Moto Morini X-Cape 2022 Erster Test Mittelklasse Reiseenduro

Erwachsenes Adventure Bike zum kleinen Preis

Das Gedränge am Moto Morini Stand auf der EICMA 2019 war beträchtlich. Jeder wollte einen Blick auf die schicke Reiseenduro erhaschen. Nun konnten wir sie auf Korsika endlich testen!

Der Motor der X-Cape: Ein alter, solider Bekannter

Das Aggregat in der neuen Reiseenduro ist ein 649 Kubik großer Zweizylindermotor, der in China als Lizenzbau des bekannten Kawa-Mittelklassemotors gefertigt wird. Während das Original stattliche 69 PS leistet, muss der Nachbau mit 60 PS auskommen. Diese liegen bei 8.250 U/Min an, auch das Maximaldrehmoment von 56 Nm (statt 64 Nm) steht erst bei 7.000 U/Min zur Verfügung. Das Triebwerk der Moto Morini X-Cape leidet unter einer nicht unerheblichen Anfahrschwäche. In höheren Drehzahlregionen, bei denen die Leistung dann besser abrufbar ist, machen sich starke Vibrationen breit.

Hinsichtlich der Langlebigkeit ist es natürlich beruhigend, dass man auf Jahrzehnte lang bewährte Technik zurückgreift, dennoch kam im Sattel oftmals der Wunsch nach etwas mehr Performance auf. Der Fairness halber möchte ich erwähnt haben, dass das Testmotorrad zum einen mit Koffern, Motorschutz und hohem Windschild ausgerüstet und zum anderen mit mir als durchaus ausgewachsenen Testfahrer auch gut beladen war. Alleine der Sprit und das verbaute Zubehör hat das Trockengewicht von 213 Kilogramm sicherlich auf gut 250 Kilo voll anwachsen lassen.

Das gut schaltbare 6-Ganggetriebe samt einstellbaren Kupplungshebel, der wenig Handkraft erfordert, erleichtern die häufig notwendige Schaltarbeit erheblich. Das ist insofern erfreulich, da die X-Cape auch in einer 48 PS starken A2-Variante angeboten werden wird und in dieser Hinsicht auch Einsteiger gut mit ihr zurecht kommen werden.

Überzeugendes Fahrwerk an der Moto Morini X-Cape

Trotz großer Namen, war ich beim ersten Blick auf die Federelemente der X-Cape etwas skeptisch. Weniger die stolze Marzocchi USD-Gabel mit 50 mm Standrohrdurchmesser und 160 mm Federweg, als vielmehr das Federbein erregte meine Aufmerksamkeit. Zum einen sind 135 mm Federweg für eine Reiseenduro etwas wenig, zum anderen ist die Position in der der Dämpfer montiert ist im wahrsten Sinne des Wortes schräg. Man hat sich wohl nicht nur beim Antrieb von Kawasaki inspirieren lassen, kennen wir Ähnliches doch von der Versys 650.

Und wie fährt sich das? Wirklich gut, muss man sagen. Auf den teils rauen Pisten Korsikas musste die X-Cape teilweise ordentlich einstecken. Beim Fahrer kommt davon wenig an, die Gabel überzeugt mit feinem Ansprechverhalten und das Federbein schluckt die allermeisten Schläge mit Bravour. In dieser Klasse nicht selbstverständlich: Die Gabel ist voll einstellbar, das Federbein immerhin in Zugstufe und Vorspannung. Unaufgeregt lässt sich die Reiseenduro von einer Kurve in die nächste werfen. Etwas anders sieht es aus, wenn das Tempo höher wird, was in Korsika allerdings selten der Fall ist. Auf der mehrspurigen Straße rund um den Flughafen von Ajaccio erreichen wir jedoch dreistellige Geschwindigkeiten und hier beginnt das Federbein seine Komfortzone zu verlassen und es kommt Bewegung in die Fuhre.

Mischbereifung von Pirelli sorgt für guten Grip on- und offroad

Als Erstbereifung kommen die bewährten Pirelli Scorpion STR Pneus zum Einsatz. Es ist immer wieder überraschend, wie viel Grip die auf den ersten Blick grobstollig wirkenden Pneus bieten. Einzig das leichte Kippen in den Radius, das bei einer gewissen Schräglage erfolgt, ist gewöhnungsbedürftig. Bei einem kurzen Abstecher in eine der vielen unbefestigten Pisten in Korsikas Hinterland, musste die X-Cape beweisen, wie gut sie offroad funktioniert. Hier fuhren wir die Version ohne Koffer, dennoch ist das relativ hohe Gewicht spürbar. In Summe macht die Reiseenduro von Moto Morini hier jedoch eine gute Figur. Den gelegentlichen Abstecher auf unbefestigte Wege kann man ihr also durchaus zumuten.

Verarbeitungsqualität und Materialanmutung der X-Cape schwanken

Abseits asphaltierter Straßen scheppert es schon ganz ordentlich vorne am Tank. Die Kunststoffverkleidung an beiden Seiten, die von der Ferne aus betrachtet, einen schicken Eindruck macht, knarzt dann doch erheblich, wenn es rumpeliger wird. Das erfrischend andere Design zieht sich von der Front mit einem verstellbaren Windschild über den breiten Sitz bis hin zu einem schlanken Heck. Die Graphics und Sticker auf dem roten Lack sind leider nicht überlackiert, wie lang man damit Freude hat, wird sich zeigen.

