Ducati XDiavel und XDiavel S 2016 Test

Ducati im Cruiser-Segment - werden die Italiener unsportlich?

Die Diavel war ganz offensichtlich nur ein Vorbote, denn mit der brandneuen XDiavel steigt Ducati endgültig in das Cruiser-Segment ein. Das bildhübsche Bike bringt alles mit, was einen echten Cruiser ausmacht: Großer V2-Motor, langer Radstand und weit vorne positionierte Fußrasten. Wird Ducati mit XDiavel und XDiavel S nun etwa unsportlich?

Noch vor wenigen Jahren wurden die Cruiser totgeredet. Ein Segment, das wirklich keiner braucht - zu schwer, zu behäbig, zu langweilig. Doch wie wir alle wissen, leben Totgesagte länger und das Segment der Cruiser erfreut sich wieder oder besser noch immer größter Beliebtheit. Abseits des Schlankheitswahns und der ausufernden Leistungsdaten gibt es nämlich ein Paralleluniversum in dem es einfach nur gemütlich zugeht. Und da möchte nun plötzlich auch Ducati mitmischen!

Kann die sportliche Marke Ducati überhaupt gemütliche Cruiser bauen?

Mit der Diavel hat Ducati bereits ein Modell im Programm, das mit seinem fetten Hinterreifen, dem langen Radstand und der gemütlichen Sitzposition nicht so sehr auf die sportlichen Fähigkeiten Wert legt - und dennoch erstaunlich sportlich gefahren werden kann. Die neue XDiavel basiert nun zwar auf der Diavel, wurde aber an allen Ecken und Enden so stark geändert, dass sie eigentlich als völlig eigenständiges Modell bezeichnet werden muss. Der V2-Testastretta-DVT-Motor wurde auf 1262 Kubik vergrößert, die Leistung zu Gunsten eines besseren Drehmoments leicht reduziert, der Radstand von 1590 auf beachtliche 1615 MIllimeter verlängert, der Lenkkopfwinkel abgeflacht und schließlich die Fußrasten weit nach vorne verlegt - wie es auf einem waschechten Cruiser eben sein sollte.

Wofür steht das X bei XDiavel?

Aufgrund dieser vielen Änderungen darf sich die XDiavel und ihre etwas besser ausgestattete Schwester XDiavel S nun auch ein X an den Anfang schreiben, das aber nicht etwa für "Cross" steht - weshalb einige irrgeleitete Journalisten mit Motocross-Helmen angereist waren - sondern für "Crossover". Denn die XDiavel soll die beiden völlig verschiedenen Bereiche Sport und Cruiser verbinden - also geht es doch nicht ganz ohne Sport! Und genau das spürt man auch beim ersten Anfahren mit der XDiavel. Ich glaube den Ingenieuren durchaus, dass sie größten Wert auf ein schmalziges Drehmoment von weit unten gelegt haben, immerhin hat sie mit 156 PS bei 9500 Touren um 6 PS weniger als die Diavel, dafür steht das ordentliche Drehmoment von 129 Newtonmeter schon bei 5000 Umdrehungen zur Verfügung. Noch beeindruckender ist, dass bei der XDiavel bereits ab 3000 Touren stets über 100 Newtonmeter Drehmoment anliegen.

Ab dieser Drehzahl geht es auch relativ geschmeidig voran, das Ride-by-Wire-System sorgt für druck- und kraftvollen Vortrieb, an den spürbaren Vibrationen darf man sich auch bei anderen Cruisern nicht stoßen - und sollte sich sogar daran erfreuen. Unter 3000 Touren kann das potente, desmodromisch gesteuerte Triebwerk allerdings nicht leugnen, dass es eigentlich von einem drehzahlgierigen Superbike abstammt, da rappelt und poltert es schon gewaltig in der Kiste..

Superbike-Monobloc-Bremsen für den Cruiser XDiavel

Auch die Bremsanlage kann und will ihre Herkunft nicht leugnen, sowohl auf der XDiavel als auch auf der XDiavel S arbeiten radial montierte Monobloc-Vierkolben-Bremszangen von Brembo, die bei sportlicher Fahrweise so richtig zu Höchstform auflaufen. Kein Wunder, auf der XDiavel versehen M4-32-Bremszangen ihren Dienst, auf der XDiavel S sogar die M50-Anlage, die wir von der 1299 Panigale kennen, wo sie für härtesten Rennstreckeneinsatz montiert wird! Also sollte man sich bereits beim leichtesten Antippen an gewaltige Verzögerung gewöhnen und darf sich serienmäßig sogar über ein Kurven-ABS von Bosch freuen.

