Ducati Hypermotard 950 / SP Test 2019

Alles neu an der Italo-Supermoto – und doch ganz die Alte!

Ducati traut sich immer wieder Neues, von dem kaum jemand erwartet hätte, dass es von den „Roten“ kommt. Eine eigene Scrambler-Marke in der Marke Ducati, eine potente Panigale mit V4-Motor oder eine Diavel mit ultrafettem Hinterrad – das war so nicht unbedingt zu erwarten! Umso schöner, dass sich Ducati bei den großen Supermotos selbst die Treue hält, die neue Hypermotard 950 und ihre noch edlere SP-Schwester werden einerseits moderner, schlagen aber auch optisch die Brücke zur Ur-Hypermotard. Passt das überhaupt noch in die heutige Zeit?

Ich muss nicht alles verstehen sage ich oft, wenn ich mich mit einem gewissen Thema nicht auseinander setzen möchte. Allerdings beweist bereits die Tatsache, dass ich es ursprünglich zu verstehen versuchte, dass ich doch mindestens ein wenig Interesse daran habe. Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema der Supermotos. Abgesehen davon, dass ich schon nicht verstehe, warum diese herrlich fluffig fahrbare Motorrad-Kategorie bei nahezu allen Herstellern aus dem Programm verschwunden ist, ist es mir ebenso ein Rätsel, warum die herrlichen großen Megamotos (BMW nannte sogar sein einziges großes Supermoto-Modell mit dem Motor der R 1200 GS HP2 Megamoto) keine Nachfolger bekamen. Aprilia Dorsoduro 1200? KTM 990 SM R? Und eben die BMW HP2 Megamoto? Alle einfach verschwunden. Nicht zu vergessen die atemberaubend schöne und gute BMW, Verzeihung, Husqvarna Nuda 900R, die mit ihren herrlich antrittsstarken 105 PS leider nur sehr kurz im Programm verweilte. Das verstehe ich alles nicht.

Ducati Hypermotard – die Konstante im Segment der Megamotos

Nur ein Hersteller hielt von Anfang an diesem Segment die Treue und viele Fans hielten wiederum der Ducati Hypermotard die Treue. Zu Beginn 2007 noch mit dem luftgekühlten 1100er-Triebwerk, natürlich in 90°-V-Bauweise, wie es sich für jede Zweizylinder-Ducati gehört. Der Erfolg gab den Italienern Recht, es wurde eine Hypermotard 796 mit 804 Kubik nachgereicht, ab 2013 wuchsen die beiden Versionen zusammen, es gab nur noch eine Motorisierung für die Hypermotard 821 mit ebenso viel Hubraum wie der Name verspricht aus einem wassergekühlten Testastretta-11°-V2. Dieser Motor dafür ab da in drei Versionen als Hypermotard 821 und Hypermotard 821 SP mit besserem Fahrwerk und einigen anderen edleren Gimmicks. Die dritte Version Hyperstrada als Touring-Variante mit hoher Scheibe kam wohl nicht so gut an und wurde daher auch nicht verlängert. Die beiden anderen Versionen aber sehr wohl, ab 2016 wurden sie durch eine ordentliche Hubraumspritze zu Hypermotard 939 und Hypermotard 939 SP und nun steht die brandneue Hypermotard 950 in den Startlöchern.

Die neue Ducati Hypermotard 950 – eine ernst gemeinte Weiterentwicklung

Der neue Name mogelt allerdings noch mehr als bei der Vorgängerin, die um läppische 2 Kubik hochgestapelt hat (einfach, weil 939 besser flutscht als 937), am Hubraum hat sich nämlich nichts verändert und auch Leistung und Drehmoment sind nur geringfügig gesteigert. 114 PS bei 9000 Umdrehungen statt 110 PS bei gleicher Drehzahl und 96 Newtonmeter maximales Drehmoment bei 7250 Umdrehungen statt 95 Newtonmeter bei 7500 Touren sind ja nicht unbedingt gewaltige Umbrüche. Das musste aber auch gar nicht sein, mit diesen 4 PS mehr und einer sehr gelungenen Abstimmung der Elektronik macht die Hyper nach wie vor das, was sie am besten kann: Seit jeher steht sie für Spaß und Action das bringt das Supermoto-Konzept in Verbindung mit dem kräftigen V2-Motor nun mal zwangsläufig mit sich. Dass Ducati dieses Segment sehr ernst nimmt und keineswegs fallen lässt, erkennt man nicht nur an der schlichten Fortsetzung der Hypermotard, sondern an der aufwändigen Neuauflage. Genau genommen wurde an allen Ecken und Enden ein bisschen gefeilt, insgesamt kommt dabei ein völlig neues Motorrad heraus. Eine geänderte, noch aktivere Sitzposition mit breitem Lenker und schmälerer Seitenlinie sowie ein umfangreiches Elektronik-Paket lassen da aufhorchen.

