Klassische Königin: Triumph Bonneville T120 2021 im Test

Der Dauerbrenner unter den Retrobikes ist wieder da

Gibt man einem Kleinkind die Aufgabe ein Motorrad zu zeichnen kommt das Ergebnis, je nach Talent einer Bonneville T120 vermutlich sehr nahe. Was macht diese Urform so erfolgreich? Ein Erklärungsversuch.

Triumph Bonneville der Urvater der Modern Classics

Mittlerweile werden von den Modern Classics Modellreihen wirklich hohe Stückzahlen abgesetzt, 2021 ist jedes 3. Bike von Triumph (36% der abgesetzten Modelle in Österreich und Deutschland) ist ein Modern Classic. Von solchen Zahlen konnte man 2002 als die erste neue Bonneville, damals mit einem 790 Kubikzentimeter großen, luftgekühlten Zweizylindermotor, im Jahr 2002 das Licht der Welt erblickte nur träumen. Der Versuch der Briten mit einem Retro-Bike wieder in der Motorradbranche durchzustarten, wurde bestenfalls belächelt. Knapp 20 Jahre später liegt die Sache ganz anders. Beinahe jeder Hersteller, der etwas auf sich hält hat ein Modell mit klassischen Formen im Angebot.

Der Name war kein Zufall, hatte sich Triumph doch auf eben diesem Bonneville-Salzsee in Utah in den 50er und 60er-Jahren die ersten Sporen verdient. Geschwindigkeitsrekorde, die bis heute in den Modellbezeichnungen T100 und T120 weiterleben. Dabei stehen die Zahlen für die maximal erreichbare Geschwindigkeit des jeweiligen Motorrads in Meilen pro Stunde. Mit den Bonnevilles hat Triumph die Basis für den Trend zu Retrobikes der letzten 10 Jahre gelegt.

Überarbeitung der Bonneville T120 2021: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste

Für 2021 musste Triumph die gesamte Bonneville Familie und somit auch das Urgestein T120 aufgrund der Euro 5 Norm zwangsläufig überarbeiten. Dieses Update sollte in keinem Fall eine Revolution werden, geht es bei den Modern Classic Modellen doch immer auch darum bewährtes zu bewahren. Folglich wurde die T120 behutsam erneuert, ohne ihre charakteristischen Linien und Stärken zu verlieren.

Selbst der strengste Traditionalist wird es der Bonnie verzeihen, dass mittlerweile Komfortfeatures wie Tempomat (serienmäßig) und Heizgriffe (aufpreispflichtig) Einzug gehalten haben. Auch der USB-Anschluss unter der Sitzbank stört nicht, im Gegenteil - Zonko war begeistert in einer Pause sein geliebtes E-Pfeiferl laden zu können. Auch eine Traktionskontrolle bietet die T120 serienmäßig. Doch keine Sorge, bevormundet wird man dadurch nicht zwangsläufig, denn diese ist abschaltbar.

Bonnie T120: Optisch alles beim Alten und das passt zu 100%

Ein Klassiker altert nicht - er reift. Folglich ist die 2021er Bonneville genauso bildschön geblieben wie es ihre Vorgängerin war. Zum Test in und um Wien hatten wir die grau-schwarze Matt-Variante der T120 Black ausgefasst. Und tatsächlich, die Adaptionen im Vergleich zur Vorgängerin waren schnell entdeckt: Neu designte analoge Rundinstrumente, etwas veränderte Tankpads, eine gerippte Sitzbank mit eingeprägtem Triumph Logo. Dazu Chrom da und dort und das re-designte 3-Strich Heritage-Emblem am Tank - fertig ist die neue T120.

Performance trotz klassischer Optik? Ja und Nein!

Die Bonneville hat, wie bereits erwähnt, eine sportliche Vergangenheit. Sie daran zu messen, ist zwar nicht ganz fair - schließlich hat Triumph mittlerweile selbst unter den Modern Classics mit der Speed Twin und der Thruxton RS noch deutlich flottere Schwestern - aber eine flotte Gangart sollte dennoch möglich sein. Im Rahmen des 1000PS Gentlemen Rides rückten Zonko, McGregor und meine Wenigkeit demnach aus, um herauszufinden, ob die klassische Schönheit ihren sportlichen Vorfahren in dynamischer Hinsicht gerecht wird.

Am Papier wurde gegenüber der Vorgängerin alles richtig gemacht, um die neue T120 zu einem agileren Motorrad zu machen. Beachtliche 7 Kilogramm hat die T120 verloren und bringt jetzt in fahrfertigem Zustand 236 kg auf die Waage. Geholfen haben die neuen Aluminiumfelgen (18'' X 2,75'' vorne und 17'' X 4,25'' hinten). Die neue Bonnie geht damit etwas williger ums Eck als das 2020er Modell.

Die Bremsanlage wurde laut Triumph mit einer höherwertigen Brembo-Doppelscheibenbremse mit 310 mm Durchmesser und 2-KolbenSchwimmsätteln verbessert, das ABS wurde überarbeitet. In der Praxis merkt man davon leider wenig. Die Bremse verlangt ordentlich Handkraft und bietet nach wie vor nur mäßigen Biss. Bei sportlicher Gangart ist man damit schnell am Limit.

Das Kraftwerk in der T120 ist trotz Euro 5 kein bisschen müde

Der massive 1200 ccm Zweizylindermotor ist durch sein massives Maximal-Drehmoment von 105 Nm, das noch dazu schon bei 3.500 U/Min anliegt, über jeden Zweifel erhaben. Das Duell an der Ampel hat ein echter Gentleman natürlich nicht nötig, sollten aber halbstarke Jünglinge links und rechts frech werden, ist es ihm auf der Bonnie ein leichtes sie in die Schranken zu weisen.