Umfangreiche Elektronik für Ducati XDiavel und XDiavel S

An Elektronik mangelt es den beiden XDiavel-Modellen ohnehin nicht, drei verschiedene Riding Modes (Sport, Touring und Urban) können ganz einfach vom Lenker aus gesteuert werden, der stark gezähmte Urban-Mode reduziert die Leistung sogar auf 100 PS. Des weiteren misst IMU (Inertial Measurement Unit) von Bosch mit unzähligen Sensoren Längs-, Quer- und Vertikalbeschleunigung sowie Roll- und Gierrate der Maschine und verwendet diese Daten für die Steuerung von Kurven-ABS, achtfach verstellbarer Traktionskontrolle und dreifach einstellbarer Launch-Control DPL (Ducati Power Launch). Dass man die neue XDiavel bei Ducati aber nicht nur als Drag Racer sieht sondern eben auch als praktischen Tourer beweisen die Italiener mit dem watscheneinfach bedienbaren Tempomaten DCC (Ducati Cruise Control): Einschalten, bei der gewünschten Geschwindigkeit aktivieren und dann per Wippe beschleunigen oder die Geschwindigkeit verringern.

Das Fahrwerk der XDiavel: straff aber sensibel

Das Bemühen um den nötigen Fahrkomfort erkennt man auch an der Fahrwerkseinstellung, das hintere Mono-Federbein wirkt zwar einen Deut zu sportlich und straff abgestimmt, die vordere Marziocchi-Gabel mit gewaltigen 50 Milimeter Durchmesser spricht aber trotz ihrer Straffheit sehr sensibel an und ist zudem voll verstellbar. Da bedarf es eigentlich nur für extrem sportliche Naturen der noch besseren, DLC (Diamond-like-Carbon) beschichteten Marzocchi-Gabel der XDiavel S.

Wo liegen die Unterschiede zwischen XDiavel und XDiavel S?

Wieso sollte man dann eigentlich die um 4000 Euro teuerere XDiavel S ordern, wenn auch schon die XDiavel mit rund 23.000 Euro (in Österreich) alles andere als ein Sonderangebot ist? Rein technisch sind die Unterschiede eher gering, beide Modelle werden vom gleichen kräftigen Motor angetrieben, stellen mit einem fahrfertigen Gewicht von 247 Kilo die Renngeräte in der Welt des fahrenden Schwermetalls dar, besitzen ein umfassendes Elektronik-Paket, schaffen eine Schräglagenfreiheit von beachtlichen 40 Grad und besitzen einen wartungsarmen Riemenantrieb. Details wie die Gabel mit der DLC-Beschichtung, die Brembo M50-Bremszangen und das Bluetooth-Modul für das Infotainmeht-System fallen da nicht auf den ersten Blick auf.

4000 Euro für eine bessere Optik?

Dennoch sind es gerade die optischen Unterschiede, die es wert sind, nochmals knapp 4000 Euro für die XDiavel S auszugeben. Begonnen beim LED-Tagfahrlicht DLR (Daylight Running Light) an der Front über gefräste und polierte Aluminium-Zahnriemenabdeckung und -Motorseitenteile, Alu-Rückspiegel, einen silbernen Heckrahmen, Premium-Sitzbank bis zur Schwinge im gebürsteten Alu-Look und vor allem die wunderschönen geschmiedeten, gefrästen und polierten Felgen im Turbinen-Design. Das alles sieht leider noch besser aus, als es die XDiavel ohnehin schon tut. Das einzigartige Konzept des sportlichen und überaus extravaganten Cruisers vermittelt glücklicherweise aber auch die "normale" XDiavel bestens.

Fazit: Ducati XDiavel 2016

Während die Ducati Diavel vorrangig durch ihren brachialen Auftritt das Interesse weckte, können nun sowohl die XDiavel als auch die noch besser ausgestattete XDiavel S mit einer hinreißenden Optik bestechen. Motor, Bremsanlage und Fahrwerksabstimmung können und wollen ihre sportliche Seite gar nicht leugnen, zusammen mit verschiedenen Riding Modes, der verstellbaren Traktionskontrolle und sogar einer Launch Control stellt die XDiavel das Renngerät unter den Cruisern dar.


  • potenter DVT-Motor
  • bequeme Sitzposition
  • verstellbare Fußrastenanlage
  • hinreißende Optik
  • kräftige Bremsen
  • sensibel ansprechende Federelemente
  • Motor ruckelt bei niedrigen Drehzahlen
  • straffes Fahrwerk
  • hoher Preis

Bericht vom 09.02.2016 | 65.068 Aufrufe

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