Triumph Scrambler 1200 XE

Die Bastion des Unvernünftigen

Vermutlich das unvernünftigste Motorrad am Markt! Start vom Dauertest mit der Triumph Scrambler 1200 XE. Volle Pulle!

Wir haben das Jahr 2019. Den Job bei 1000PS mache ich seit 18 Jahren. In meiner Motorrad-Kerbholzliste finden sich 1.000 verschiedene Motorräder. Doch die Faszination ist ungebrochen. Warum? Weil es Motorräder wie die Triumph Scrambler 1200 XE gibt - zum Glück. Sie ist die Bastion des Unvernünftigen. Ein Motorrad, welches vom Hersteller bis ins letzte Detail ohne Kompromisse entwickelt wurde. Keine halben Sachen, keine lieblosen Details, bei denen man sich bei einem Einkaufsmanager bedanken kann. Sie ist der pure Motorradgenuss bis zur letzten Beilagscheibe. Und im Sattel kommt diese Liebe für Details richtig gut an.

Die Triumph Scrambler 1200 XE im Alltag

Beim Dauertest möchte ich natürlich auch die pragmatischen Stärken und Schwächen der Maschine beleuchten. Die Maschine hat Ecken und Kanten. Doch ich sage ganz bewusst: Das ist gut so! Denn weichgespülte Alleskönner gibt es genug. Auf der anderen Seite gibt es Dinge die sie viel besser kann, als man ihr zutraut. Ein echt erstaunliches Motorrad. In den ersten Wochen durfte ich die Maschine sehr gut kennenlernen. Beim Stau im Osterverkehr in der Grenzregion Sopron zum Beispiel. Da ging nichts mehr. Eine ganze Stunde quälte ich die Maschine durch den mühsamen Verkehr. Da wurde offensichtlich, was bei den Kommentaren im ersten Testvideo auch schon viele vermuteten. Es wird heiß am rechten Fuß. Also mit kurzen Hosen zum Baggersee fahren ist somit keine gute Idee. Andererseits mahnt einen so die Triumph auch immer mit dem heißen Auspuff: Schutzkleidung tragen! Doch sollte Triumph hier nachbessern und etwas verändern? NEIN! Das muss so aussehen, wie es aussieht und das ist technisch anders nicht möglich. Die Verkleidung vom Auspuff beim Sozius zum Beispiel ist in Ordnung und verrichtet den Dienst auch großartig. Dort sitzt man gut und hat keine Probleme. Doch weiter vorne möchte ich nicht zu viel Verkleidung und Blenden - hier soll man blanke Rohre sehen!

Die Triumph Scrambler 1200 XE auf der Autobahn

Großes Erstaunen erlebte ich jedoch auf der Autobahn - im positiven Sinne. Die Maschine beschleunigt mit dem kräftigen 1200 ccm, 90 PS Motor sehr zügig auf circa 170. Die Überraschung: Im Sattel herrscht Ruhe und Stabilität. Zwangsläufig klammert man bei einem solchen Speed etwas am breiten Lenker, doch trotzdem bleibt die gewaltige Fuhre ruhig. Ohne Windschutz, mit gewaltigen Federwegen und quasi ohne jegliches aerodynamisches Design stellt sich die Maschine standhaft gegen den Wind. Dasselbe Bild dann in der Bremszone. Das Motorrad hat eine gewaltig dimensionierte Hardware zur Verfügung. Diese Bremszange würden sich einige 20.000 Euro Superbikes wünschen - die Scrambler 1200 hat sie! Natürlich hat Triumph die Bremsbeläge so gewählt, dass man das Teil auch anständig dosieren kann. Doch wenn man zupackt verzögert die Maschine brachial und bleibt sicher und stabil auf Kurs. Dieses hohe Maß an Stabilität und Perfektion verändert nun meine Sichtweise auf andere Motorräder. Es ist also möglich ein schönes und stabiles Motorrad zu bauen - auch mit viel Federweg. Man muss einfach nur gute Komponenten installieren!