Die Materialanmutung der Armaturen ist gut, es fühlt sich alles wertig an. Hinterleuchtete Tasten etwa, sind in dieser Preisklasse kaum verbreitet, Bravo Moto Morini! Die Spaltmaße etwa zwischen der Seitenverkleidung, dem Sitz und dem Tank gehen absolut in Ordnung und die Schweißnähte am Rahmen sind mehrheitlich schön gelöst.

Sitzposition, Ergonomie und Soziustauglichkeit der Moto Morini X-Cape

Die Position und Krümmung des Lenkers sind außergewöhnlich, die dadurch erreichte Körperhaltung ist zwar komfortabel, aber man fühlt sich nicht besonders in das Motorrad integriert. Positiv zu erwähnen ist, dass die X-Cape allen Personen mit einer Größe von über 1,70 Meter gut zu Gesucht steht. Im Stehen fällt es schwer eine gute Position der Schenkel am Tank zu finden, um die Maschine zu spüren und die Lenkerhöhe ist für meine 1,87 Meter etwas zu niedrig.

Der Sattel ist nicht unkomfortabel, man sitzt ihn allerdings nach einem ganzen Tag am Bock mit Sicherheit durch. Neben der Standardsitzbank die angeblich eine Sitzhöhe von 845 mm bietet, in der Praxis kommt einem die X-Cape niedriger vor- ist im Zubehör auch ein Sattel mit 820 mm erhältlich.

Der Sozius bzw. die Sozia hat auf der Moto Morini X-Cape ausreichend Platz, auch der Kniewinkel scheint erträglich. Die maximal zulässige Zuladung konnte man uns leider auch auf Nachfrage noch nicht nennen. Schlussendlich wird es allerdings die Motorleistung sein, die darüber entscheidet, ob einem die X-Cape als Reisefahrzeug zu zweit ausreicht.

7 Zoll TFT Farb-Display in der X-Cape - das gab es in der Klasse bisher nicht!

Herz- und Prachtstück des Cockpits der Mittelklasse-Reiseenduro ist ohne Zweifel das 7 Zoll TFT Farb-Display. Die Ablesbarkeit ist zwar nicht ganz auf dem Niveau der Luxusbomber die solche Dimensionen sonst noch bieten, für den Preis ist es aber alle Mal annehmbar. In naher Zukunft, voraussichtlich bereits zum Start der X-Cape im Dezember, soll dann auch die Connectivity-Lösung, die alle Handyfunktionen, von Musik bis hin zu Navigation, ins Display zaubert, zur Verfügung stehen. Im Zeitpunkt des Tests war das leider noch nicht der Fall.

Die Bedienung erfolgt über ein Steuerkreuz am linken Lenkerende. In der Vorserienversion der Software, die wir testeten, erfolgte die Eingabe von Befehlen leicht zeitverzögert, das sollte sich über ein Softwareupdate aber beheben lassen. Das Umschalten vom Ride genannten Straßenmodus in den Offroadmodus erfolgte jedenfalls schon zuverlässig, auch wenn man dafür relativ tief ins Menü vordringen muss. Das ABS lässt sich im Offroad-Modus komplett deaktivieren.

Moto Morini X-Cape: Preis, Farben und Zubehör

Für alle Piloten, die mit der Moto Morini X-Cape auf Tour gehen möchten, ist im Zubehör ein Alu-Kofferset bzw. ein Heckträger und Topcase bestellbar. Die Verarbeitung der Koffer ist auf einem absolut zufriedenstellenden Niveau, auch wenn die Zuladung überschaubar bleibt (ein Helm passt nicht hinein). Weitere mögliche Ausstattung ab Werk sind: eine höhere (getönte) Scheibe, Handguards, ein Motorschutz sowie ein Sturzbügel.

Die Moto Morini X-Cape wird in drei Farbtönen erhältlich sein Red Passion (diese sind wir gefahren), Smoky Anthracite und Carrara White. Die schicken Speichenfelgen, auf denen wir unterwegs waren kosten 500 Euro Aufpreis. Alternativ ist die X-Cape mit Gussfelgen in denselben Dimensionen erhältlich, diese startet bei 7.599 Euro in Deutschland.

Fazit: Moto Morini X-Cape 2021

Eigenständige, frische Optik, solide Technik, passables Fahrwerk, gute Ausstattung - mit der X-Cape feiert Moto Morini einen gelungenen Einstand im heiß umkämpften Reiseenduro-Segment. Die Schwachstellen, die es durchaus noch gibt, erkennt man nicht auf den ersten Blick. Einziger echter Wermutstropfen ist der Motor, der nicht ganz ins Jahr 2022 passen möchte. Dennoch bietet Moto Morini mit der X-Cape ein solides Adventurebike an, bei dessen Preis man schwach werden könnte.


  • Preis-/Leistungsverhältnis gut
  • Ausstattung für das Segment überdurchschnittlich
  • macht optisch was her
  • hochwertige Komponenten
  • Fahrwerk einstellbar
  • lascher Motor mit starken Vibrationen
  • schwankende Verarbeitungsqualität
  • Federbein neigt bei höheren Geschwindigkeiten zum Pumpen

Bericht vom 23.10.2021 | 56.564 Aufrufe

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