Indian FTR 1200 S vs. Triumph Scrambler 1200 XE Test 2019

Die „Außenseiter“ – Indian und Triumph anders als alle anderen!

Wem die charakterstärksten Bikes in den diversen Kategorien immer noch zu normal sind, braucht offensichtlich noch eigenwilligeres Zeug – Crossover heißt das Zauberwort. Wir vergleichen die Retro-Crosserin Triumph Scrambler 1200 XE mit der Indian FTR 1200 S, dem Flat Tracker für die Straße. Welche fährt besser, welche ist glaubwürdiger und welche erfüllt die Wünsche des Individualisten noch mehr?

Von Einheitsbrei kann am Motorradmarkt derzeit wirklich keine Rede sein, so vielfältig war das Angebot selten zuvor. Über Design kann man immer streiten, aber jede einzelne Marke versucht ihr eigenes Ding und auch innerhalb des Sortiments eines einzelnen Herstellers wird in der Regel versucht, jedem Modell eine eigene Identität zu geben auf das Markengesicht wird weitestgehend gepfiffen gut so! Zusätzlich bieten die vielen verschiedenen Kategorien für nahezu jeden Wunsch das richtige Bike und wer da immer noch nicht fündig wird, kann auf diverse Crossover-Modelle zurückgreifen, die einzigartig sind und zielsicher zwischen verschiedenen Kategorien wandeln.

Indian gegen Triumph – ab ins Gelände!

Zwei dieser Grenzgänger sind die Indian FTR 1200 S und die Triumph Scrambler 1200 XE. Während die erstgenannte Amerikanerin versucht, den Flat Track-Style in der Naked Bike-Klasse zu etablieren, bietet die fesche Engländerin mit ihren elends langen Federwegen und guten Komponenten tatsächlich Offroad-Performance und ist somit der erste ernst zu nehmende Scrambler, der nicht nur optisch dieses Thema zitiert. Und damit sind wir auch schon mitten im Test, denn wenn die eine der beiden so richtig ins Gelände kann, dann mache ich das auch obwohl ich es eigentlich gar nicht so richtig kann.

Die Triumph Scrambler 1200 XE ist ein echter Offroader

Genau da liegt aber der Schmäh der Triumph Scrambler 1200 XE: Sie bietet enorme Reserven, die selbst Profis staunen lassen und glücklich machen, ein Amateur wie ich bringt sie gewiss nicht an ihre Grenzen. Denn 250 Millimeter Federweg vorne und hinten, im Heck zwei sensibel ansprechende Öhlins-Stereofederbeine, das Fahrwerk voll verstellbar und mit dem Vorderrad in der Dimension 90/90-21 sind Offroad und Scrambler nicht nur leichtfertig ausgesprochene Begriffe. Hinzu kommt der hohe und breite Lenker, fertig ist der tatsächlich funktionstüchtige Retro-Crosser.

Auch die Indian FTR 1200 S kommt ziemlich hochbeinig daher

Durch die langen Federwege wird natürlich auch der Sattel hoch, mit 870 Millimeter Sitzhöhe bleibt die Triumph Scrambler 1200 XE aber immer noch angenehm erklimmbar und insgesamt sehr komfortabel. Ähnlich läuft das mit der Indian FTR 1200 S, deren Sitzhöhe von 840 Millimeter am Papier höher wirkt, als es dann im echten Leben ist. Der Sattel ist nämlich an den richtigen Stellen ausreichend schmal ausgeführt, sodass man einen guten Stand hat. Jeweils 150 Millimeter Federweg vorne und hinten sind nur im Vergleich mit der Triumph Scrambler 1200 XE wenig, für ein Naked Bike spricht das schon eher für ordentliche Talente auch abseits befestigter Wege. Und so ist es auch, die aktive Sitzposition erlaubt in Kombination mit den interessant profilierten Dunlop DT3-R-Reifen (in herrlicher Flat Tracker-Optik) durchaus Ausflüge zumindest auf geschotterte Pisten.

Schlaue Reifenwahl auf der Indian FTR 1200 S: Anders als alle anderen!

Zudem wird dies durch die einzigartigen Reifendimensionen der Indian FTR 1200 S begünstigt vorne rollt sie auf 120/70-19, hinten auf 150/80-18. Richtig gelesen, ziemlich seltsam diese Kombination. Aber wen stört das schon, wenn es so gut funktioniert wie auf der FTR 1200 S! Sie erfordert keine Eingewöhnungsphase, sofort fühlt man sich auf ihr wohl und fährt sie wie jedes andere agile und fahraktive Naked Bike. Lediglich an die Dunlops muss man sich gewöhnen, wer deren Flat Track-Stil nicht mag, müsste umsteigen hat aber wiederum das Problem, dass es in diesen Dimensionen nicht so viel Auswahl für Naked Bikes gibt.

