Triumph Street Twin 2019

Das britische Unterhaus wird umfangreich erneuert

Triumph ist einer dieser Traditions-Motorradhersteller, der es geschafft hat, sowohl das sportliche Modellprogramm mit den diversen Speed und Street Triples als auch das Retroprogramm mit noch mehr verschiedenen Modellen auf dem Markt erfolgreich zu etablieren. Vor allem die Street Twin schlägt seit 2016 gekonnt die Brücke zwischen Retro und Moderne. Die Neuauflage wurde nun rundum verbessert und präsentiert sich mit einem gewaltig erstarkten Triebwerk.

Triumph hat Tradition, das steht bei einer über 100-jährigen Firmengeschichte außer Frage. Somit sind Retro-Modelle - vor allem in dieser goldenen Zeit für diese Kategorie - fast schon Pflicht neben den sportlichen Triple-Baureihen. Dennoch oder vielmehr gerade deshalb sind die Retro-Modelle durch die Bank mit modernsten Features ausgestattet. Also auch die kleinsten Retros Street Twin und Street Scrambler, wobei klein in diesem Fall nur relativ betrachtet werden darf. Denn die meisten Modern Classics (so nennt Triumph sein Retro-Programm) sind mit dem 1200 Kubik großen Parallel-Zweizylindermotor ausgestattet da wird eine Street Twin mit ohnehin ordentlichen 900 Kubik, ebenfalls in Parallel-Zweizylinder-Bauweise schnell als Kleine bezeichnet.

Heftiger Leistungszuwachs bei der Triumph Street Twin 2019

Wobei die Leistung der Vorgängerin mit ihren nur 55 PS tatsächlich eher in die Einsteiger-Riege eingeordnet werden durfte. Damit räumt die neue Street Twin nun auf, stolze 10 PS legt der Parallel-Twin mit 270 Grad Hubzapfenversatz zu - 18 Prozent Leistungssteigerung können sich wohl sehen lassen! Erreicht wurde dies durch gezielte Änderungen bei den Innereien des Motors, eine leichtere Kurbelwelle, gewichtsoptimierte Ausgleichswelle, ein geänderter Ventilhub, die Steigerung der Verdichtung von 10,55:1 auf 11:1 und nicht zuletzt das angehobene Drehzahllimit von 7000 auf 7500 Touren.

Auch bei der neuen Triumph Street Twin gefällt das üppige Drehmoment

Paradoxerweise steigert sich zwar die gewonnene Leistung stetig und erreicht dann bei 7500 Touren ihren Höhepunkt von 65 PS - allerdings nutzt man im Normalfall viel lieber das ordentliche Drehmoment von 80 Newtonmeter bei rund 3500 Umdrehungen, das sich gegenüber der Vorgängerin nicht verändert hat. Wer also bereits die Vorgängerin nicht nach der Leistung am Papier beurteilt und ihr eine erstaunlich gute Fahrbarkeit bescheinigt, wird dies auch bei der neuen Street Twin mit dem stärkeren Motor tun. Vor allem wirkt das Triebwerk ab 6000 Touren etwas angestrengt und vibriert dann bis zum Begrenzer spürbar, sodass es auch bei der neuen Street Twin schlauer scheint, im Drehzahlbereich zwischen 2500 und 5500 Touren zu fahren, um das satte Drehmoment auszukosten.

Eine brave Bremsanlage an der Triumph Street Twin 2019

Diese zwar ordentliche, in Fahrt aber behutsame Verbesserung scheint von Seiten Triumphs durchaus logisch: Die Street Twin ist das meistverkaufte Modern Classics-Modell, da war es nicht notwendig, die Maschine neu zu positionieren, sondern all jene Dinge, die der Kundschaft ohnehin gefallen, noch besser zu machen. Mit dieser Ausgangslage hatte es Triumph natürlich leicht, den am öftesten kritisierten Punkt, die Vorderradbremse, zu bereinigen. Es bleibt zwar bei der Einzelscheibe (was trotz des ordentlichen Trockengewichts von 198 Kilo ohnehin kein zwingendes Kriterium für eine schwache Bremse ist), anstelle der Zweikolben-Zange von Nissin kommt nun aber ein Vierkolben-Sattel von Brembo zum Einsatz, der tatsächlich sehr harmonisch und gut dosierbar zu Werke geht. Dass ich persönlich die Handkraft vergleichsweise hoch finde, liegt wohl daran, dass ich von den vielen Doppelscheiben-Anlagen mit radialen Vierkolben-Monoblocs dermaßen verwöhnt bin, dass ich es schon gar nicht mehr glauben kann, dass man einen Bremshebel ziehen und nicht nur antippen muss.

Wo ein Vauli, da auch Regen!

In der Praxis hat diese gutmütige und gar nicht aggressive Auslegung der Bremse natürlich Vorteile, vor allem in meiner Praxis, in der es seit geraumer Zeit überall auf der Welt regnet, wenn ich dort auf ein Motorrad steige. So also auch in Portugal, wo ich kurz nach Verlassen des Hotels auf zehn Kilometer Distanz voll eingewaschelt wurde und im restlichen Verlauf des Tages immer wieder nasse Straßenabschnitte befahren musste, die in der Regel sehr plötzlich kamen und eben auch nach einer sehr gutmütigen Bremsanlage verlangten.