Das perfekte Fluchtfahrzeug: Scrambler 1200 XE

Bei Gesprächen mit Motorradfreunden erregt die Maschine natürlich die Gemüter. Wer braucht sowas? Natürlich niemand! Andererseits aber auch all jene, welche Motorradfahren mit dem Begriff Freiheit verbinden. Denn die freie Auswahl der Wegstrecke hast Du dann eben mit Motorrädern wie der Scrambler 1200. Sie ist vermutlich das einzige Serienfahrzeug am Markt, welches eine zünftige James Bond Verfolgungsjagd realistisch und ohne Regietricks mitmacht. Also erst ein Highspeed-Duell auf der Autobahn und dann mehrere hohe Sprünge auf einem feinen englischen Golfplatz. Das wäre für die 1200er Scrambler kein Problem. Und im Sattel einer solchen Maschine ist es auch so, dass man diese Freiheit gerne mal ausnutzt. Selbst im Großstadtdschungel gibt es das eine oder andere kleine Hindernis, welches man mit den fetten Öhlins-Dämpfern einfach mal inhaliert.

Oft zu schnell unterwegs: Triumph Scrambler 1200

Makellos fährt die Scrambler 1200 im Gelände doch nicht. Sie wirkt groß und mächtig und ist auch schwer. 226 Kg wiegt die Maschine voll und fahrfertig. Auf schnellen Schotterpisten ist daher unbedingt Respekt im Sattel erforderlich. Denn der leiwande Motor in Kombination mit dem tollen Fahrwerk verleitet Dich dazu die Maschine ordentlich von der Leine zu lassen. In den Kurven schiebt die Maschine aber dann doch nach außen. Sie hat eben doch 100 Kilo mehr wie eine Hard Enduro. Heikle Szenen gibt es aber auch am anderen Ende der Geschwindigkeitsskala. Vor allem dann, wenn man nicht mit langen Beinen gesegnet ist. Der Schwerpunkt ist durch den rustikalen fetten Motor recht hoch und die Sitzhöhe ebenso. Die Maschine präsentiert sich bei langsamer Fahrt also kippelig.

Nur für Experten? Sehen nicht alle so!

Das alles verleitete mich beim ersten Livestream auf Facebook zu der Aussage: Diese Maschine ist für Wiedereinsteiger mit wenig Erfahrung nicht geeignet. Sofort meldeten sich live 3 Leute, welche sich dieser Aussage vehement entgegenstellten. Meine Einschätzung bleibt trotzdem: Triumph hat eine ähnlich schöne und wesentlich zugänglichere Maschine im Sortiment: Die neue Speed Twin!

Fazit: Triumph Scrambler 1200 XE 2019

Die Triumph Scrambler 1200 XE ist eine herrlich unvernünftige und brutale Spaßmaschine. Sie erinnert uns daran, warum wir Motorräder lieben. Sie beschert Dir tolle Momente im Sattel hat aber natürlich auch praktische Nachteile. Insgesamt ein faszinierendes Motorrad, welches viel Aufsehen erregt.


  • Drehmomentstarker Motor
  • Tolles Ansprechverhalten
  • Edler Sound
  • Hochwertige Verarbeitung
  • Tolle Ausstattung
  • Spendet viel Vertrauen auf der Straße und im Gelände
  • Bei Bedarf ein schnelles und direktes Anrauchergerät - der etwas brutalere Charakter wird hauptsächlich durch den breiteren Lenker vermittelt
  • Unpackbare Federwegreserven
  • Hochwertige Fahrassistenzsystem
  • Im Klassenvergleich tolle Stabilität und Bremsleistung
  • Auspuffhitze ist auf dem rechten Bein störend
  • Wenig Schutz für Witterung
  • Hohe Sitzhöhe
  • Vorderrad spendet etwas weniger Vertrauen auf Asphalt als jenes der XC
  • Kippeliges Fahrverhalten bei niedrigen Geschwindigkeiten

Bericht vom 03.05.2019 | 107.704 Aufrufe

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