Die neue Hypermotard 950 ist nicht nur hypermodern sondern auch hyper-oldschool!

Das gesamte Chassis wurde neu konstruiert und zusammen mit neuen Felgen, neuer Bremsanlage und leichterer Marzocchi-Gabel werden insgesamt ganze 4 Kilo Gewicht gegenüber der Vorgängerin eingespart. Die Elektronik umfasst nun eine Sechs-Achsen-IMU und spielt daher sprichwörtlich "alle Stückeln", die ein modernes Motorrad spielen muss. Damit einher gehen elektronische Helferlein wie das Bosch Kurven-ABS, die DTC Evo (Ducati Traction Control) und die Ducati Wheelie Control (DWC). Besonders erfreulich ist, dass auch die Optik von diesen Änderungen profitiert, vor allem an der Front mit dem typischen Adlerschnabel (hat in dieser kantigen Form ja wirklich nichts mehr mit einem Entenschnabel zu tun) macht der passend aggressiv gestylte Scheinwerfer mit Tagfahrlicht (DRL) einiges her und die neu gezeichnete, im Taillenbereich schmälere Sitzbank hat sogar den Vorteil, dass nun auch kleinere Piloten bei gleicher Sitzhöhe besser die Füße auf den Boden bekommen. Was bei einer Sitzhöhe von 870 Millimeter, bei der Hypermotard 950 SP gar 890 Millimeter für kleine Fahrer durchaus ein Thema darstellt. Im Heck kommen nun wie schon bei der allerersten Hypermotard wieder zwei hochverlegte Auspuff-Endtöpfe zum Einsatz herrlich Oldschool!

Die Topversion Ducati Hypermotard 950 SP mit noch mehr Features

Während also schon die normale Hypermotard 950 mit ihrem (fast) voll verstellbaren Fahrwerk (vorne voll verstellbare 45er Marzocchi-Gabel, hinten Sachs-Federbein in Federvorspannung und Zugstufe justierbar), hydraulischer Kupplung, Brembo-Bremsen mit radialen Monoblock-Bremssätteln und TFT-Farbdisplay (von der Panigale V4 inspiriertes Design) ordentlich auftrumpfen kann, setzt die neue Hypermotard 950 SP noch eins drauf: Edles Öhlins-Fahrwerk mit mehr Federweg (+15 mm vorne, +25 mm hinten), leichtere, geschmiedete Marchesini-Felgen, Ducati Quick Shift (DQS) rauf/runter in Serie (bei der normalen Hyper 950 nur gegen Aufpreis) und mehr Carbon statt Plastik, was zusammen mit der cooleren Corse-Lackierung zwangsläufig zu einer besseren Optik führt. Ob diese Vorteile wirklich einen Mehrpreis von rund 4000(!) Euro wert sind muss jeder für sich entscheiden. Ich jedenfalls finde (aus rein rationaler Sicht) nicht, denn die herkömmliche Hyper 950 kann auf engen, kurvigen Landstraßen - wo diese Maschine vermutlich vorrangig bewegt wird - voll und ganz überzeugen. Und schon die normale Hypermotard 950 ist mit knapp über 15.000 Euro in Österreich und 12.400 Euro in Deutschland nicht unbedingt ein Sonderangebot.

Superstraffes Öhlins-Fahrwerk an der Ducati Hypermotard 950 SP

Doch vorher noch zur Hyper 950 SP, die ich zuerst bei den Testfahrten auf Gran Canaria bei durchgehend strahlendem Sonnenschein (untypisch, wenn ich auf Präsentation fahre) in die Hände bekam. Auf der kleinen aber feinen Rennstrecke in Maspalomas durfte ich die SP auskosten und kann sie allen, die ihre Hypermotard vorrangig auf der Piste bewegen wollen, wärmstens ans Herz legen. Den Vorteil der leichteren Marchesini-Felgen, des sensibleren Öhlins-Fahrwerks und des serienmäßigen Quickshifters DQS (Ducati Quick Shift) kann man dort wohl am besten herausfahren. Wobei selbst Öhlins nicht immer die bessere Wahl ist, die Ducati-Schrauber stellten uns das Fahrwerk besonders straff hin, vermutlich in der Überzeugung, dass ein Fahrwerk auf der Rennstrecke immer knochenhart sein soll. Mag schon sein, dass dies für die meisten Rennstrecken der Fall ist, gibt es aber dann doch mal Unebenheiten im Asphaltband, werden sie bei solch einer Abstimmung erbarmungslos an den Fahrer weitergegeben.