Nun gibt es auch auf der Triumph Street Twin einstellbare Fahrmodi

Die Hilfspakete sind aber gut geschnürt, die ohnehin gute Bremse verfügt über ein ABS und am Hinterrad kommt eine Traktionskontrolle zum Einsatz, deren Vorhandensein ich durch absichtlich übertriebenes Gas geben im zweiten Gang verifizieren kann, ansonsten merkt man von ihr angenehm wenig - die Pirelli Phantom Sport funktionieren eben sehr gut sowohl auf trockener als auch nasser Fahrbahn. Da scheint es fast schon übertrieben, dass ganz neu nun auch zwei Fahrmodi, Road und Rain, auswählbar sind. Aber bitte, wer wirklich auf Nummer Sicher gehen möchte, wählt Rain und bekommt eine sanftere Kraftentfaltung. Als Neuheit tun die Modi jedenfalls ihre Pflicht, durch das ohnehin vorhandene Ride-by-Wire-System sind die verstellbaren Modi für die Hersteller bekanntlich keine große Hexerei.

Viel Komfort auf der Triumph Street Twin 2019

Ein weiterer Grund, warum man getrost den Road-Modus wählen darf, ist das gutmütige Handling und die Abstimmung des Fahrwerks. Für sich gesehen ist die Street Twin eher auf der komfortablen Seite, die neue vordere Cartridge-Gabel mit 120 Millimeter Federweg und die hinteren Stereo-Federbeine, die ebenfalls 120 Millimeter eintauchen, sind noch nicht zu weich, aber bestimmt nicht zu hart. Dass die große Konkurrenz für die Street Twin in Form der Street Scrambler im eigenen Haus steht, soll Triumph nicht stören, die Scrambler-Version ist nämlich tatsächlich noch komfortabler und harmonischer abgestimmt. Das soll jedoch die Talente der Street Twin nicht einschneidend schmälern, immerhin ist sie mit ihrem 18 Zoll-Vorderrad immer noch die straßenorientiertere Version als die Scrambler mit 19 Zoll. Damit dieser Fahrspaß länger andauert, vor allem länger am Stück, wurde die Ergonomie der Street Twin verbessert, was zu einem großen Teil an der besser gepolsterten Sitzbank liegt. 10 Millimeter mehr Komfort trösten gewiss über 10 Millimeter mehr Sitzhöhe hinweg, die mit 760 Millimeter ohnehin noch im sehr niedrigen Bereich liegt.

Die neue Triumph Street Twin mit aufgefrischter Optik und edlerem Finish

Schließlich wurde auch die Optik weiter verbessert, alles bleibt zwar da, wo es vorher schon war, das Finish der Oberflächen präsentiert sich nun aber noch edler und an vielen Stellen kommt nun verwegenes Schwarz zum Einsatz. Das Rücklicht erstrahlt in LED-Bauweise, die Alu-Gussräder bekommen hübsch gefräste Flächen und die Armaturen erhalten ebenfalls ein noch hochwertigeres Finish. Dass die Geschwindigkeit als großer Analogtacho dargestellt wird, passt natürlich gut zur Retro-Optik und auch die kleine LCD-Anzeige darunter bleibt so klein, dass sie die Linie nicht stört. Allerdings bekommt man dadurch den, ziemlich schlecht ablesbaren Drehzahlmesser in der Digitalanzeige nur dann, wenn man auf andere Infos wie Kilometerzähler, Restreichweite oder Uhr verzichtet. Da ich es aber auf solch einem Motorrad, das ich ohnehin nicht permanent am Drehzahlbegrenzer bewegen möchte, mehr schätze, wenn das Design auch bei den Armaturen authentisch bleibt, ist dieses Manko zumindest für mich durchaus verkraftbar.

Der Preis für die Triumph Street Twin 2019 wird nur geringfügig angehoben

Dass an der Street Twin nur gezielte Änderungen gemacht wurden, damit der Einstieg in die Modern Classic-Reihe der Kundschaft weiterhin gefällt, wirkt sich auch auf den Preis aus die Street Twin 2019 wird nur geringfügig teurer als die Vorgängerin. Jedenfalls so geringfügig, dass der Aufpreis für die vielen Verbesserungen durchaus gerechtfertigt ist. Wer noch mehr für seine Street Twin ausgeben möchte, indem er sie mit originalen Triumph-Zubehörteilen aufmöbelt, kann aus sage und schreibe 140 verschiedenen, allesamt sehr coolen Teilen auswählen. Sparen kann der Besitzer dann ohnehin an der Tanksäule, bei einem Verbrauch von knapp über 4 Liter (Triumph gibt löblich nahe dran 3,9 Liter auf 100 Kilometer an) kommt man mit den 12 Liter Sprit im Tank fast 300 Kilometer weit. Womit sich die nun besser gepolsterte Sitzbank erklärt. Die Briten wissen eben, worauf es bei einem modernen Retro-Bike ankommt!

Der Test der neuen Triumph Street Scrambler 2019 ist schon online!

Fazit: Triumph Street Twin 2018

DIe neue Triumph Street Twin setzt die Erfolgsgeschichte des Vorgänger-Modells geschickt fort, statt radikaler Änderungen gibt es gezielte Verbesserungen an Motor, Bremsen, Fahrwerk und Ergonomie. Die enorm um 10 PS gesteigerte Leistung ist zwar schön, den speziellen Charakter des durchzugsstarken Reihen-Zweiers erlebt man aber nach wie vor eher im mittleren Drehzahlbereich. Hinzu kommt eine verbesserte Optik und Anmutung zu einem kaum höheren Preis. Wer zu viel Geld im Börserl hat, kann sich seine Street Twin ohnehin mit knapp 140 Original-Zubehörteilen aufmöbeln und individualisieren.


  • Motor mit viel Drehmoment in der Mitte
  • gute Bremse
  • angenehme Ergonomie
  • aktuelle Elektronik-Features
  • leichtgängige Kupplung
  • authentische Optik
  • ein faires Angebot
  • Bremse braucht Handkraft
  • Armaturen mit kleinem Digital-Feld

Bericht vom 22.11.2018 | 78.439 Aufrufe

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