Husqvarna Enduro 2018 Test

Zweitakter mit Einspritzung in Kanada

Zurück in die Zukunft! Husqvarna schreibt Geschichte und bringt in über 100 Jahren Motorradbau die ersten 2 Takt Motorräder mit Einspritzung. In Kanada wurden die TE 250i & 300i erfolgreich präsentiert.

Wenn einer eine Reise tut, dann hat er was zu erzählen! Wenn das Sprichwort gilt, dann würde dieser Bericht sicher den Rahmen sprengen und ein Herr der Ringe Band wäre schneller zu überfliegen. Aber in dem Fall war nicht nur die Location der Präsentation der neuen Husqvarna TE 250i & TE 300i ein Hammer, sondern vor allem die neuen Bikes, die ohne Übertreibung Geschichte schreiben. Die Einspritzung ist in der Historie der Offroad Motorräder in einer Liga mit der Einführung der Wasserkühlung, Zentralfederbein oder der Scheibenbremsen einzuordnen. Der Grund warum dies im Offroadsport, speziell beim 2 Takter, so lange gedauert hat, liegt an der Komplexität und dem hohen Anspruch in diesem Sport an Leistung, Ansprechverhalten und Traktion.

Die Location im Panorama Resort mitten in den Rocky Mountains entschädigte locker für die lange Anreise über Frankfurt und Calgary. Die 4 stündige Hinfahrt mit dem Auto in die Rocky Mountains war einfach nur großes Kino. Da werden alle Nordamerikanischen Klischees erfüllt. Der Grund warum diese Location ausgewählt wurde hat eigentlich einen ganz einfachen Grund. Weltweit gibt es nur 4 Möglichkeiten wo man mit Motorräder legal auf weit über 2000mSH hinauf fahren kann. Und warum die Action? Ganz einfach, Husqvarna wollte beweisen, dass die Einspritzer Technologie in jeder Situation funktioniert und der bisherigen Vergasertechnologie überlegen ist, auch auf 2600mSH, wo für normal keiner mehr spazieren fährt.

Vorab die kleinen Änderungen, bevor ich auf die Einspritzung eingehe. Letztes Jahr erfolgte ein großer Relaunche, auf den ich hier aber nicht mehr eingehen werde. In den neuen Modellen wurde auf der Suspension Seite neue Gabelaußenrohe mit besserer Biegecharakteristik und geringerer Reibung verbaut. Wie gewohnt kann Zug- und Druckstufe, als auch die Federvorspannung bequem an der Gabel oben ohne Werkzeug eingestellt werden. Beim Federbein hintern wurde eine Feder mit härterer Federrate verbaut. Die Bremsen wurden komplett auf Magura umgestellt. Hintergrund ist der, dass hier Dinge von Grund auf neu umgesetzt werden konnten. So zum Beispiel eine Führung die den Einbau der hinteren Achse immens erleichtert oder dass die Be- und Entlüftung nun einfacher mit einer Spritze erledigt werden kann. Ebenso konnten wieder ein paar Gramm eingespart werden.

Dass an dem Thema schon viele Jahre gearbeitet wurde ist schon lange bekannt. Dennoch ein mutiger Schritt, aber zu Recht, wie der Test in Kanada bestätigte. Das Tolle an so einem Presse Launch ist ja, dass alle Techniker, Mechaniker und Entwickler dieser Motorräder vor Ort sind und mehr Infos geben, als sonst wo zu bekommen sind. Da bekommt man erst einen Eindruck, wie aufwändig der Weg war, bis dieses System serienreif war. Der Vergaser ist ansich ein sehr intelligentes System, dass sich mit Drücke, Düsen und Nadeln selbst verändert und anpasst. Einem Einspritzsystem hingegen müssen alle Daten geliefert werden, damit dann die ECU dies verarbeitet und die richtigen Befehle weiter gibt, wieviel Öl und Sprit bereitgestellt werden muss. So kommen Sensoren für Drosselklappe, Umluft, Ansaugluftdruck, Kühlflüssigkeitstemperatur, Kurbelwellengehäusedruck zum Einsatz. Im System bei Husqvarna wird das Öl mittels einer einfachen Ölpumpe vor dem Membranblock zugeführt, der Sprit hingegen wird direkt im Zylinder beigemengt. Diese Lösung wurde aus Platzgründen und Gewichtseinsparung gewählt. Mittels einer Bypass Schaube kann die Lehrlaufdrehzahl verändert werden. Der Öltank mit 0,7lt. wurde oberhalb des DellOrto Drosselklappenkörpers positioniert, der Einfüllstutzen ist leicht zugänglich zwischen Lenkkopflager und Tankdeckel. Der Inhalt von 0,7 lt. sollte für min. 5 Tankfüllungen (9,25 lt.) reichen. Das System stellt zudem ein Mischverhältnis von 80:1 her, ist damit sparsam und verursacht kaum Rauchentwicklung.

