Yamaha R1

Das High Tech Gerät wurde beim Test zu einer Waffe für den Könner. NastyNils war mit dabei und wurde fast zum Könner.

Yamaha R1 Logo

Die Elektronik Gurus von Yamaha haben Überstunden geschoben. Geballtes digitales Know-How schlummert in der neuen R1. Doch kann der Dirigent im Sattel mit den Bits und Bytes die Stoppuhr überzeugen? Die Rennstrecke in Qatar sorgte für Klarheit!

Yamaha YZF R1 2007
 

Yamaha R1 Test in Qatar - Das Video

Die billige 1000PS Cam war in Qatar gnadenloser als je zuvor. In der Úmkleidekabine der Journalisten wurde der Speck ins Visier genommen. Sozusagen als Kontrastprogramm zu den folgenden zierlichen Linien der wunderschönen R1. Nicht wunderschön, sondern demütigend die schnelle Runde mit der Onboard Cam von Yamaha Testpilot Jeffrey de Vries. Die R1 bebte aus den Ecken.

Die Familie kann man sich nicht aussuchen, die Journalistenkollegen bei der Präsentation ebenso. Wir lieben uns, sprechen uns Mut zu und wünschen uns nur die besten Rundenzeiten. Auch vor der Kamera.

Wer sich das Video auf seinen Computer downloaden möchte, klickt mit der rechten Maustaste hier und wählt "Ziel speichern unter".

Als Extra haben wir hier noch eine komplette schnelle Runde von Jeffrey auf dem Losail Circuit in Qatar.

Video: NastyNils
Schnitt: Cimple Moritz

 

Die R1 in Fahrt

 

Der Yamaha Testpilot führte die Herde sicher und wohlbehütet durch die erste Runde auf der Rennstrecke in Qatar. Die Mittagspause war vorüber und Pirelli Supercorsa Racingreifen waren frisch montiert. Auf Position 2 hinter dem Testpilot fuhr artig der britische Journalist Naill McKenzie. Racingfans ist er möglicherweise noch von seinen vergangenen Grand Prix Einsätzen ein Begriff.

Respektlose Franzosen

Die französischen Kollegen kannten in scheinbar nicht und husteten auch auf die vorgeschlagene Linie des Testpiloten. Der Beginn der zweiten Runde wurde mit einem wilden Bremsduell in die erste Kurve eingeläutet. Ich verlor auf diesen Metern nur unwesentlich an Boden und viel von Rang 3 auf Rang 8 zurück. Doch dann hatte ich den Logenplatz für das folgende Schauspiel. McKenzie führte die R1 mit wenigen aber gewaltigen Schachzügen wieder blitzartig zurück an die Spitze. Die jungen Frechdachse aus Frankreich standen wie Pylonen in den folgenden 3 Kurven auf der Strecke. Ich spulte im Geiste das soeben visuell wahrgenommene aber in dieser Zeit unmöglich zu realisierende noch einmal ab.

Die innerste Innenlinie

Die gewählte Linie darf als innere Variante der Innenlinie bezeichnet werden. Denn Franzose Nummer 1 war gerade dabei von Franzose Nummer 2 innen überholt zu werden, als McKenzie beide Franzosen gleichzeitig noch weiter innen überholte. Ganz leicht aber scheinbar essentiell für diese Situation wurde das Heck der R1 in die Kurve gestellt. Danach folgte ein kurzer aber beeindruckender Moment mit maximalster Schräglage und einen Wimpernschlag später wurden die Zylinder mit Brennstoff geflutet. Mit dem Heck wurde der verbleibende Rest des Radius noch überwunden und die R1 stand schon in Angriffsposition für die nächste Gerade, als die Franzosen noch mit Kurvenfahren beschäftigt waren. Gewaltig anzusehen wie viel Traktion die R1 gemeinsam mit dem Pirelli Pneu aufbaut und wie vehement diese in Vortrieb umgewandelt wurde.

Bedenkenlos einnieten!

Es war also an der Zeit ebenfalls ein wenig zu glänzen und ich sammelte meine Konzentration. Das Statement von Berzerk nach seinem Turn mit den frischen Reifen beruhigte mich unheimlich. Die weichen Supercorsas beißen angeblich vehement in die leicht sandige Strecke von Qatar. Ich kann bedenkenlos einnieten, war sein unmissverständlicher Tipp für meinen Turn.

Schmerzhafte Bremsen

Mittlerweile floss der Schweiß im Helm in Strömen. Salziger Geschmack machte sich auf den Lippen breit, als ich den ersten Bremspunkt am Ende der langen Start-Ziel anvisierte. Das auf die Bremsen Verlass ist, wusste ich bereits nach den ersten Turns am Vormittag. Die Vorderbremse beißt schmerzhaft zu und schlampige Sitzposition wird mit einem notwendigen Akt der Anstrengung bestraft. Ich saß schlampig und keuchte nach dieser strammen Liegestütze. Jetzt nur schnell genug die Vorderbremse entlasten um den Scheitelpunkt nicht zu verpassen. Doch die neuen Reifen verschafften auch in dieser Situation klare Verbesserung.

