Suzuki Intruder M800

'Es gibt keine Krapfen' denkt sich kot und entschuldigt sich bei der kleinen Intruder nach der ersten Testfahrt.

Suzuki Intruder M800 

Krapfen

Ich halte es für falsch und ungerecht, ein Motorrad als Krapfen zu bezeichnen. Besonders dann, wenn man es noch nie zuvor gefahren hat. Oft haben solch spöttische Aussagen ihren Ursprung im sportlichen Lager und beziehen sich meist auf Modelle aus dem gemütlichen Segment. 

Urteilt man derart über dieses oder jenes Modell, neigt man gleichzeitig dazu anzunehmen, daß das eh niemand kauft und deshalb auch keiner fährt, was klarerweise ein Irrglaube ist. Egal wie schwer, egal wie schwach, egal wie billig (im Sinne von qualitativ minderwertig) oder teuer (im Sinne von überteuert) - Alles wird gekauft und alles wird gefahren. Beleidigt man ein Motorrad, beleidigt man auch seine(n) Besitzer. Eine unschöne Sache.

Leider mache auch ich ab und zu den Fehler mir ein vorschnelles Urteil zu bilden. So passiert auch bei der Suzuki M800. Denn als der Nils die kleine Intruder von der Börse holte und ich den Cruiser vor Augen und die technischen Daten im Hinterkopf hatte, kommentierte ich verächtlich: Das muss ja ein unendlicher Krapfen sein.

Wart du hier, ich geh mal kurz in den Wald

Zarte Fakten
39 KW bei 242 Kilo trocken sind keine Ansage. Da wird am Stammtisch lieber geschwiegen und man versteckt sich hinterm Brezelständer. Die Tatsache, daß es sich um einen Cruiser handelt, vermag die Sachlage nicht zu verbessern, zumal noch ein weiterer Faktor zum Tragen kommt: Die dürftigen 800 Kubik. Das entspricht heutzutage meist schon einem einzigen Zylinder der mächtigen V2-Aggregate. 

Nun, man könnte argumentieren daß ein hohes Gewicht bei einem Cruiser ja nicht ungewöhnlich und vielleicht sogar erwünscht ist und eine Menge Pferdchen seien keine Notwendigkeit, schließlich zählt bei einem Cruiser der Druck von Unten durch Drehmoment. Aber mit 800 Kubik? Die Marauder stemmt "gerade mal" 69 Newtonmeter. Da kennt man andere Kaliber. Die M1600 bringt es zum Beispiel auf satte 125 Nm.

Die Qual der Wahl
Die Rohdaten sind nicht gerade Appetitanreger, doch die Wahrheit offenbart sich immer erst in der Fahrt, die ob unserer nicht ganz vorurteilsfreien Meinung etwas hinausgezögert wurde. Eines Tages war es dann soweit, daß ich aufgrund von Eisenmangel einmal keine andere Wahl hatte, als auf die verschmähte M800 zurückzugreifen. Ich befreite die glänzende Oberfläche vom zentimeterdicken Staub, drehte den Schlüssel im seitlich angebrachten Zündschloss und siehe da - es war noch genug Saft in der Batterie, um sie zu starten. Ich war erstaunt über den voluminösen Sound, den die zwei übereinander liegenden Rohre von sich gaben. Trotz des erwachsen klingenden Auspuffs läuft der Motor bei gemütlicher Gangart sehr vibrationsarm, lediglich ein leichtes Surren massiert Hände und Hintern. Hier muss man nicht jede Woche die Schrauben nachziehen, damit das Ganze nicht auseinander fällt.

Die Sitzposition ist tief unten, die Fußrasten vor dem Körper. Die Arme werden nach vorne gestreckt, die Beine entspannt abgewinkelt, die Füße nach außen gedreht - was einem tatsächlich das Gefühl gibt, cool zu sein. Schnell wird das technische Datenblatt für null und nichtig erklärt und die damit verbundenen Vorurteile und Horrorvisionen durch die Freude am Fahren aufgelöst. Jetzt wird auch klar, wie leicht ein Cruiser mit einem Trockengewicht von 242 kg eigentlich ist. In Verbindung mit dem 170er Hinterreifen läßt sich die kleine Intruder auch im engen Stadtparcours problemlos und fast schon sportlich bewegen. Einziges Hindernis sind die Fußrasten. Wie leicht sich die Intruder bewegen läßt, wird vielleicht dadurch deutlich, daß selbst unser Programmierer, seines Zeichens praktisch Fahranfänger und - na, ja, Programmierer eben - keinerlei Probleme hatte, die Fuhre durch's Winkelwerk zu treiben. Er wollte gar nicht mehr absteigen, hätten ihn meine Stahlkappenbock nicht doch noch dazu überreden können. 

