Motorrad-Zulassungen an Firmen - was steckt dahinter?

BMW führt bei der Zulassung an juristische Personen

Im Rekordjahr 2020 gibt es bei vielen Herstellern Grund zur Freude. So hat Branchenprimus BMW beispielsweise die zweitmeisten Zulassungen aller Zeiten zu feiern. Aber wie kommen diese fabelhaften Zahlen zustande und wo muss man vielleicht genauer hinsehen? Ein Erklärungsversuch.

Zulassungen an juristische Personen sind nichts Ungewöhnliches

Grundsätzlich ist die Zulassung eines Fahrzeugs auf eine juristische weder anrüchig noch ungewöhnlich. In vielen Köpfen geistert der selbstständige Unternehmer herum, der um den ein oder anderen Steuer-Euro zu sparen, die gesetzlichen Möglichkeiten aus- oder überreizt, die einem die Zulassung eines Firmenfahrzeugs bietet. Natürlich spielt das Klientel bei der Neuzulassung von Motorrädern in der 20.000 Euro Liga eine gewisse Rolle, die große Mehrheit an geschäftlichen Zulassungen hat allerdings gänzlich andere Hintergründe. man denke hierbei z.B. an Leasingfahrzeuge, diese gehören bis zur Zahlung der letzten Rate (und eines etwaigen Restwertbetrags) der Bank bzw. dem Unternehmen von dem man das Fahrzeug least. Ein anderes Beispiel sind Vorführfahrzeuge, die bei Händlern für Probefahrten zur Verfügung stehen oder der Presse-Fuhrpark eines Herstellers, dessen wir uns oft bedienen, um euch die schönen Bilder, Videos und Berichte zu liefern. Aber auch externe Faktoren, wie etwa die, kürzlich in Kraft getretene Euro 5 Norm, zwingen Hersteller bzw. Händler dazu gewisse Modelle noch im ablaufenden Jahr zuzulassen, da sie im Folgejahr nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die 20 Motorräder die bei Firmen am beliebtesten sind haben wir in der Bildergalerie unten gesammelt.

BMW führt das Feld bei Neuzulassungen 2020 an

26.746 Motorräder hat der bayrische Hersteller BMW im Jahr 2020 unter die Leute gebracht. Über 10.000 Einheiten mehr als der zweitplatzierte Hersteller KTM. Aber hat er das? Hat er die Motorräder tatsächlich "an den Mann" gebracht? Beim Blick auf die 50 meist-zugelassenen Modelle 2020 in Deutschland, fällt auf, dass ein überproportional großer Prozentsatz an BMW-Motorrädern an "juristische Personen" also Unternehmen zugelassen wird. Hat es der Marktführer etwa nötig hier nachzuhelfen? Die anderen Hersteller kommen 2020 im Schnitt auf rund 10% Zulassungen an Firmen (lediglich einzelne Euro 4 Modelle erreichen Werte um die 20%, etwa Suzukis GSX-S 750 oder die Honda CB1000R) Woran liegt das?

Top 50 Motorradzulassungen 2020 - Anteil natürliche und juristische Personen
Top 50 Motorradzulassungen 2020 - Anteil natürliche und juristische Personen Quelle: Motorrad-Markt aktuell, Motorpresse Stuttgart

Die Hintergründe der Firmenzulassungen am Beispiel von BMW Motorrad

Die Firma die mit Abstand die meisten BMW-Modelle zulässt ist die BMW AG (und ihre Tochterunternehmen) selbst. Rund 4.500 der insgesamt über 26.000 zugelassenen BMWs entfallen auf den Hersteller selbst. Was zunächst absurd klingt und bei allen Verschwörungstheoretikern sofort alle Alarmglocken schrillen lässt, ist allerdings recht simpel erklärt und lediglich eine zeitlichen Verschiebung, keine Verzerrung der tatsächlichen Marktanteile. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass jeder Hersteller (Presse- und Vorführ-)Motorräder auf sich selbst zulässt und natürlich auch Händler anderer Marken Motorräder für Probefahrten zulassen.