Beim bärigen Motor der FTR 1200 S macht Indian nichts falsch

Schließlich spricht auch der Motor der Indian FTR 1200 S dafür, sie als reinrassiges Naked Bike zu nutzen, aus dem 60°-V2 mit 1203 Kubik Hubraum werden 120 PS bei 8250 Umdrehungen sowie 115 Newtonmeter Drehmoment bei 6000 Touren geschöpft ich würde dem Triebwerk wegen seines potenten Antritts und der gewaltigen Mitte sogar noch ein paar mehr PS zutrauen. Insgesamt fehlt mir aber weder Leistung noch Charakter bei diesem Motor, das passt einfach ausgezeichnet zu dieser extravaganten Amerikanerin.

Das Triebwerk der Triumph Scrambler 1200 XE punktet mit Fahrbarkeit

Passend ist auch das Aggregat der Triumph Scrambler 1200 XE, die mit ihrem 1200 Kubik-Reihen-Zweizylinder 90 PS bei 7400 Touren und 110 Newtonmeter Drehmoment bei nur 3950 Umdrehungen abliefert. Damit ist sie leistungsmäßig zwar klar der FTR 1200 S unterlegen und kann definitiv bestenfalls an der Amerikanerin dran bleiben, für ihren Einsatzzweck ist sie allerdings optimal motorisiert: Dank Ride-by-Wire spricht der Motor sanfter an, das schmalzige Drehmoment steht schon angenehm weit unten zur Verfügung und die Leistung ist immer noch ordentlich für ein Bike, das auch ausgezeichnet im Gelände funktioniert. Mich erinnert die Scrambler 1200 XE stark an eine KTM 990 Adventure, die in Sachen Leistung, Bereifung, Geometrie und Gewicht (die Triumph wiegt voll 226 Kilo) durchaus vergleichbar ist und vor den Leistungsexplosionen bei den Reiseenduros ebenfalls als sehr sportlich galt.

Der Touch-Screen der Indian FTR 1200 S erleichtert die Bedienung

Wer es ob der noch stärker ausgeprägten Sportlichkeit der FTR 1200 S mal zu sportlich angeht, kann durch das komplette Sicherheitspaket das Schlimmste verhindern. Kurven-ABS, verstell- und abschaltbare Traktionskontrolle und drei Fahrmodi (Sport, Standard, Rain) geben ein sicheres Gefühl und lassen sich am großen TFT-Farbdisplay sehr einfach einstellen. Toll finde ich, dass es sich sogar um ein Touch-Display handelt, also tippt man ganz einfach auf die Parameter, die man verstellen möchte drauf, fertig. Einfacher geht es eigentlich nicht.

Die Triumph Scrambler 1200 XE meint es ernst: Gleich zwei Offroad-Modi

Eine Touch-Funktion bietet die Triumph Scrambler 1200 XE zwar nicht, dafür ein richtig gelungenes TFT-Farbdisplay, das mit seiner runden Form perfekt zum Retro-Stil der Britin passt. Weiters gibt es zwei Extra-Modi, die für die Offroad-Fähigkeit der Triumph sprechen. Neben den Modi Sport, Road, Rain und Rider (frei konfigurierbar) gibt es also auch noch Offroad und Offroad Pro, bei denen ABS und Traktionskontrolle speziell für die Bedürfnisse im Gelände ausgelegt sind, oder gleich ganz deaktiviert werden. Das macht natürlich Sinn auf einem Bike, das mit allen restlichen Komponenten, der Geometrie und der Ergonomie bereits bestens darauf vorbereitet ist.

Gleiche Bremse, aber völlig unterschiedliche Auslegung auf Indian und Triumph

Sogar die Bremse passt perfekt zu dieser Offroad-lastigen Auslegung der Triumph und es zeigt sich hervorragend, wie viel Spielraum die Hersteller mittlerweile in Sachen Abstimmung haben. Denn sowohl die Triumph als auch die Indian besitzen jeweils 320er-Doppelbremsscheiben mit radial montierten Brembo-Monobloc-Vierkolbenzangen. Die Funktion könnte aber nicht unterschiedlicher sein, während die Indian gut dosierbar und sehr direkt anspricht, wirkt die Anlage auf der Triumph im direkten Vergleich um einiges schwächer. Das ist aber ein schlauer Schachzug, denn so fällt das, durch die langen Federwege bedingte starke Einnicken an der Front nicht ganz so stark auf und wer tatsächlich die Fähigkeiten der Scrambler 1200 XE im Gelände nutzen möchte, braucht alles andere als eine aggressive Bremse an der Front.