Auch der Motor trägt natürlich seinen Teil zur Agilität der Suzuki bei. Das sofortige Anspringen ist nicht der einzige Vorteil, den eine Einspritzung mit sich bringt. Befehle der Gashand werden unmittelbar umgesetzt, wobei die 53 PS, die über einen Kardanantrieb an den Hinterreifen weitergegeben werden, keineswegs schwachbrüstig wirken. Da kann beim Wegbrennen an der Ampel schon leichtes Dragrace-Feeling aufkommen.
Für Verzögerung sorgen eine einzelne 300 mm Scheibe vorne und eine Trommelbremse hinten - obwohl zwei Scheiben vorne auch kein Fehler wären.
Das Fahrwerk ist recht gemütlich eingestellt, allzu flottes Brettern über holprige Straßen kann die Federung aber schon mal überfordern und Schläge werden ungefiltert an die Zwischenwirbel weitergereicht. Doch eigentlich ist ein Cruiser ja auch nicht für eine rüde Gangart gemacht. Innerhalb ihres eigenen Wirkungsbereiches funktioniert die Intruder jedenfalls prächtig. 

Metamorphosis
Die "Trude" wurde sowas wie die gute Seele von 1000PS. Immer verfügbar (zumindest für mich), immer einsatzbereit, nie stressig, nie fordernd. Es war fast so, als müßten wir uns für unsere anfängliche Meinung ihr gegenüber entschuldigen, deshalb behandelten wir sie sehr respektvoll.

Schliesslich hat sie mir so gut gefallen, daß ich sie gar nicht mehr hergeben wollte. Ich sperrte sie in meiner Garage ein und fuhr nur mehr mit dem Auto in die Arbeit. Auf Nils' Anfragen, wann ich denn endlich die Suzuki ins Büro bringe, damit er sie wieder der Börse zurückgeben kann, antwortete ich mit ebenso einfachen wie plausiblen Erklärungen: "..morgen soll's ja regnen...","...bin leicht krank, deshalb Auto..";"..Garagentor klemmt..";"..kümmer dich um deinen eigenen Kram.." 

Ausgewachsene Dimensionen, grundsätzlich  schön. Nur die Kabel  stören das Bild. 

Ein Rundinstrument für die Geschwindigkeit, mehr braucht ein Cruiser nicht.

 

Sonst noch was...
Wem die 800er zu schwach, zu klein oder zu leicht ist, dem bleibt noch der Griff zur großen Schwester, der M1600. Die dürfte dann von allem mehr als genug haben. Und für ganz Abgehobene kommt im Jänner 2006 die M1800R, mit einem Kampfgewicht von 315 Kg trocken. Angaben zur Leistung wurden bisher nicht veröffentlicht, man kann aber annehmen, daß der 240er Hinterreifen nicht unterfordert sein wird.

BRAUN hat für seine Rasierapparate und Rechner in den 70er Jahren viele Designpreise erhalten. Ob Suzuki mit dem gleichen Design im Jahr 2005 ebenso erfolgreich sein wird, ist zu bezweifeln.

 
Farbpalette
Pearl Suzuki Deep Blue No.2 Pearl Crystal Red Pearl Nebular Black

Technische Daten

Motor

Bauart V-Twin, 4-Takt, wassergekühlt, SOHC
Bohrung x Hub in mm / Hubraum in cm³ 83 mm x 74.4 mm
Verdichtung 9.4 : 1
Gemischaufbereitung Digital elektronisch
Max. Leistung, kW (PS) bei min-1 39 KW (53PS) bei 6.000 U/Min
Max. Drehmoment (Nm bei 1/min) 69 NM bei 4.000 U/Min
Starter Elektrostarter
Höchstgeschwindigkeit (km/h) 160

Abmessungen

Länge (mm) 2370
Radstand (mm) 1655
Sitzhöhe (mm) 700
Bodenfreiheit (mm) 135
Tankinhalt (Liter) 15,5
Sitzplätze 2
Trockengewicht (kg) 242

Fahrwerk

Bereifung  
Bereifung vorne 130/90-16
Bereifung hinten 170/80-15
Bremsen  
Bremsen vorne 300 mm Scheibe, 4-Bremssattel
Bremsen hinten Trommelbremse
 

Listenpreis: € 8.799,--

 
Interessante Links:

Fazit: Suzuki Intruder M800 2005

Wem die 800er zu schwach, zu klein oder zu leicht ist, dem bleibt noch der Griff zur großen Schwester, der M1600. Die dürfte dann von allem mehr als genug haben.


  • Tief gelegene Sitzposition
  • optimale Sitzposition
  • Agilität
  • gemütliches Fahrwerk.
  • 39 KW bei 242 Kilo.

Bericht vom 16.11.2005 | 38.636 Aufrufe

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