Früh wie nie ans Gas - Trotz Highsider Furcht

Die serienmäßigen Diablos für die Strasse zeigten doch ein klares Aufstellmoment bei kräftigem Druck auf der Bremse. Doch in der neuen Kombination erlaubt sich die R1 nun keine Schwäche mehr. Der Scheitelpunkt wird nicht verpasst und ich befahl mir selbst den Blick endlich wieder nach vorne zu lenken. Denn in der Beschleunigungsphase fühlte ich mich auf der R1 besonders wohl. Das Vertrauen in das Heck war schier grenzenlos und die saubere Motorabstimmung gekoppelt mit der elektronisch verfeinerten Gasannahme ließen mich hier wirklich gut aussehen. Normalerweise liegt meine Stärke am Kurveneingang und ich zögere vehement am Kurvenausgang. Liegt vermutlich auch daran, dass die Angst vor einem Highsider wesentlich größer ist, als übers Vorderrad abzusteigen. Doch auf der R1 war ich trotz der 180 Pferde im Stall zu erstaunlich mutigen Beschleunigungsmanövern aus den Kurven im Stande.

Traktionswunder

Die Ursache für gute Traktion beim Rausbeschleunigen in einzelnen technischen Features zu suchen ist schwierig. Klar hilft das Motorkonzept mit den beiden elektronischen YCC Helfern mit, das Drehmoment am Hinterrad fein wie nie zuvor an einer R1 zu dosieren. Doch der Yamaha Techniker erwähnte bei der Präsentation am Vorabend auch etwas total skurriles. Die Steifigkeit der Schwinge wurde in der Längsachse verringert, die Torsionssteifigkeit jedoch erhöht. Insgesamt soll diese gewollte Flexibilität zu mehr Traktion führen.

Ein gute Paket - Reifen & Motorrad

Nicht umsonst wird Yamaha mit der R1 als japanischer Hersteller mit Pirelli auf eine italienische Reifenmarke setzen. Scheinbar harmoniert das neue Bike besonders gut mit den Supercorsas.

Verwöhnt von Anti-Hopping

Auch beim Anbremsen der nächsten Kurve dachte ich an den unendlich langen Vortrag des Japaners am Vorabend. Die Anti-Hopping-Kupplung ist bereits serienmäßig montiert und die Vorderbremse arbeitet nun mit 6 Kolben auf jeder Seite der Felge. Der Durchmesser und damit das Gewicht der Bremsscheiben konnte so auf 310 mm reduziert werden, ohne die wirkende Fläche der Bremsbeläge zu verringern. Ich bin mittlerweile vermutlich überhaupt nicht mehr in der Lage mit Motorrädern ohne Anti-Hopping-Kupplung zu fahren. Die Hinterbremse sowie den Gasgriff rühre ich bei Bremsmanövern schon seit Jahren nicht mehr an. Die Anti-Hopping-Kupplung funktioniert an der R1 so unauffällig und unspektakulär, dass ich ganz vergessen habe, dass so etwas wie Unruhe im Heck, Motorbremswirkung oder stempelndes Hinterrad überhaupt existieren kann. Für diese Angelegenheit braucht man nicht ein einziges Prozent seiner Konzentration an der R1 verschwenden.

Gute Rundenzeiten werden nicht gratis serviert

Die neue R1 beherbergt zwar viele Helferlein, welche Dir das Leben auf der Strasse und der Rennstrecke leichter machen, trotzdem muss man auf dem Motorrad arbeiten. Der Sattel lässt viele verschiedene Sitzpositionen zu und in Phasen der Beschleunigung oder der Verzögerung muss man auf der R1 auf die Körperhaltung achten. Tut man dies nicht, wird man noch schneller als sonst mit schreienden Muskeln bestraft. Gratis bekommt man die guten Rundenzeiten also auch auf der neuen R1 nicht serviert.

Zu viel Technik?

Eigentlich bin ich ein großer Freund von Technik und Innovation, werde bei einer zu großen Portion an High-Tech aber skeptisch. Je komplexer ein System, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass etwas nicht funktioniert, dachte ich und beobachtet die Wirkungsweise der Motorsteuerung mit Argwohn. Die beiden Gadgets, der elektronische Gasgriff und die verstellbaren Ansaugrohre, sollten laut japanischen Technikern für eine perfekte Drehmomentkurve gepaart mit feinster Dosierbarkeit stehen.

Peinliche Rollphasen

Während der gesamten Runde erfreute ich mich auch besonders an diesen Qualitäten. Die Schaltpunkte wurden nicht so genau genommen und der Motor konnte auch bei einer Gangstufe zu hoch noch aus dem Vollen schöpfen. Am Kurvenausgang dann die totale Kontrolle über Grip und Leistung. Doch leider gibt es in meinen Runden auch Segmente in welchen die R1 in Schiebebetrieb mit geschlossenem Gasgriff unterwegs ist. Und das sind nicht nur die Bremszonen. Ich schäme mich dafür, dies zuzugeben und ich arbeite auch beständig an einer Verbesserung. Denn die R1 machte beim Übergang vom Rollmodus in den Angriffsmodus immer auf meine Schwäche aufmerksam. Denn hier offenbarte sich die für mich einzige Schwäche der R1 Regelungstechnik in Form von leichter Nervosität.