Brembo-Bremsperformance auf höchstem Niveau an der Hypermotard 950

Natürlich keine Sorge, ein voll verstellbares Öhlins-Fahrwerk kann es klarerweise auch sanfter, aber es zeigt doch, dass das Beste nicht immer notwendig ist. Auch die längeren Federwege, die vorrangig für eine bessere Schräglagenfreiheit sorgen sollen (47 Grad gegenüber 44 Grad bei der normalen Hypermotard 950), führen eher dazu, dass die 185 Millimeter Federweg der SP zwangsläufig doch etwas stärker einnicken, als etwa bei sehr sportlichen Naked Bikes und klarerweise Supersportlern und Superbikes. Aber das macht eine Supermoto ja erst so richtig aus. Dafür ist die Bremse über jeden Zweifel erhaben, die Brembo M4.32-Anlage mit radial montierten Monobloc-Vierkolben-Sätteln samt 320er-Scheiben packt nicht nur heftig zu, sondern lässt sich auch ausgezeichnet dosieren. Zumindest auf der Rennstrecke, wo man bei engagierter Fahrweise ohnehin immer die volle Performance abrufen möchte.

Fehler an der neuen Ducati Hypermotard 950? Muss man schon penibel suchen…

Damit wäre ich auch schon bei der normalen Hypermotard 950 - die meiner Meinung nach die bessere Wahl darstellt, als die hochkarätige SP-Version. Bitte nicht falsch verstehen, ich bin der Letzte, der nicht auch lieber das Topmodell hätte, aber der hohe Aufpreis steht zumindest bei vorrangiger Nutzung auf öffentlichen Straßen in keinem Verhältnis zur gebotenen Leistung. Denn selbst wenn man den Quickshifter dazu bestellt, legt man immer noch mehr als 3000 Flocken weniger ab als für die SP-Version. Natürlich kann man auch an der Hypermotard 950 das gefürchtete Haar in der Suppe finden, das Ansprechverhalten des Motors unter 3000 Touren ist nicht ganz optimal, die Bremse packt vehement zu und der Sattel ist für ausgedehnte Touren nicht weich genug. Nicht zu vergessen die Kupplung, die nun hydraulisch betätigt wird, aber ziemlich viel Handkraft erfordert, das können viele Konkurrentinnen schon besser.

Die Konkurrenz zur Ducati Hypermotard 950 sucht man vergebens

Aber wo sind sie denn, die direkten Konkurrentinnen? Wie schon anfangs erwähnt, restlos ausgestorben, gerade mal Aprilia hat mit der Dorsoduro 900 ansatzweise eine Rivalin, die aber rund 20 PS weniger zu bieten hat. MV Agustas Rivale 800 kommt mir noch in den Sinn, doch die ist nun auch nicht mehr im Sortiment der Italiener. Und eigentlich egal, wo die Konkurrenz ist, die Schwächen der Hypermotard 950 sind durch ihre Stärken sehr leicht zu verwinden. Schwergängige Kupplung? Da ich ohnehin jedem einen Quickshifter ans Herz lege (an alle Zweifler: Bitte einfach mal ausprobieren!) legt man einfach die paar Hunderter drauf und muss lediglich beim Anfahren die Kupplung ziehen, dann nie wieder. Ruppiges Ansprechverhalten unter 3000 Touren? Klar wirkt sich diese Schwäche auf der Rennstrecke weit weniger aus und kam bei der Hypermotard 950 SP daher gar nicht zum Tragen, allerdings schafft es die ausgezeichnet abgestimmte Elektronik, selbst unter 3000 Touren ein unerträgliches Abbeuteln des Triebwerks zu verhindern und ab 3000 Umdrehungen stehen dann ohnehin schon permanent mindestens 80 Prozent des maximalen Drehmoments zur Verfügung - also stets knapp 80 Newtonmeter. Kein schlechter Wert.

