Touren kein Murren vom Rücksitz kommen wird, lediglich das Platzangebot in den Koffern ist für die Reise zu zweit dann noch überschaubar. Da wird man sich zusammenraufen müssen…

Fazit: KTM 1290 Super Duke GT 2020

Braucht man nun 175 PS oder gar eine Launch Control in einem Tourenmotorrad? Natürlich nicht. Macht es Spaß? Definitiv! Wobei die Super Duke GT zwar ihre Gene nicht verheimlichen kann und trotz 209 kg Trockengewicht punkto Agilität und Kurvengeilheit unbestreitbar eine Duke ist, es sich mit ihr aber dennoch auch entspannt cruisen lässt, eine gewisse „Reife“ bei solchen Leistungsdaten natürlich immer vorausgesetzt. Denn anders als die Super Duke R oder auch einen 890 Duke R suggeriert sie mir nicht ständig das Messer zwischen den Zähnen, sondern vielmehr ein Gefühl der Souveränität, frei nach dem Motto „ich kann, aber ich muss nicht“. Und das alles serienmäßig üppigst ausgestattet bzw. so, wie man es sich von einem Motorrad um 22.499 Euro in Österreich oder 19.053 Euro in Deutschland erwarten darf.


  • durchzugsstarker, souveräner Motor
  • beispielhafte Agilität
  • 6,5-Zoll-Farb-TFT-Display
  • üppige Serienausstattung
  • präzises semiaktives Fahrwerk
  • toll funktionierender Quickshifter Plus
  • praktisches Koffersystem
  • relativ hoher Verbrauch
  • polarisierende Optik ist nicht jedermanns Sache

Bericht vom 07.11.2020 | 44.685 Aufrufe

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