Genug den technischen Details, denn das Wesentliche sagt einem der Popometer, ob die Technologie funktioniert oder nicht. Husqvarna hat knapp 40 Bikes nach Kanada einfliegen lassen und diese direkt an der Talstation auf 1100mSH pick fein aufgefädelt hingestellt. Als Guide fungierte mehrfach Enduro Weltmeister und nunmehriger Rallyepilot Pela Rene sowie Endurocross Champion Colton Haaker. Nach dem Frühstück die brandneue 250er i ausgefasst, und wir fuhren direkt über die Schipiste, wo übrigens kurz zuvor noch 2 Bären herumstreunten, in einen anspruchsvollen Single Trail. Was gleich vom ersten Meter an auffällt, die Motorräder laufen nicht nur aufgrund der Ausgleichswelle, die seit dem Vorjahr verbaut wurde, sehr rund und linear. Vibrationen oder unrunder Motorlauf im kalten Zustand sind kaum mehr spürbar. Hier sorgt die Einspritzung für einen sehr runden Motorlauf. Nach einer Weile kam dann der längste Hillclimb, den ich je gesehen oder erlebt habe. Wir sind eine Schipiste im 3. und 4. Gang Vollgas von 1600mSH auf 2300 mSH in einem durchgefahren, dann noch bis zum Gipfel auf 2600mSH. Was für 2 Takter mit Vergaser aufgrund der Seehöhe zu einem echten Problem wird, ist der Einspritzung völlig egal. Zwar gibt es in der Höhe leichte Leistungseinbußen, dies ist aber der Höhe zuzuordnen, der Motorlauf war immer noch gleich.

Dann erfolgten 1500m Downhill, und auch dort ein spürbarer Vorteil gegenüber dem Vergaser. Das sonst so typische nachlaufen (Ding-Ding- Ding Zweitaktfahrer wissen was ich meine) ist fast zur Gänze verschwunden. Lediglich bei der 250er war das Standgas relativ gering eingestellt, was bei langen Abfahrten leicht zum Absterben des Motors führt. Auch angenehm überrascht, dass bei längerer Halbgasstellung kein ruckeln mehr aufkommt. Unten angekommen fiel ganz stark auf, dass die Auspuffendkappe völlig trocken war, dies wäre noch so einer langen Abfahrt bei Vergasermodellen undenkbar. Genauso raucht das Motorrad kaum mehr, der Sound hingegen ist zum Glück völlig ident geblieben.

Nach dem ersten Turn folgte dann der nächste mit der TE 300i. Hier dann für mich die noch größere positive Überraschung gegenüber dem Vergaser Modell. Die 300er war ja schon immer sehr Drehmomentstark im unteren Bereich, ab dem mittleren Drehzahlbereich war früher dann die Leistungsentfaltung aggressiv. Bei der neuen 300 i ist der Drehmomentverlauf viel linearer und berechenbarer, aber keine Angst, immer noch bärenstark. Was auch positiv auffiel, der serienmäßige Map Select Schalter ist jetzt auch tatsächlich viel stärker spürbar und verändert die Charakteristik entscheidend. Einzig aufgefallen ist, dass sich die Motoren nicht mehr so überdrehen lassen, wie sehr mager eingestellte Vergaser. Dies kann aber auch noch an dem Mapping der Vorserien ECU liegen, die hier verwendet wurden.

So kamen wir an dem Tag auf vier Turns zu je rund 1 1/2 h. Alle 36 Motorräder liefen den ganzen Tag über ohne jegliches Problem, dies unterstreicht, dass hier keine Experimente eingegangen wurden.

Die Qual der Wahl zwischen diesen beiden Modellen war früher schon schwierig und ist jetzt noch enger geworden. Klar, die 250er lässt sich in Single Trails leichtfüßiger bewegen und auch Hobbyfahrer sind im Vollgasmodus nicht komplett überfordert. Doch die 300er hat immer noch Drehmoment wie ein Panzer und ist aber in den höheren Drehzahlbereichen zivilisierter geworden. Ganz schwierige Entscheidung. Ich würde sagen, für flotteren Einsatz die 250er und je technischer (Hardenduro), desto mehr 300er. Die Produktion ist bereits angelaufen und die ersten Bikes stehen ab Mitte Juli beim Händler!

Fazit: Husqvarna TE 250i 2017

Viele Vorteile, wenig Nachteile. Auf der Waagschale liegt ein sehr linearer rund laufender Motor, der zivilisiert wurde, ohne dabei seine DNA zu verlieren. Weniger Sprit- und Ölverbrauch, damit größere Reichweite. Kaum mehr blaue Rauchwolken und kein Vormischen des Benzins notwendig. Nachteil? Etwas mehr Gewicht, das aber im Fahrbetrieb nicht aufgefallen ist. Somit ist die neue Technologie kein Experiment sondern der Schritt in die Zukunft der 2 Takter im Offroadsport. Die Skeptiker werden ebenso in kurzer Zeit verstummen, wie dies bei den 4 Taktern der Fall war, die Vorteile überwiegen einfach zu sehr. Die Konzepte 2 Takt und 4 Takt sind technologisch wieder auf Augenhöhe und noch enger beisammen.


  • linearer, runder Motorlauf
  • weniger Spritverbrauch
  • kaum Rauchentwicklung
  • mehr Gewicht

Fazit: Husqvarna TE 300i 2017

Viele Vorteile, wenig Nachteile. Auf der Waagschale liegt ein sehr linearer rund laufender Motor, der zivilisiert wurde, ohne dabei seine DNA zu verlieren. Weniger Sprit- und Ölverbrauch, damit größere Reichweite. Kaum mehr blaue Rauchwolken und kein Vormischen des Benzins notwendig. Nachteil? Etwas mehr Gewicht, das aber im Fahrbetrieb nicht aufgefallen ist. Somit ist die neue Technologie kein Experiment sondern der Schritt in die Zukunft der 2 Takter im Offroadsport. Die Skeptiker werden ebenso in kurzer Zeit verstummen, wie dies bei den 4 Taktern der Fall war, die Vorteile überwiegen einfach zu sehr. Die Konzepte 2 Takt und 4 Takt sind technologisch wieder auf Augenhöhe und noch enger beisammen.


  • linearer, runder Motorlauf
  • weniger Spritverbrauch
  • kaum Rauchentwicklung
  • mehr Gewicht

Bericht vom 05.07.2017 | 29.333 Aufrufe

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