Die tolle Funktionalität der Triumph rückt leider in den Hintergrund

Stellt sich nur die Frage, wer diesen bildhübschen Scrambler tatsächlich ins Gelände scheuchen möchte und so riskiert, die wunderschöne Optik zu zerstören? Ich persönlich tippe darauf, dass der Großteil der Triumph Scrambler 1200 XE als Poserbike und Eyecatcher verwendet werden wird grundsätzlich natürlich auch vollkommen in Ordnung, sie kann auch einfach nur schön sein! Die Indian FTR 1200 S wird wohl ebenfalls als auffällige Schönheit verwendet werden, meiner Meinung nach ist die Amerikanerin in den Proportionen wirklich ausgezeichnet gelungen. Wem das viele Schwarz der von mir getesteten Version zu viel ist, sollte einfach noch ein bisserl Kohle drauf legen und die fesche FTR 1200 S Race Replica mit rotem Rahmen ordern denn teuer sind sowohl die Indian als auch die Triumph schon ab Werk, da kommt es auf die paar Euro auch schon nicht mehr an. Und dann besteht ja auch noch die Möglichkeit, die Indian mit unzähligen, ebenfalls extrem schönen Teilen aufzuwerten.

Welches der beiden Poser-Bikes ist nun das bessere?

Vom Schönheitsfaktor her sind tatsächlich beide zu empfehlen, da ist es eben Geschmackssache, ob man eher den (noch) seltenen Flat Track-Stil der Indian mag oder diesen absolut authentischen und äußerst hochwertig umgesetzten Scrambler-Style der Triumph. Lediglich der hochgezogene Auspuff an der Triumph sorgt für diverse Fast-Verbrennungen am rechten Bein da steht der praktische Wert eindeutig hinter der Funktion. Wer vorrangig bis hauptsächlich auf der Straße unterwegs ist, wird mit der FTR 1200 S sportlicher unterwegs sein können 30 PS mehr sind einfach nicht von der Hand zu weisen. Auch die Bremse werkt auf der Indian direkter und somit sportlicher als auf der feschen Britin. Da liegt aber gerade der große Unterschied, die Triumph ist tatsächlich der einzige Retro-Scrambler derzeit am Markt, der wirklich hartes Offroad kann. Wer sich also traut, mit der Triumph Scrambler 1200 XE wirklich ins Gelände zu fahren, sieht nicht nur ultracool aus, sondern ist es auch.

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Fazit: Indian FTR 1200 S 2019

Noch nie war eine Mogelpackung so cool wie die Indian FTR 1200! Der optische Flat Tracker-Stil macht sie einzigartig und begehrenswert, die seltene Bereifung wirkt sich aber keineswegs negativ auf die Fahrdynamik aus. Das macht aus der FTR 1200 ein gut fahrbares Naked Bike, das auch auf schlechten Straßen eine gute Figur macht. Der Motor ist kräftig genug, die Bremsen gut, die Sitzposition angenehm und die Gesamt-Performance (im Trockenen) ausgezeichnet.


  • Einfaches Handling
  • kräftiger Motor
  • einzigartige Optik
  • komplette Ausstattung
  • gute Bremsen
  • angenehme Sitzposition
  • nur 13 Liter Tankvolumen
  • Gasannahme beim Anfahren etwas ruppig

Fazit: Triumph Scrambler 1200 XE 2019

Die Triumph ist primär ein Scrambler-Motorrad. Und zwar ein so gutes, dass diese herrlich unvernünftige und brutale Spaßmaschine auch in schweres Gelände gejagt werden kann. Sie erinnert uns daran, warum wir Motorräder lieben: Sie beschert tolle Momente im Sattel, hat aber auch praktische Nachteile. Denn Offroad ist sie ein mächtiges Eisen und kann auch mit Reiseenduros problemlos mithalten, wenn nicht sogar diese übertrumpfen. Mit mangelndem Windschild und dem begrenzten Platz für Gepäck verliert sie natürlich in Sachen Touren-Tauglichkeit. Insgesamt ein faszinierendes Motorrad, das viel Aufsehen erregt.


  • wunderschönes Äußeres
  • hochwertige Komponenten
  • tolles Fahrwerk
  • kräftiger, drehmomentstarker Motor
  • funktioniert Offroad sehr gut
  • beschränkte Touren-Tauglichkeit
  • sehr hoch, kann für kleinere Piloten problematisch sein
  • etwas kippeliges Einlenkverhalten
  • Verbrennungen des rechten Beins durch den hoch verlegten Auspuff möglich

Bericht vom 03.09.2019 | 44.014 Aufrufe

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