Auch oben raus dreht der überarbeitete Twin noch souveräner und mit mehr Leichtigkeit. Grund dafür ist eine leichtere Kurbelwelle, wodurch die Schwungmasse der neuen T120 deutlich reduziert werden konnte. Dieses Aggregat ist ein wahres Sahnestück! Es ist also wirklich nicht erforderlich den Zweizylinder auszudrehen, aber Spaß macht es eben doch. Der Verbrauch ist zudem erfreulich niedrig, in der Praxis kommt man mit gut 5 Litern auf 100 km aus (Herstellerangabe 4,7 l/100km), was in Kombination mit dem bildschönen 14,5 Liter Tank eine Reichweite von rund 300 Kilometern ermöglicht.

Fahreindrücke Triumph Bonneville T120 in der Stadt und auf der Landstraße

Zunächst drehten wir ganz "oldschool" unsere Runden auf der Bonnie durch das historische Zentrum Wiens. Welliger Belag und fieses Kopfsteinpflaster stellten das Fahrwerk der T120 vor erste Herausforderungen. Auf Komfort ausgelegt und in Kombination mit dem bequemen und elegant designten Sitz, meisterte die Triumph diese Wertung mit Bravour - entspanntes Cruisen liegt der klassischen Schönheit einfach am meisten. Ebenfalls praktisch: Durch die kompakten Abmessungen ist die Bonneville ein ideales Gefährt fürs Durchschlängeln in der Stadt. Steht man dann als erster vor an der Ampel, zieht man einige Blicke auf sich: Ist die alt? Wow, die hast du aber schön restauriert! Kaum ein Passant ist sich der Tatsache bewusst, dass ein Motorrad Baujahr 2021 vor ihm steht!

Bei aller Schönheit, jetzt wollen wir es aber wirklich wissen. Also lassen wir den hektischen Stadtverkehr hinter uns und fahren ins hügelige Wiener Umland, um die dynamischen Qualitäten der T120 zu erfahren. Das Fahrwerk der Bonnie ist bis auf die Vorspannung der Stereofederbeine hinten nicht einstellbar und kommt bei flotterer Gangart mitunter an seine Grenzen. Die erwähnten Federbeine mit Tendenz zum Schaukeln verhindern eine 100% zuverlässige Linienführung. Die Zugstufendämpfung arbeitet einfach nicht perfekt genug für den super-sauberen Strich.

Ergonomie-Queen Triumph Bonneville T120

Dafür ist die T120 ein sehr komfortables Motorrad. Entspanntes aufrechtes Sitzen ist auch mit 1,87 Meter gut machbar. So passt die T120 in Vergleich zu ihren sportlicheren Schwestern fast jedem Piloten, da die niedrige Sitzhöhe auch kleine Fahrer nicht vor unlösbare Probleme stellt und der Kniewinkel nicht zu spitz ist. Erkauft wird das durch eine relativ niedrige Positionierung der Fußrasten, die in weiterer Folge die Schräglagenfreiheit eingeschränkt. Die Triumph Bonneville T120 eignet sich eher für Genussfahren statt fürs Heizen, so eine Genussfahrt ist aber auf kaum einem Retro-Motorrad so lohnend, wie auf der guten alten, pardon, neuen Bonnie T120.

Fazit: Triumph Bonneville T120 2021

Überzeugender als auf der Triumph Bonneville T120 kann man nicht Retro-Bike fahren. Der Name vermittelt so unglaublich viel klassisches Flair, dass das eigentliche Fahren beinahe in den Hintergrund rückt. Das wäre allerdings schade, denn wenn es einem nicht auf Performance am letzten Zacken ankommt, bietet die Bonnie mit ihrem souveränen Twin ein gelungenes Rundum-sorglos-Paket, das groß und klein glücklich macht. Die chromstrotzende britische Schönheit ist ein Museumsstück das modern fährt.


  • klassische Formen in Reinkultur
  • souveräner Motor
  • Ergonomie passt fast jedem
  • Verarbeitunsqualität und Materialanmutung hoch
  • komfortabel
  • wenig Schräglagenfreiheit
  • Fahrwerk kommt bei flotter Gangart an seine Grenzen

Fazit: Triumph Bonneville T120 Black 2021

Überzeugender als auf der Triumph Bonneville T120 kann man nicht Retro-Bike fahren. Der Name vermittelt so unglaublich viel klassisches Flair, dass das eigentliche Fahren beinahe in den Hintergrund rückt. Das wäre allerdings schade, denn wenn es einem nicht auf Performance am letzten Zacken ankommt, bietet die Bonnie mit ihrem souveränen Twin ein gelungenes Rundum-sorglos-Paket, das groß und klein glücklich macht. Für Freunde des Understatements bietet die Black Edition die beste Option der T120. Die meisten Chromteile sind dort durch matt-schwarze Akzente ersetzt, was den dezenten Auftritt perfekt abrundet.


  • klassische Formen in Reinkultur
  • souveräner Motor
  • Ergonomie passt fast jedem
  • Verarbeitunsqualität und Materialanmutung hoch
  • komfortabel
  • wenig Schräglagenfreiheit
  • Fahrwerk kommt bei flotter Gangart an seine Grenzen

Bericht vom 26.08.2021 | 62.589 Aufrufe

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