Lenkungsdämpfer bändigt sofort

Geiler Nervenkitzel und fahrtechnische Herausforderung zugleich sind wie bei allen 1000ern die Beschleunigungsphasen aus den engen Kehren. Sitzt man konzentriert und fest im Sattel ohne ängstlich an den Lenkerenden zu klammern, kann man vor Freude in den Helm brüllen während die R1 herrlich aus der Ecke wheelt. Andernfalls schlägt die R1 kurz zurück, rüttelt wach wird aber sofort vom serienmäßigen Lenkungsdämpfer wieder gebändigt.

Stabil oder agil?

Der Kompromiss zwischen Stabilität und Agilität ist vermutlich eine der heikelsten Aufgaben für Motorradingenieure. Die neue R1 wurde sehr dicht an die Grenze der Stabilität gestellt. Das Motorrad wird im gesamten Test zwar niemals nervös, man spürt aber mit den feinen Sensoren der Finger dieses leichte Kribbeln in der Front. Sie will ausbrechen aus der Geraden und blitzartig in die nächste Kurve stechen. Das Motorrad ist so wie es ist also haarscharf und präzise konstruiert, Tuningmaßnahmen am Chassis mit dem Holzhammer werden aber vermutlich fürchterlich bestraft.

Albtraum für Motorradfreaks

Für alle Raunzer welche meinen anderswo ist immer alles besser, hab ich eine aufheiternde Nachricht parat. Während wir uns in Österreich an einer herrlichen R1 mit 180 PS erfreuen dürfen, wird in Frankreich jede R1 aus Versicherungsgründen mit beschämenden 100 PS ausgeliefert. Die französischen Kollegen stiegen mit langen Gesichtern von den 100PS Testbikes. Diese Fahrt war wie Sex mit einem 5 mm starkem Kondom, war eine treffende Beschreibung des Kollegen.

Greift zum vollen Liter!

Die neue R1 ist ein Motorrad voller High-Tech und Innovation. Die gebotene Performance auf der Rennstrecke war beeindruckend. Denn die technischen Spielereien lassen sich in Fahrspaß und Rundenzeiten umsetzen. Trotzdem verlangt das Motorrad nach einem aktiven Fahrer um nicht anstrengend zu werden. Supersport Fans, welche ihre Motorräder nach wie vor lieber auf der Strasse, als auf der Rennstrecke bewegen sind mit der R1 ebenfalls zu befriedigen. Yamaha hat die neue R1 zwar etwas mehr in Richtung Racetrack optimiert, aber nicht so sehr zu Lasten der Landstrassen Performance wie bei der R6. Meine Empfehlung für Strassenfahrer lautet daher ganz klar: Greift zum vollen Liter!
 

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

Yamaha YZF R1 2007

REITWAGEN Tipp: Die R1 in der Dezember Ausgabe

In der Dezember Ausgabe vom Reitwagen schildert Berzerk seine Eindrücke von der R1. Welche Innovationen haben wir den Homologations-Bürden zu verdanken und was bleibt auf der Stoppuhr davon übrig? Außerdem: Wie wird das Fahrwerk nach dem Grillfest am Strand von Qatar neu abgestimmt. War das Leder flexibel genug? Die Antworten im nächsten Reitwagen.
Yamaha YZF R1 2007
 

Munition für den Stammtisch

  • 180 PS

  • Die R1 ist DAS fahrende Raumschiff. Elektronische Meisterwerke an allen Ecken und Enden. YCC-I, YCC-T,..

  • Auch Rossi fährt Yamaha

  • Kritiker werden am besten mit einem Spiegel bekehrt. Lass den Ungläubigen einfach auf die R1 setzen und halte ihm einen möglichst großen Spiegel vor die Augen. Die Rs von Yamaha sind so schön, dass darauf der hässlichste Biker plötzlich herzeigbar wird.

 

 

Yamaha R1 Berichte auf 1000PS:

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Fazit: Yamaha R1 2006

Die neue R1 ist ein Motorrad voller High-Tech und Innovation. Die gebotene Performance auf der Rennstrecke ist beeindruckend. Denn die technischen Spielereien lassen sich in Fahrspaß und Rundenzeiten umsetzen. Trotzdem verlangt das Motorrad nach einem aktiven Fahrer um nicht anstrengend zu werden.


  • Bedenkloses Einnieten
  • starke Bremsanlage
  • leistungsfähiger Motor
  • Traktionswunder
  • Anti-Hopping Kupplung
  • Lenkungsdämpfer
  • präzise.
  • sehr suboptimale Sitzposition - unangenhme Körperhaltung
  • starker Körpereinsatz bei Wechselkurven nötig

Bericht vom 15.11.2006 | 20.644 Aufrufe

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