Der Komfort auf der Ducati Hypermotard 950 reicht, der Spaß entschädigt vielfach

Zu brachiale Bremse? Nun, die Dosierbarkeit der Brembo-Anlage, die sich im Übrigen nicht von jener der SP-Version unterscheidet, ist ausgezeichnet. Handkraft ist kein Thema - die Anlage kann auch auf Superbikes überzeugen, da reicht sie klarerweise auch für eine sportliche Supermoto. Phantastisch ist das Zusammenspiel mit der ganzen Geometrie der Hyper 950, da gibt es kein unangenehmes Aufstellmoment beim Bremsen. Und an das stärkere Eintauchen als etwa bei einem Naked Bike hat man sich auch schnell gewöhnt, immerhin bekommt man dafür im Gegenzug auch mehr Komfort. Stichwort Komfort: Unbequemer Sattel? Also unbequem wäre maßlos übertrieben, alleine durch das feine Fahrwerk werden Unebenheiten besser gefiltert als bei so manchem Naked Bike wie etwa einer Monster mit gleichem Stammbaum. Klar, so gemütlich wie eine Reiseenduro ist eine Hypermotard natürlich nicht, das will und muss sie aber auch nicht, für einen Wochenendtrip reicht es allemal und der Spaß dabei entschädigt ohnehin für die geringfügig ärgeren Strapazen.

Du hast genug Kohle? Dann unbedingt die Ducati Hypermotard 950 SP!

Dass die SP-Version durch ihren geraden Sattel mehr Komfort böte, kann ich nicht bestätigen, zwar kann man tatsächlich besser auf der Sitzbank herumturnen und nach hinten rutschen, was auf der normalen Hypermotard 950 mit der kleinen Stufe nicht funktioniert, aber der Kniewinkel ist auch auf der Hyper ohne SP ausgezeichnet und selbst für große Fahrer durchaus gemütlich. Also auch hier kein triftiger Grund, die teurere SP-Version zu nehmen. Wer allerdings die SP gerade deshalb möchte, weil sie sich preislich von der normalen Version stark abhebt, edles Öhlins-Gold im Fahrwerk hinten UND vorne trägt, leichtere Carbonteile und geschmiedete Marchesini-Felgen besitzt, der möge bitte unbedingt die SP nehmen. Denn auch optisch würde ich instinktiv zur tatsächlich hübscheren Hypermotard 950 SP greifen. Es hindert mich ja wirklich nur mein leider sehr flaches Geldbörsel daran, zur Edel-Version zu greifen.

Fazit: Ducati Hypermotard 950 2019

Die Ducati Hypermotard bleibt trotz Namensänderung in allen Belangen ihrer Linie treu. Eine absolute Spaßmaschine, die vor allem auf kurvigen Straßen ihre Stärken ausspielt. Die Namensänderung hat sie sich trotz gleichen Hubraums wie die Vorgängerin verdient, 4 PS mehr Leistung und 4 Kilo weniger Gewicht gepaart mit völlig neuem Rahmen, noch besserer Brembo-Bremsanlage und verfeinerter Optik mit zwei hoch verlegten Endtöpfen wie bei der ersten Hyper sind wohl vollkommen ausreichend, um von einem ganz neuen Modell zu sprechen.


  • kultivierter, kräftiger Motor
  • absolutes Funbike
  • Kurven-ABS
  • volle Elektronik-Ausstattung mit IMU
  • mittlerweile einzigartig im Segment der Supermotos
  • coole Optik
  • hoher Preis
  • Quickshifter nur gegen Aufpreis
  • gewöhnungsbedürftiges Eintauchen beim Bremsen

Fazit: Ducati Hypermotard 950 SP 2019

Bei Ducati gibt es keine Baureihe, in der es nicht ein Topmodell gäbe, das sich über mindestens ein Basismodell stellt. Gut so, denn so können es sich die Italiener erlauben, unverschämt mehr zu verlangen. Unverschämt mehr natürlich nur für all jene, die sich die Ducati Hypermotard 950 SP nicht leisten können/wollen - die normale Version kann fast alles ebenso gut. Den feinen Unterschied machen aber eben so feine Zutaten wie gold strahlendes Öhlinsequipment vorne und hinten, geschmiedete Marchesini-Felgen, feine Carbonteile und die gelungene Lackierung im Ducati Corse-Look.


  • edles Spaßmacher-Bike
  • kultivierter, kräftiger Motor
  • hochwertige Brembo-Bremse mit Kurven-ABS
  • Quickshifter Serie
  • viel Carbon
  • Öhlins-Fahrwerk
  • volle Elektronik-Ausstattung mit IMU
  • mittlerweile einzigartig im Segment der Supermotos
  • noch coolere Optik als normale Hyper 950
  • noch höherer Preis
  • gewöhnungsbedürftiges Eintauchen beim Bremsen

Bericht vom 30.01.2019 | 140.907 Aufrufe

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