Mitarbeiterprogramme, Events, Behördenfahrzeuge, Verleiher

Kaum ein anderer Mitbewerber hat ein mit BMW vergleichbares Mitarbeiterprogramm. Dieses umfasst günstige Angebote BMW-Fahrzeuge zu leasen und ich spreche hier nicht (nur) von den rund 3.500 Mitarbeitern im Segment Motorrad, diese Programme stehen allen 126.000 bei BMW beschäftigten Personen offen. Diese Fahrzeuge sind zu einem großen Prozentsatz in Deutschland auf BMW zugelassen. Diese Eigenschaft weisen Behördenfahrzeuge natürlich zu 100% auf, in Deutschland sind einige BMW-Modelle im Dienste der Polizei (ebenfalls eine juristische Person) unterwegs. Zudem bespielt BMW einige Events, wie zum Beispiel die jährlich stattfindende GS Trophy, bei der alle Fahrzeuge gestellt werden. Zudem haben viele Motorradvermieter BMWs im Angebot.

Firmen-Standort Deutschland sorgt im Zulassungsland Deutschland für beeindruckende Zahlen

Dass BMW in Deutschland sitzt und die Motorrad-Entwicklung für BMW-Motorräder für die gesamte Welt hier stattfindet, wirkt sich natürlich auch auf die Bikes aus, die für die Sparte "Innovation & Engineering" in Deutschland zugelassen werden. Das führt dazu, das über den Globus verteilt in unzähligen Ländern BMWs zu Testzwecken mit deutschen Zulassungen herumfahren. Außerdem gibt es von keiner Motorrad-Marke mehr Händler in Deutschland, der Händlerstatus ist an verschiedene Auflagen gebunden, darunter fallen neben Schauraumgestaltung auch Auflagen hinsichtlich der Zurverfügungstellung von Vorführfahrzeugen für an Probefahrten interessierte Kunden. Wieder ein paar hundert Zulassungen pro Jahr mehr.

Motorräder werden an juristische Personen zugelassen, landen aber über kurz oder lang bei Privatpersonen

Jetzt könnte man sagen, das diese einzelnen Punkte zusammengenommen das entstehende Bild der Zulassungscharts verzerrt. Für den Moment mag das so aussehen, aber die Behaltedauer der Fahrzeuge in Firmenbesitz ist ungleich kürzer als jene in Privatbesitz. In der Regel wechselt das Fahrzeug nach Zulassung auf eine juristische Person innerhalb eines Jahres erneut den Besitzer, sodass es endgültig im (Privat-)Markt ankommt. Dadurch nivellieren sich die Zahlen und das Gesamtbild wird in der Realität zurechtgerückt. Das gesagte gilt natürlich für alle Hersteller, für BMW aufgrund der genannten Besonderheiten allerdings noch einmal mehr.

Euro 5 als Zulassungstreiber von Euro 4 Modellen

Regelmäßig sind Jahre vor denen eine Euro Norm die andere ablöst sehr starke Jahre in der Zulassung. Vor allem im Dezember schießen die Zulassungen von Modellen, die ausschließlich nach der alten Euro-Norm zulassungsfähig sind durch die Decke. Der Dezember 2020 bildete hier keine Ausnahme, ein sattes Plus von 327% im Vergleich zum Vorjahr spricht eine eindeutige Sprache. Die Mehrheit dieser Zulassungen sind sogenannte "Tageszulassungen" und werden von juristischen Personen, nämlich Händlern durchgeführt, um die Fahrzeuge auch im neuen Jahr verkaufen zu dürfen. BMW bildet hier interessanter Weise eine Ausnahme, da 2020 zwar 716 Einheiten der 2020er S 1000 R (Euro 4) zugelassen wurden aber nur 11 davon im Dezember.

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Bericht vom 30.01.2021 | 29.712 Aufrufe